
Am 06. Dezember 2022 haben der Bundesgesundheitsminister und die Mitglieder einer Regierungskommission die dritte Stellungnahme für eine „grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“ vorgestellt. Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:
1. Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln)
Künftig sollen Krankenhäuser in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden:
Grundversorgung | Krankenhäuser, die medizinische und pflegerische Basisversorgung leisten, z.B. grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle |
Regel- und Schwerpunktversorgung | Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten. |
Maximalversorgung | Universitätsmedizin |
Für die einzelnen Level würden erstmals bundeseinheitliche Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der apparativen, räumlichen und personellen Ausstattung gelten.
2. Ansätze für eine sektorenübergreifende Versorgung
Den Krankenhäusern des Levels I wird eine besondere Bedeutung zugemessen. Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I-n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I-i).
Krankenhäuser des Levels I-i soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der zu häufig noch stationärer-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Deshalb empfiehlt die Regierungskommission, sie sektorenübergreifend regional zu planen, sie vollständig aus dem DRG-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Zudem soll durch entsprechende gesetzliche Änderungen ermöglicht werden, dass sie unter pflegerischer Leitung stehen können.
3. Einführung von definierten Leistungsgruppen
Die derzeit grobe Zuweisung von Fachabteilungen zu Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden. Perspektivisch könnten damit heute bestehende Fachabteilungen wie die Inneren Medizin in definierte Leistungsgruppen überführt werden, wie komplexe Endokrinologie und Diabetologie, komplexe Gastroenterologie oder komplexe Pneumologie. Komplexere Eingriffe der Gastroenterologie wären damit in einer Allgemeinen Inneren Medizin nicht mehr möglich.
Voraussetzung für die Zuteilung zu einer Leistungsgruppe ist die Erfüllung definierter personeller und apparativer Strukturvoraussetzungen.
Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level (II und III oder nur III).
4. Vergütung von Vorhalteleistungen
Es wird empfohlen zukünftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser je nach ihrer Zuordnung erhalten. Damit sollen Fixkosten z.B. für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik abgedeckt werden.
Die Vorhaltekosten müssten dann auf dem DRG-basierten Fallpauschalensystem ausgegliedert werden. Somit würde sich die Vergütung der Leistungen aus der allgemeinen Vorhaltefinanzierung, dem bereits aus dem DRG-System ausgegliederten Pflegebudget und dem verbleibenden Restanteil der DRG zusammensetzen.
Einordnung
Diese dritte Stellungnahme komplettiert die ersten zwei Vorschläge der Regierungskommission zu einer umfassenden Krankenhausreform. Vorangegangen war ein erster Reformvorschlag zur Verbesserung der stationären Vergütung für Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe sowie ein zweiter Vorschlag zur Implementierung einer Tagesbehandlung im Krankenhaus.
Das Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft der BFS Service GmbH sieht in den Reformüberlegungen ein deutliches Abweichen vom derzeit leistungs- und mengenabhängigen Vergütungssystem sowie Ansätze zu einer strukturellen Versorgungstransformation. Es können dadurch Voraussetzungen geschaffen werden, um den teilweise ruinös anmutenden Wettbewerb um Leistungen und Personal zu begrenzen. Das generelle Problem knapper Ressourcen im Gesundheitswesen dürfte mit den nun vorgestellten Ansätzen aber noch nicht nachhaltig gelöst sein. Zum einen wird auch für Häuser derLevel I-i-Versorgung qualifiziertes Personal benötigt werden, welches heute bekanntlich einen entscheidenden Engpassfaktor darstellt. Zum anderen dürfte der demografische Wandel dafür sorgen, dass sowohl in den weißen Dienstarten signifikant Personal aus dem Berufsleben ausscheidet und zum anderen altersbedingte Erkrankungen deutlich zunehmen. Ferner muss geklärt werden, wie die vorgesehene Transformation der Versorgungslandschaft vor dem Hintergrund des bestehenden Investitionsstau infrastrukturell umgesetzt werden kann. Auch bleibt intersektoral das System verschiedener Kompetenzen und Interessen bestehen, was eine aufeinander abgestimmte Versorgung entlang der Behandlungskette erschwert. Von daher muss politisch integrativ über verschiedene Institutionen und Lager gearbeitet werden, um wirklich nachhaltige Versorgungsstrukturen schaffen zu können. Krankenhäuser sollten daher unter sich ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen die Möglichkeiten nutzen und sich proaktiv auf Basis ihrer Ausgangssituation sowie des spezifisches Versorgungsumfelds auf nachhaltige Versorgungssettings unter wirtschaftlichen Aspekten einzustellen.
Umsetzbarkeit des Reformkonzepts und Rolle der Bundesländer
Die Krankenhausplanung in Deutschland obliegt den Bundesländern. Wie das Papier feststellt, gehen die Länder in ihren Krankenhausplänen damit sehr unterschiedlich um. Inwieweit die bundeseinheitlichen Vorgaben für die Krankenhausplanung mit der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer in diesem Bereich kollidieren, wird im Kommissionskonzept nicht weiter erläutert.