
Wie können zivilgesellschaftliche Ressourcen aktiviert werden, um den Herausforderungen des demografischen Wandels in der Alten- und Behindertenhilfe zu begegnen? Welche Chancen bietet ein Aufbruch der bestehenden Säulenstruktur der Leistungssysteme? Diese und weitere Fragen wurden am 21. und 22. September auf dem sechsten Kongress des Netzwerks SONG (Soziales neu gestalten) bei der Samariterstiftung in Nürtingen diskutiert.
Im Fokus des diesjährigen SONG-Kongresses stand die systemische Berücksichtigung und Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements, denn eins ist klar: „Ohne Solidaritäten geht es nicht“. Diesen Titel trägt auch ein SONG-Impulspapier, das als Basis für das zweitägige Kongressprogramm diente. Es verdeutlicht die Abhängigkeit von Solidaritäten in Bezug auf die Auswirkungen der Megatrends.
Warum sind Solidaritäten wichtig? Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird die Anzahl der Single-Haushalte bei den über 60-jährigen Menschen bis 2040 über 25 Prozent zulegen. Aktuell unterstützen sich ältere Paare gegenseitig und sorgen dafür, dass sich der Einzug ins Heim verzögert. Jedoch erfordert der Trend zur Singularisierung zunehmend die Solidarität der Gesellschaft, um die Versorgung angesichts des prekären Fachkräftemangels auch in Zukunft sicherstellen zu können. Wie wichtig gesellschaftliche Solidaritäten sind, zeigt auch die Eingliederungshilfe. Integration kann nur erfolgreich sein, wenn Gemeinschaften die Voraussetzungen schaffen.
Solidaritäten aktivieren und stärken
Zur zivilgesellschaftlichen Aktivierung schlägt das Netzwerk SONG die Etablierung einer unabhängigen und regelfinanzierten Moderation auf kommunaler Ebene vor. Innerhalb von Wohnquartieren könnten vernetzte (digitale) Strukturen geschaffen werden, um örtliche Ressourcen und die Bedürfnisse der Menschen miteinander zu verknüpfen.
Unter den Teilnehmenden wurde als Beispiel der Vorstoß des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier über die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes diskutiert. Das soziale Jahr wäre nicht wie beim freiwilligen sozialen Jahr auf junge Menschen beschränkt, sondern laut dem Plenum auch für Senior*innen vorstellbar. Zwei weitere wesentliche Forderungen des Netzwerks sind die Überwindung der Sektorengrenzen bei den Hilfesystemen und die Förderung einer gesellschaftlichen Achtungskultur.
Im Rahmen von SONG-Cafés und einer Workshop-Reihe konnten die Teilnehmer*innen ihre Einschätzungen und Erfahrungen austauschen. Die Bank für Sozialwirtschaft beteiligte sich aktiv an einem „Open-Space“-Austausch. Markus Sobottke, Teamleiter Research, moderierte zusammen mit Bettina Kruth vom Evangelischen Johanneswerk das SONG-Café „Konsequenzen fürs Quartier?“.
Zum Abschluss des Kongresses waren sich die Teilnehmer*innen einig: Solidaritäten werden in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen müssen. Die Aktivierung dieser zivilgesellschaftlichen Kräfte kann aus dem Quartier heraus zusammen mit allen Akteuren einen wesentlichen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Dazu bedarf es des Abbaus von rechtlichen Hürden und einer strukturierten und organisierten Förderung des gesellschaftlichen Engagements.
Bildnachweis: Netzwerk SONG