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Wer Bescheid weiß, lebt gesünder. Fundierte Informationen zu einem Spezialisten oder zu Behandlungsalternativen können lebensentscheidend sein. Doch wie steht es tatsächlich mit der öffentlichen Qualitätsberichterstattung im Gesundheitswesen? „Es gibt zu viel, was von geringer Nutzerrelevanz ist, und zu wenig Information, die sich am Patientenbedarf ausrichtet“, kritisiert eine gemeinsam von der Bertelsmann Stiftung und ihrem Projekt „Weisse Liste“ vorgestellte Studie. Dabei könnte alles viel besser laufen.
Eine repräsentative Befragung von Anfang 2022 deckte wesentliche Transparenzdefizite im Gesundheitssystem auf. Demnach fühlt sich die Mehrheit der Deutschen (64 %) bei der Suche nach einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder Pflegeheim schlecht informiert. Ein Großteil (87 %) votiert für eine gesetzliche Verpflichtung der Anbieter zur Qualitätsauskunft, zwei Drittel (67 %) für einen Navigationspfad durch das Gesundheitssystem per elektronischer Patientenakte (ePA). Die Studie konstatiert eine „große Lücke“ zwischen dem Informationsbedarf der Bevölkerung und verlässlichen Angeboten aus dem Gesundheitswesen.
Dieser wenig schmeichelhafte Befund bildet den Anlass vorliegender Studie zu einer Bilanz des Public Reporting hierzulande. Schon vor Jahren verpflichtete der Gesetzgeber die Krankenhäuser (2005) sowie Pflegeheime und ambulante Pflegedienste (2008) zu regelmäßigen Qualitätsberichten. Nur die niedergelassenen Arztpraxen sind bislang ausgenommen. „Angesichts der zunehmenden Ambulantisierung stationärer Leistungen entwickelt sich dieses sektorale Ungleichgewicht bei Qualitätssicherung und -transparenz zu einem immer gravierenderen Problem.“
Die Studie moniert, dass entsprechende Daten und Fakten zwar vorhanden seien, aber nicht für eine nutzerfreundliche Qualitätsberichterstattung aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würden. „Darüber hinaus stehen wichtige Informationen unter Kuratel von Dateneignern, die so ihre institutionellen Partikularinteressen zementieren.“Auf einige der gravierendsten Fehler und Mängel sei hier hingewiesen.
Die in Krankenhäusern erhobenen Daten dienen primär dem internen Benchmarking, bei Pflegeheimen der externen Qualitätsprüfung. Erst die nachträgliche Aufbereitung des Datenbestands erlaubt eine halbwegs patientenfreundliche Navigation durch das Anbieterdickicht. Zurück bleibt Ernüchterung: „Bürger, Patienten und Ärzte kennen die gesetzlichen Qualitätsberichte kaum, finden diese wenig hilfreich, weil viele präferierte Kriterien fehlen, und nutzen sie kaum.“
Der bereits 2018 von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder angestoßene Prozess, evaluierte Ergebnisse von Patientenbefragungen zum Bestandteil öffentlicher Information zu machen, stecke noch in den Kinderschuhen, urteilt die Studie. „Andere Länder sind bei diesem Thema deutlich weiter.“ Hierzulande verfügbarePatientenbewertungen auf kommerziellen Arztsuchportalen und Bewohnerbefragungen von Pflegeheimen sind dagegen in methodischer Güte und Aussagekraft wenig belastbar.
Weder Datenqualität noch Datenschutz stünden der Nutzung vorhandener Daten für das Public Reporting entgegen. Vor allem bei niedergelassenen Arztpraxen könne die Datennutzung einen echten Mehrwert bieten, scheitere aber im wesentlichen an der Freigabe durch die Ärzteschaft, besagt die Studie. Dem ärztlichen Geheimhaltungsbedürfnis stünden die Informationsinteressen der Patient*innen gleichberechtigt gegenüber. Dennoch: „Rechtfertigungspflichtig ist weiterhin, wer die Offenlegung von Daten verlangt, aber nicht, wer sie verweigert.“
Eine transparentes Public Reporting scheiterte bislang an der Fragmentierung der Sektoren und Institutionen. So gelten für Krankenhäuser und Pflegeheime unterschiedliche Gesetzesvorgaben, für niedergelassene Praxen keine. Hinzu kommen problematische Zuständigkeiten: Während im Gesundheitswesen die Selbstverwaltung für Transparenz zuständig ist, wacht darüber in anderen Branchen die unabhängige Stiftung Warentest. Somit bestimmen Verbände der Krankenhäuser und Pflegeheimbetreiber mit, wie streng Einrichtungen geprüft und was über ihre Qualität veröffentlicht wird.
Nicht nur Aufbereitung und Verfügbarkeit, auch die Platzierung von patientenrelevanten Daten liegt im Argen. „Selten findet die Information ihre Nutzerinnen und Nutzer da, wo sie konkret benötigt wird, etwa in der Hausarztpraxis bei der Überweisung an die fachärztliche Weiterbehandlung oder die Einweisung ins Krankenhaus“, konstatiert die Studie. Hier stellt sich die Frage, wie Qualitätsdaten per Verbraucherplattformen, Beratungsstellen sowie Arzt- und Krankenhausinformationssystemen reibungslos zum Patienten gelangen.
Die Studie empfiehlt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. „Denn an der Notwendigkeit einer transparenten und nutzerfreundlichen Darstellung der Qualität medizinischer und pflegerischer Versorgungsleistungen kann kein Zweifel bestehen.“ Hierbei komme der elektronischen Patientenakte eine zentrale Rolle zu. Beste Lösung sei ein digitales Informations- und Leitsystem, „das sich nahtlos in die Versorgungsabläufe innerhalb und jenseits der klassischen Sektoren einfügt und neben den ärztlichen auch andere Gesundheitsprofessionen einbezieht.“
Qualitätstransparenz braucht einen großen Wurf. 15 Jahre Public Reporting in Deutschland – ein kritisches Resümee. Hg.: Stefan Etgeton, Bertelsmann Stiftung und Weisse Liste, Gütersloh 2022, 24 Seiten, Download
Dazu Factsheet Befragungsergebnisse zum Thema Qualitätsberichterstattung, 4 Seiten, Download
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