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Katastrophen wie der Ukrainekrieg oder die Flut an Ahr und Erft, Hilfe für Bedürftige während der Corona-Pandemie, für den Umwelt- und Tierschutz: Die Deutschen spenden gerne, wie sich erst kürzlich wieder in der Weihnachtszeit zeigte. Hinter dieser frohen Botschaft stehen jedoch komplexe Trends: Das Spendenvolumen steigt, die Spendenquote nimmt ab, Arme spenden mehr als Reiche. Und der Osten Deutschlands ergibt noch einmal ein besonderes Bild. Eine gemeinsame Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) leuchtet die tieferen Entwicklungen des Spendenverhaltens aus und macht einen interessanten Vorschlag zum Anreiz künftiger Spendenbereitschaft.
Knapp 30 Millionen Menschen haben im Jahr 2019 gespendet, rund zwei Millionen weniger als 2017, besagt der zugrundeliegende Sozio-oekonomische Panel (SOEP). Dennoch stieg das gesamte Spendenaufkommen privater Haushalte auf 10,3 Milliarden Euro – ein Plus von 600 Millionen Euro. Dieser Zuwachs beruht auf der erstmaligen Berücksichtigung von hochvermögenden Spender*innen (Nettovermögen von drei bis 250 Mio. Euro) in der Statistik. Für die Pandemiejahre 2020 und 2021 ergibt sich laut ergänzenden Daten des DZI ein Spendenzuwachs auf 12,9 Milliarden Euro (2021), für 2022 wird ein weiterer Anstieg prognostiziert. Nach letztgültiger Erhebung im Oktober 2022 hatte die Ukraine-Nothilfe bereits rekordverdächtige 862 Millionen Euro eingesammelt, berichtet DZI-Studienautor Karsten Schulz-Sandhof, mehr, als für die Hochwasser-Opfer (2021: 655 Mio. Euro).
Die Höhe des Einkommens hat den größten Einfluss auf die Spendenbereitschaft, filtert die Studie heraus. Die einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte bringen mehr als ein Drittel (37 %) des gesamten Spendenvolumens auf. „Relativ zum verfügbaren Jahreseinkommen spenden sie aber deutlich weniger als die unteren Einkommensgruppen“, erklärt Studienautor Jürgen Schupp vom DIW – 0,9 Prozent gegenüber 1,9 Prozent. „Mit anderen Worten: die einkommensschwächsten Haushalte zählen zu den spendabelsten.“
Fraglich aber, ob das so bleibt: Angesichts hoher Inflation und gestiegener Energiekosten könnten die Spenden weniger betuchter Bevölkerungskreise künftig geringer ausfallen oder ganz ausbleiben. Offensichtlich tut sich bei den Spendern eine Kluft auf: Der Anteil der Menschen, die pro Jahr bis zu 50 Euro spenden, nimmt stetig ab, während er bei höheren Spenden über 100 Euro und sogar über 500 Euro deutlich ansteigt.
Der kleine Unterschied macht sich auch in der Spendenstatistik bemerkbar. Frauen (45 %) spenden häufiger als Männer (41 %). Dafür überweisen Männer, wenn sie denn spenden, mehr als Frauen (416 bzw. 286 Euro). Frauen spenden bevorzugt nach Gesichtspunkten der Fairness, Männern orientieren sich eher an Prestige und Effizienz. Allgemein steigt die Spendenquote mit zunehmendem Alter und höherer Bildung. Bemerkenswert ist auch der wechselseitige Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Spendenbereitschaft. „Zufriedene Menschen spenden nicht nur häufiger, sondern Spenden können sich auch positiv auf die Zufriedenheit auswirken", konstatiert die Studie.
In Ostdeutschland – mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns – ist das Spendenverhalten zurückhaltender als im Westen: mit einer Spendenquote von 36 bzw. 45 Prozent und einer um 150 Euro niedrigeren Spendenhöhe. Die Gründe dürften zweifach sein, legt die Studie nahe: Kirchenzugehörigkeit und Urbanisierung sind im Osten niedriger, beide Größen korrelieren jedoch positiv mit höherer Spendenbereitschaft.
Corona-Pandemie, Flut-Katastrophe und der Ukrainekrieg haben die Spendenbereitschaft stark angetrieben. Für die Ukraine-Nothilfe kam die bislang nominal höchste Summe zusammen, inflationsbereinigt fast so viel wie beim Tsunami 2004, dem bisherigen Rekordhalter. Bei derart großen Schreckensereignissen sind Spenden und ehrenamtliches Engagement eine unschätzbare Hilfe, stellt die Studie fest. „Daher ist es wichtig, dass der Staat die Spendenbereitschaft insgesamt fördert.“ Das ist über die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden als Sonderausgaben möglich.
Allerdings sparen dabei reiche Spender mehr als arme. Während ein Spitzenverdiener beim gegenwärtigen Grenzsteuersatz von 42 Prozent 42 Euro vom Staat zurückbekommt, sind es für eine(n) Geringverdiener*in mit einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent nur 15 Euro. „Die steuerliche Ungleichbehandlung der Spendenden gehört abgeschafft“, bringt es DIW-Experte Schupp auf den Punkt. Die Studie plädiert daher für die einheitliche steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden von 42 Prozent.
Karsten Schulz-Sandhof / Jürgen Schupp, Reiche Haushalte in Deutschland spenden relativ zum Einkommen weniger als arme Haushalte, DIW Wochenbericht 46/2022, Seiten 596-605 (Interview Jürgen Schupp, Seite 606), Download
Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI):
www.dzi.de/pressemitteilungen/aermere-haushalte-spenden-mehr-als-reiche-haushalte
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