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Hoffmann und Campe, Hamburg 2019, 352 Seiten, 24 Euro.
Die kanadische Umweltaktivistin Naomi Klein gilt als Superstar der Globalisierungskritik. Sie ist eine der international meistbeachteten Vordenkerinnen der Anti-Globalisierungsbewegung. Weltberühmt wurde sie vor 20 Jahren mit ihrem globalisierungskritischen Buch „No Logo. Der Kampf der Global Players um Marktmacht“, in dem sie sich selbst als konsumversessen outete. Sieben Jahre später prangerte die Aktivistin in ihrem Werk „Die Schock-Strategie“ den Neoliberalismus an. „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“ heißt ihre aktuelle Streitschrift. Der „Green New Deal“ fordert in den USA den Umbruch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Landes hin zu einer nachhaltigen und gerechteren Gesellschaft. Auch für Europa hält Naomi Klein eine fundamentale Wende in der Politik für alternativlos.
Bei der UN-Klimakonferenz wurde über die nächsten Klimaziele verhandelt, beim Weltwirtschaftsforum ging es um Klimawandel und nachhaltigen Kapitalismus. Naomi Klein ist schon längst einen Schritt weiter. Zuletzt beschäftigte sich die amerikanisch-kanadische Publizistin mit dem Klimaschutz und weshalb er bisher am Kapitalismus scheiterte. Ihr neuestes Buch „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“ ist eine Sammlung von eigenen Reden und Essays aus mehreren Jahren und einigen neu geschriebenen Texten, in denen die Autorin eindringlich eine radikale Wende fordert, politisch und ökonomisch. Dabei bezieht sich Naomi Klein auf eine Programmschrift für eine vor allem in den USA existierende Bewegung, die das politische Konzept des New Deal aus den Dreißigern neu beleben will. Die moderne Version dieses Programms hat im Februar 2019 auch die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez in den US-Kongress eingebracht. Naomi Klein findet das großartig.
Mit dem „New Deal“ half US-Präsident Franklin D. Roosevelt den USA, die Weltwirtschaftskrise zu überwinden. Erstaunlicherweise wurden ab 1933 – genau wie heute – Gesetze zur Sozialversicherung und zum Mindestlohn, zur Zerschlagung von Banken und zum sozialen Wohnungsbau in Städten erlassen. Es gab öffentliche Investitionen in Stromnetze, Straßen oder Naturschutzgebiete, und es wurden Millionen Bäume gepflanzt, schreibt Naomi Klein. Roosevelts Paket von Wirtschafts- und Sozialreformen war damals genauso heftig umstritten wie heute der Grüne New Deal.
„In Wahrheit war die Wirtschaftsgeschichte im letzten Jahrhundert immer ein Kampf zwischen den Menschen, die glaubten, dass es eine Wirtschaft für sozialökologische Bedürfnisse der Menschen und ihre Aufgaben gibt und den Menschen, die alles dem Markt überlassen. Das ist die große Schlacht unserer Zeit“, sagt Naomi Klein im Interview mit unserer Autorin während der Lit.Cologne in Köln. „Wir müssen jetzt das Pendel zu den Zielen des New Deal zurückzudrehen.“ Der Aktivistin geht es nicht um eine exakte Kopie von Roosevelts New Deal. Wichtig sei vielmehr: „Die Angst vor dem Klimawandel sowie Ziele und das Gefühl: Ja, wir können große Probleme zu lösen.“
Die historischen Beispiele verdeutlichen für Naomi Klein, dass es bei früheren Mobilisierungen auch immer wieder Fehlstarts gab und der Kurs korrigiert werden musste. Wichtig sei ihrer Meinung nach, den Prozess unverzüglich einzuleiten. Die Journalistin beginnt ihr Buch mit Gedanken darüber, wie die Zukunft gesichert werden kann: Dazu gehört, dass die Regierungen auf der Welt für grundlegende Änderung des Konsumverhaltens und für einen Umbau der Intrastruktur sorgen müssten. Und sie beschreibt die „Supermacht Greta“, wie Naomi Klein es nennt. Für die Autorin ist Greta Thunberg „der Funke und wir der Flächenbrand.“ Die Botschaft des Schulstreiks lautet für sie: „Sehr viele junge Menschen sind zu grundlegenden Veränderungen bereit.“
Ihr persönliches Erweckungserlebnis in Sachen Klimakrise ist für Naomi Klein der Hurrikan Katrina gewesen und die Überschwemmung der Stadt New Orleans. Der schwere Sturm und die Regenfälle trafen auf eine völlig verrottete Infrastruktur, marode Dämme und Deiche. „Nur deshalb ist die Stadt im Wasser versunken“, schreibt die Autorin. „Da habe sie verstanden: "Bei der Klimakrise geht es nicht nur um die Umwelt, es geht um Menschenrechte, um soziale Ungleichheit und das ganze kaputte System.
„Schauen Sie sich an, wie sich die Debatte seit der Fridays-for-future-Bewegung verändert hat. Es ist eine globale Krise und wir brauchen eine globale Bewegung.“ Naomi Klein schreibt zwar vor allem aus der US-Perspektive. Kostenlose Bildung und vernünftige Krankenversorgung muss hierzulande nicht gefordert werden. Wunderbar findet die Aktivistin, dass in den USA in Kansas City gerade kostenloser öffentlicher Verkehr eingeführt wurde. Oder dass in Paris an smogbelasteten Tagen mehr Menschen Metro fahren, weil die Politik die Metro kostenlos macht. „Wenn Sie dagegen den Preis für den öffentlichen Nahverkehr weiter erhöhen, gibt es kein gerechtes System.“
Die kanadische Umweltaktivistin, die sich selbst als demokratische Sozialistin bezeichnet, weiß: Eine politische Kehrtwende im Stil eines Green New Deal lässt sich ausschließlich mit harten Kämpfen erreichen und kann letztendlich nur von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis durchgesetzt werden. Aktuell richtet sich ihrer Meinung nach die gesellschaftliche Debatte um den Klimaschutz weder gegen die großen Unternehmen noch gegen die zügellose Prekarisierung und die daraus entstehende Ungleichheit. Und das ärgert sie. Stattdessen stehen die Nachteile für die kleinen Leute wegen steigender Sprit- und Heizölpreise im Vordergrund. Der Planet lässt sich für Naomi Klein aber nur zielgerichtet und kompromisslos retten.
Es gibt für Naomi Klein „sehr mächtige Interessen, die wollen, dass es immer so weiter geht, weil er für sie hochprofitabel ist“, sagt die Publizistin. „Wir sind gegen die Ölkonzerne, die Gasgesellschaften und die Autokonzerne und sie brauchen eine Gegenleistung, sogenannte Subventionen, die es in dem ursprünglichen neuen Deal gab.“ Die Journalistin vermutet, „deren Idee des Green New Deals ist, die Annäherung an die Klimakrise darauf zu reduzieren, sich auf den Preis von CO2 zu konzentrierten.“ Für die Aktivistin, die mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Toronto lebt, ist die Idee eines grünen neuen Deals, den mit Menschen zu organisieren, die von den Veränderungen durch den Green New Deals profitieren. „Weil wir alle gewinnen, wenn wir die katastrophale Klimaveränderungen stoppen.“ Der Gewinn ist für die Publizistin „mehr Ressourcen in den Gemeinden, in Fachgebieten, wo wir mit Lehrern, Krankenschwestern und Landwirten gearbeitet haben. Wir haben so eine breite Koalition aufgebaut.“
Im Original heißt die erstaunlich optimistische Streitschrift „On fire“. Naomi Klein denkt radikal und macht daraus keinen Hehl. Chronologisch beschreibt sie in ihrer Sammlung von Texten, Vorträgen und persönliche Erinnerungen, inwieweit Klimakrise und Sozialpolitik zusammenhängen. Selbst nachträgliche Zweifel an ihrem Besuch im Vatikan nimmt sie in den Blick. Die Autorin lässt Umweltkatastrophen Revue passieren, beschreibt die weltweiten Fluchtbewegungen und die oberflächliche umweltpolitische Pseudopolitik. Die Globalisierungskritikerin, die bei ihren Diagnosen und Forderungen gelegentlich arg mit dem Schema Gut-gegen-Böse arbeitet, scheut letztendlich keinen noch so wütenden, eindringlichen und politischen Appell, um die Klimakrise noch abzuwenden.
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