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Deutschlands Kliniken stehen unter erheblichem Druck. 2019 gab es 1914 Krankenhäuser – 170 weniger als zehn Jahr zuvor. Sogar im Coronajahr 2020 machten bundesweit 21 Häuser zu. Die rückläufige Entwicklung bei Häusern und Betten betrifft vor allem öffentliche und freigemeinnützige Krankenhäuser. Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen sagt den kleineren kommunalen Kliniken eine weiterhin schwierige Zukunft voraus. Bundesweite Verbund- und Konzernstrukturen kommunaler Häuser unter der Maßgabe medizinischer Qualität, Wirtschaftlichkeit, Erreichbarkeit und Gemeinwohlorientierung seien gefragt – und machbar.
In der anhaltenden Reformdiskussion stehen sich grundsätzliche Positionen gegenüber: Hier eine wohnortnahe Daseinsvorsorge ohne Profitorientierung, da ein Angebot, das auf Ressourcenbündelung und Wirtschaftlichkeit zielt. Die Studienautoren Dr. Stephan Balling und Prof. Dr. Björn Maier der „Forschungsstelle für öffentliche und Nonprofit-Unternehmen“ an der Hochschule Ludwigshafen weisen eine Alternative: „Das Ziel ist vielmehr, Voraussetzungen zu schaffen, um mit zeitgemäßen Managementmethoden eine patientenfokussierte exzellente medizinische, pflegerische und therapeutische Versorgungsstruktur organisieren zu können, die weniger dem Einfluss kommunalpolitischer Notwendigkeiten unterliegt und sich stärker an Fragen einer sinnvollen Medizin- und Versorgungsstrategie und erst nachgeordnet von Wirtschaftlichkeit ausrichtet.“
Die Studie stützt sich auf leitfadengestützte Interviews mit Medizin-, Verwaltungs- und Rechtsexperten des kommunalen, freigemeinnützigen Kliniksektors. Das Einzelkrankenhaus ohne Verbundstruktur muss demnach um seine Zukunft bangen. Mehr als die Hälfte dieser Häuser erzielt keinen Überschuss. Durchgängiges Problem ist die Einhaltung von Mindestmengen, Personalvorgaben und Qualitätsstandards. Zum hohen Innovationsdruck durch medizinischen Fortschritt und Digitalisierung kommen aktuell auch die wirtschaftlichen Belastungen durch die Pandemie hinzu, führen die Forscher aus. Die größten Zukunftschancen für diese Häuser sehen sie in der hochspezialisierten Fachklinik oder als kommunale Maximalversorger, deren Verlust die sie tragende Kommune ausgleicht.
Demgegenüber haben regionale oder überregionale Verbundlösungen im Kliniksektor vielfache Vorteile, arbeiten Balling und Maier unter Berufung auf ihre Experteninterviews heraus:
Als weitere Kooperationsvorteile werden Wissenstransfer (klinikinterner und konzernweiter berufsgruppenübergreifender Austausch zu Qualität und Best Practice) und einheitliche Standards genannt.
Einige Befragte äußerten für einzelne Kooperationsbereiche allerdings Zweifel, ob die erwünschten Vorteile nur durch die gesellschaftsrechtlichen Strukturen eines Konzerns zu realisieren sind, etwa beim Einkauf. Branchenübliche Vereinbarungen und Netzwerke selbstständiger Partner könnten ebenfalls messbare Synergieeffekte bewirken. Empirisch aber sei erwiesen, dass Konzerne bessere wirtschaftliche Ergebnisse als Einzelhäuser erzielten, erläutert die Studie: „Die Vorteile von Konzernlösungen scheinen losere Verbünde nicht zu bieten.“
Verlustschreibende Kliniken mit Potenzial werden oft in privatwirtschaftliche Verbünde überführt. Privatisierungen generell und insbesondere im Gesundheitswesen leiden aber oft an Fehlsteuerungen des Marktes, geben die Autoren zu bedenken. Zwar können moderne Managementmethoden eine verlustschreibende Einzelklinik im Verbundsystem auf Effizienz und Gewinn trimmen. Bei starker Orientierung am Shareholder-Value, vor allem bei börsennotierten Klinikketten, kollidiert jedoch die Ertragsfähigkeit einzelner Stationen oder ganzer Häuser häufig mit dem Versorgungsbedarf einer Kommune. „Rein private Lösungen sind deshalb skeptisch zu beurteilen“, bilanzieren die Wissenschaftler.
Experten empfehlen häufig für kleine und mittelgroße Kliniken sektorenübergreifend aufgestellte Versorgungsmodelle. Dabei steht ein kommunaler Maximalversorger im Zentrum, dem bedarfsgerecht kleinere Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) angegliedert sind. Kulturelle Unterschiede zwischen Land und Stadt oder eine zu starke Dominanz des Maximalversorgers könnten jedoch Probleme verursachen.
Neben der regionalen Zusammenlegung von Kliniken sollte eine überregionale Konzernbildung erwogen werden, legt die Studie nahe. Manche Bereiche der Kooperation – etwa das Personalmanagement mitsamt Recruiting – ließen sich dann sogar einfacher praktizieren, da keine Konkurrenz zwischen den beteiligten Krankenhäusern bestehe.
Der Erfolg einer überregionalen Konzernbildung hängt auch von der Rechtsform ab. Als Beispiel wird der Agaplesion-Konzern als gemeinnützige Aktiengesellschaft (gAG) vorgestellt. Ausschlaggebend ist ein doppelter Vorteil: das unternehmerisch eigenverantwortliche Handeln eines nicht weisungsgebundenen Managements sowie klare Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten im Aufsichtsrat durch den (kommunalen) Träger. Damit, so die Studie, könnten strategische Entscheidungen unter primär medizinischen und wirtschaftlichen Aspekten getroffen werden.Demgegenüber biete etwa die Rechtsform der GmbH nicht die gebotene Politikferne, da sie zu sehr vom partei- und wahltaktischen Kalkül der kommunalen Vertreter abhänge.
Stephan Balling / Björn Maier, Ein kommunaler Krankenhauskonzern - Eine wissenschaftliche Bewertung aus Sicht von Daseinsvorsorge, medizinischer Qualität und Wirtschaftlichkeit,Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, 2021, 87 Seiten
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