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Der hochbetagte Senior, der Hilfe im Alltag und bei der Regelung seiner Finanzen braucht; die junge Frau, die im Obdachlosenheim lebt, drogenabhängig und ohne Familie; die sorgende Tochter, die für ihre zunehmend demente Mutter Entscheidungsvollmacht haben möchte – solche Fälle zielen direkt auf Recht und Praxis der Betreuung. Immer geht es um schutzbedürftige Menschen, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder persönlichen Einschränkungen ihre Rechte nicht selbst ausüben können. Ein Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesjustizministeriums nimmt sich des Themas an: Wie gut ist die Betreuung dieser Menschen geregelt, welche Defizite sollten behoben werden?
Die Studie „Qualität in der rechtlichen Betreuung", erstellt vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) und der TH Köln, nennt zunächst zentrale Zahlen und Fakten zur rechtlichen Betreuung in Deutschland. Basis des Projekts ist die Befragung von mehr als 5.000 beruflichen und ehrenamtlichen Betreuern, Gerichten, Verwaltungen und Betreuungsvereinen. Hinzu kommen Fallstudien und Experteninterviews.
Bundesweit werden schätzungsweise 1,25 Mio. Menschen betreut (2015), größtenteils von Angehörigen oder Berufsbetreuern. 537.000 Angehörige unterstützen einen Angehörigen, knapp 49.000 ehrenamtliche Fremdbetreuer sind für rund 122.000 Personen verantwortlich. Profis sind die zweite Säule des Betreuungssystems: 16.000 Berufs-, Vereins- und Behördenbetreuer sind für 594.000 Menschen tätig.
Die Studie bemängelt, „dass es zurzeit noch keine bundeseinheitlichen und klar überprüfbaren Qualitätsanforderungen an die Berufsbetreuenden gibt.“ Folglich erstellen die Wissenschaftler ein Konzept zur Qualitätsmessung, um damit die Wirklichkeit rechtlicher Betreuung zu überprüfen. Sodann leiten sie 54 Handlungsempfehlungen aus ihren empirischen Erkenntnissen ab, die auf eine dauerhafte Qualitätssicherung abzielen. Die Einführung von gesetzlich definierten Kriterien und eines Zulassungsverfahrens, so die Annahme, könnte den professionellen Betreuungsstandard anheben.
Den beruflichen und ehrenamtlichen Betreuern ist der hohe Stellenwert von Autonomie und Selbstbestimmung der Betreuten durchaus bewusst, konstatiert die Studie. Allerdings hapert es oft an der praktischen Umsetzung. Wichtige Ergebnisse und Schlussfolgerungen daraus sind:
Mit dem 1992 eingeführten Betreuungsrecht (§§ 1896 ff. BGB) steht ein erprobtes Regelwerk zur Unterstützung von Menschen zur Verfügung, die in ihrer Selbstbestimmung und Schutzwürdigkeit, etwa bei Rechtsgeschäften, der Hilfe bedürfen, stellt die Studie fest. Die UN-Behindertenrechtskonvention und zahlreiche Qualitätsleitfäden flankieren diese Vorgaben. An normativen und rechtlichen Vorgaben fehlt es also nicht.
Der Wert vorliegender Studie liegt darin, die Wirklichkeit der rechtlichen Betreuung in der Praxis hierzulande auszuleuchten. Dabei kommt viel Positives ans Licht, etwa die hohe Identifikation von Berufsbetreuern und Ehrenamtlern mit ihrer Arbeit, ihr teilweise hohes Wissensniveau und die im Großen und Ganzen positive Würdigung der erlebten Unterstützung durch die Betreuten selbst.
Der empirische Zugang der Studie förderte aber auch zahlreiche kleinere und größere Defizite zutage. Hier müssen die Betreuungsbehörden genauer hinschauen, der Gesetzgeber neue Regelungen treffen und alle Beteiligten gewahr werden, dass eine gute rechtliche Betreuung auch mehr Geld kostet.
Der Abschlussbericht, ein Auszug mit den zentralen Ergebnissen und Handlungsempfehlungen (Kapitel 10), die Kurzfassung und die beiden Zwischenberichte können beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hier heruntergeladen werden.
Download (weiter unter: „Forschungsvorhaben in der rechtlichen Betreuung“)
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