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Werden die Menschen immer einsamer? Und schadet Einsamkeit der Gesundheit? Zumindest ersteres kann laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für Deutschland verneint werden. Dass Einsamkeit krank machen kann, ist dagegen unbestritten: In Japan, Großbritannien, Dänemark und Australien wird Einsamkeit bereits als ein Problem für die öffentliche Gesundheit wahrgenommen – in Großbritannien wurde im vergangenen Jahr ein Ministerium für Einsamkeit eingerichtet. Auch in Deutschland sei es notwendig, vorbeugende Maßnahmen gegen Einsamkeit zu entwickeln, so die IW-Studie.
Die aktuellen Auswertungen der IW-Studie zeigen, dass der Anteil der Menschen, die sich einsam fühlen, von 10,5 Prozent (2013) auf 9,5 Prozent im Jahr 2017 zurückgegangen ist. Dass Einsamkeit krank machen kann, ist dagegen unbestritten: So schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP, dass sich Zusammenhänge mit Bluthochdruck und anderen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen sowie psychischen Erkrankungen und Demenz zeigten.
Datenbasis der IW-Studie war das Sozio-ökonomische Panel (SOEP), bei dem jährlich ca. 30.000 Personen in 15.000 Haushalten befragt werden. Im Jahr 2013 wurden erstmals auch Fragen zur Einsamkeit gestellt. Die Ergebnisse bestätigen die allgemeine Annahme, dass Ältere (60+) am häufigsten unter Einsamkeit leiden (2017: 10,8 %). Doch auch Jüngere sind betroffen: Vor allem die 30- bis 39-Jährigen (9,6 %), gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen und den 40- bis 49-Jährigen (jeweils 9,1 %). Am wenigsten einsam fühlen sich die 50- bis 59-Jährigen. Dabei geben Frauen häufiger an, einsam zu sein, als Männer: Etwa 60 Prozent aller einsamen Personen sind Frauen. Am stärksten betroffen sind verwitwete Menschen.
Aber was genau ist Einsamkeit? Aus Sicht der Wissenschaft handelt es sich um das subjektive Gefühl des Alleinseins. Dabei sind Menschen, die allein leben oder nur wenige Freunde haben, nicht zwangsläufig einsam. Umgekehrt können sich stark sozial eingebundene Personen durchaus einsam fühlen. Anders ist die Sachlage bei Personen, die objektiv einsam und damit sozial isoliert sind – besonders Hochaltrige sind hiervon betroffen.
Das Problem „Einsamkeit im Alter“ ist von der Politik bereits erkannt – so unterstützt das Bundesseniorenministerium engagierte Personen, Projekte und Einrichtungen, die Menschen aus der Einsamkeit holen sollen. Mit dem Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus fördert es aktuell bundesweit rund 540 Mehrgenerationenhäuser.
Bei dem Fachkongress „Einsamkeit im Alter vorbeugen und aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen" im März in Berlin, wurden im Rahmen des nationalen Wettbewerbs „Einsam? Zweisam? Gemeinsam!“ erstmals die besten Initiativen gegen Einsamkeit im Alter ausgezeichnet.
Dazu zählt beispielsweise das „Sportpark-Mobil 50+“ in Krefeld, das regelmäßig Seniorenheime besucht und dort niedrigschwellige und spielerische Bewegungsangebote anbietet. Beim Caritas-Projekt „Wegbegleiter & Interkulturelle Öffnung“ in Frankfurt unterstützen Ehrenamtler verschiedener Nationalitäten ältere Migranten unter anderem bei Behördengängen. Der Seniorenrat in Kernen/Remstal bietet einen umfassenden Verbund von Projekten unter dem Motto „Ältere für Ältere“. Ehrenamtliche helfen beim Schriftverkehr mit Ämtern und Unternehmen, bei kleineren Reparaturen im Haushalt, bei der altersgerechten Anpassung der eigenen vier Wände und bei der Versorgung mit Fahrdiensten.
Auch der Austausch mit anderen Ländern der EU wird forciert: So veranstaltet das Bundesseniorenministerium Ende September 2019 ein internationales Seminar zum Thema Einsamkeit und soziale Isolation im Alter. Andere Bundesministerien sind ebenfalls tätig geworden: So fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die „Integrierte ländliche Entwicklung“ mit dem Ziel, auf dem Land Orte der Begegnung zu schaffen. Beispiele sind hier die Maßnahmen „Dorfentwicklung“ und „Einrichtungen für lokale Basisdienstleistungen“.
Doch dürfe der Fokus nicht nur auf den Älteren liegen, heißt es in der IW-Studie. Auch jüngere Altersgruppen sollten mehr in den Blick genommen werden. Frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass Erwerbstätigkeit und ein attraktives Angebot an Freizeitaktivitäten Einsamkeit verringern könnten.
Die Autoren empfehlen, gravierende Lebensereignisse wie Trauerfälle, Renteneintritt oder Umzüge genauer in ihrer Auswirkung zu untersuchen. „Daraus könnten gezielte Maßnahmen abgeleitet werden, um Personen, die bestimmte Übergänge erleben oder in Zukunft erleben werden, präventiv zu unterstützen.“
Das gilt auch schon für Teenager: Bei 11- bis 17-Jährigen fühlten sich laut einer Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts immerhin 4,2 Prozent oft oder immer einsam. Dabei könnten schon Kinder und Jugendliche frühzeitig gegen spätere Einsamkeitsphasen immunisiert werden, so der Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, Manfred Spitzer, in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur. „Wenn man einem Kind eine Sportart mitgibt, weil es eben im Fußball- oder im Basketballverein war, ein Musikinstrument beigebracht hat, vielleicht sogar noch eine zweite Fremdsprache, in der es sich auch gut unterhalten kann, dann hat es Kompetenzen, Fähigkeiten, die hat es sein Leben lang, und die werden letztlich dafür sorgen, dass es mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit im Alter einsam ist als jemand, der diese Fähigkeiten nicht hat.“
Anja Katrin Orth / Theresa Eyerund, Einsamkeit in Deutschland: Aktuell keine Zunahme, IW-Kurzbericht 38/2019, 3 Seiten, Download
IW-Report 22/2019
Theresa Eyerund / Anja Katrin Orth, Einsamkeit in Deutschland. Aktuelle Entwicklungen und soziodemographische Zusammenhänge, IW-Kurzbericht 22/2019, 26 Seiten, Download
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