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My home is my castle – das englische Sprichwort steht für das eigene Zuhause als Hort von Behaglichkeit und sicherem Rückzug. Im Alter gilt das einmal mehr. Die oft jahrzehntelang bewohnten eigenen vier Wände in vertrauter Nachbarschaft sind zur Heimat geworden, gesundheitliche Einschränkungen erhöhen das Schutzbedürfnis. Aus dieser Gefühlslage ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch: Obwohl die Wohnung nicht ihren altersbezogenen Bedürfnissen entspricht, sind viele Senioren damit vollauf zufrieden.
Der Widerspruch zwischen objektiver Wohnsituation (z. B. Ausstattung und Wohnkosten) und subjektiver Wahrnehmung drückt sich überzeugend in einer Zahl aus. Auf einer Skala von 1 („sehr schlecht“) bis 5 („sehr gut“) bewerteten Ältere über 65 Jahren ihre Wohnsituation mit 4,4. Warum das so ist und welche Konsequenzen sich daraus für die staatliche Wohnungsförderung ergeben, ist Gegenstand einer Analyse mit Daten des Deutschen Alterssurveys.*
Objektiv betrachtet weist die Wohnsituation Älterer Licht und Schatten auf, rechtfertigt aber insgesamt keine Top-Bewertung. Diese Altersgruppe verfügt durchschnittlich über zweieinhalb Zimmer pro Person. 95 Prozent hat einen Zugang zu Garten, Balkon oder Terrasse, jede*r zweite Senior*in pflegt enge oder sehr enge Nachbarschaftskontakte.
Dem steht gegenüber, dass ältere Mieter*innen im Durchschnitt 30 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben. Jede siebte Person über 65 Jahren (15 %) gibt starke Einschränkungen beim Treppensteigen an, je älter desto mehr, berichtet der Alterssurvey für 2017. Nur ein Drittel der Personen mit Mobilitätsproblemen lebt in einer Wohnung, die stufenlos erreichbar ist. In der Altersgruppe der 65- bis 79-Jährigen ist jede zehnte Person (9 %) auf Gehhilfen angewiesen, ab 80 Jahren jeder Dritte (34 %). Zwei Drittel der älteren Menschen mit Gehhilfen (65 %) haben kein barrierefreies Badezimmer.
Knapp ein Drittel der Menschen (29 %) mit Problemen beim Autofahren oder bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel berichteten von unzureichenden Einkaufsmöglichkeiten in ihrer Umgebung und von mangelhafter Versorgung mit Ärzt*innen und Apotheken. „Insgesamt belegen die Zahlen zu altersgerechten Wohnbedingungen eindeutig, dass die Wohnsituation der Älteren oft nur unzureichend an deren Bedürfnisse angepasst ist“, konstatiert der Report. Obwohl gerade die „alten Alten“ (80 Jahre und älter) am stärksten von Mobilitätseinschränkungen betroffen seien, sei ihre Bewertung der Wohnsituation kaum besser als die der „jungen Alten“ (ab 65 Jahren).
Als entscheidenden Grund für die hohe Wertschätzung nehmen die Autor*innen die Vertrautheit mit dem eigenen Zuhause, den Nachbarn und dem Wohnviertel an. Je stärker diese Verbundenheit erlebt wird, desto besser wurde auch die Wohnsituation bewertet. Dieser emotionale und soziale Faktor finde in wissenschaftlichen Analysen zu wenig Berücksichtigung. Die Wohndauer im aktuellen Zuhause betrug bei den Befragten im Durchschnitt mindestens 30 Jahre, bei den Hochbetagten sogar 40 Jahre. Dieses Phänomen wird in der Literatur als „Ageing in place“ beschrieben.
Für die Autor*innen sind die Schlussfolgerungen klar: Ältere Menschen sollten mit einem altersgerechten Umbau der Wohnung und wohnortnahen Hilfsangeboten unterstützt werden. „Erweist sich ein Umzug als unvermeidbar, sollte dafür Sorge getragen werden, dass ältere Personen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.“
Diese Einsicht schlägt sich schon in zahlreichen Förderprogrammen für altersgerechtes Wohnen und rechtlichen Vorgaben zur Schaffung entsprechenden Wohnraums nieder. Allerdings herrscht immer noch großer Handlungsbedarf, um den Bedürfnissen älterer Menschen nach selbstbestimmter Lebensführung – auch beim Hilfe- und Pflegebedarf – gerecht zu werden.
* Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) ist eine repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung von Personen in der zweiten Lebenshälfte. Dabei werden seit mehr als zwei Jahrzehnten Menschen auf ihrem Weg ins höhere und hohe Alter regelmäßig befragt. Der Report wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
Elke Hoffmann / Alberto Lozano Alcántara / Laura Romeu Gordo,
My home is my castle: Verbundenheit mit der eigenen Wohnung im Alter.
In: Statistisches Bundesamt,Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, & Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.): Datenreport 2021. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Reihe Zeitbilder. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Kapitel 2.6, S.88-93, Download
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