
Die Bewahrung der Schöpfung, die Beachtung von Menschenrechten, der Einsatz für einen (sozial gerechten) Klimaschutz – ureigene Themen der Sozialwirtschaft meinen Sie? Europäische Rechtsetzung war für die Freie Wohlfahrtspflege lange nur aus fördertechnischer Perspektive beachtenswert. Warum eigentlich? Wenn Nachhaltigkeit unser Handeln bestimmt und immer mehr zur Grundlage für alle Wirtschaftsbereiche erhoben wird, können sich auch große Träger, Verbände und Einrichtungen nicht gegen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung wehren. Warum denn auch? Ein Aufruf, sich im Sinne der Nachhaltigkeit am Sein und nicht nur am Schein messen zu lassen.
Berichtspflichten sind Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege nicht unbekannt. Die Freie Wohlfahrtspflege berichtet seit Jahren mit dem moralischen Anspruch, auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und daraus sozialpolitische Forderungen zu formulieren. Als Sprachrohr gibt sie benachteiligten Gruppen eine Stimme, über die sozialen Herausforderungen der Wohlfahrtspflege zu berichten und soziale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen.
Zum anderen werden Pflichten zu Berichten umweltbedingt gefordert. Beispiele: Spender*innen, die transparent informiert werden, wohin ihre finanziellen Unterstützungen fließen. Prüfbare Verwendungsnachweise für öffentliche und private Finanzmittel, mit denen die qualitative Arbeit in der Sozialwirtschaft oft erst in dem notwendigen Umfang erbracht werden kann. Regelmäßige Prüfungen der Wirtschaftsprüfer*innen über die finanziellen Belange der Unternehmen der Sozialwirtschaft sind im Sinne einer Compliance üblich und werden nach den jeweils geltenden Rechnungslegungsstandards vorbereitet und durchgeführt. Finanzielle Berichterstattung als Ausdruck von Regelkonformität, ob auf der Basis gesetzlicher oder auch freiwilliger Kodizes, ist ein fester Bestandteil des Managements der Unternehmen in der Sozialwirtschaft.
Soziales, Wirtschaft und Umwelt
Seit einigen Jahren rückt der Aspekt der Nachhaltigkeit verstärkt in den Blick, nicht nur durch gesellschaftliche Anforderungen an alle Branchen, um die 2015 verabschiedeten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung im Rahmen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen zu erreichen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden die zu veröffentlichenden Informationen der Unternehmen über die üblichen wirtschaftlichen Aspekte hinaus auf ökologische und soziale Aspekte ausgedehnt. Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege als Teil der Sozialwirtschaft müssen sich aktiv mit steigenden Erwartungen, sowohl in Bezug auf die Sorgfaltspflichten als auch hinsichtlich der Transparenz, auseinandersetzen. Im ersten Schritt bedeutet dies für die Organisationen, die derzeitigen Regulierungen im Blick zu haben und die kürzer werdenden Umsetzungsfristen nicht auszublenden.
CSR-Berichtspflicht und EU-Taxonomie
Eine dieser CSR-Berichtspflichten ergibt sich aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Nachhaltigkeit soll damit in der Berichterstattung integral behandelt und finanziellen Themen schrittweise gleichgestellt werden. Neben Angaben zu Strategie und Geschäftsmodell werden auch übergeordnete Themen, wie Nachhaltigkeitsziele, inklusive Emissionsreduktionsziele für 2030 und 2050, Governance, Management und die Organisation von Nachhaltigkeit sowie Sorgfaltspflichten und negative Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette in den Report einbezogen.
Aus einer Berichtspflicht zum CSRD leitet sich für Unternehmen der Sozialwirtschaft auch eine Berichtspflicht zur EU-Taxonomie ab. „Diese ist ein zentraler Bestandteil des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums […] und soll genau definieren, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig deklariert werden können und welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen“ (DNK-Leitfaden für die Wohlfahrtspflege, S. 19). Auch hier gilt für Unternehmen der Freien Wohlfahrtspflege die Prüfung einer unmittelbaren Betroffenheit durch die Berichtspflicht nach CSRD sowie eine Prüfung der Relevanz, unabhängig von einer direkten Berichtspflicht.
Lieferketten müssen nachvollziehbar sein
Ergänzend zu diesen genannten Regelungen verpflichtet seit 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden, bei den eigenen Geschäftsaktivitäten, aber auch bei ihren Geschäftspartnern, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten zu beachten. Viele Unternehmen der Freien Wohlfahrtspflege werden aufgefordert sein, sich mit ihrem Lieferkettenmanagement zu beschäftigen und zu berichten.
Nun sollte man annehmen, dass diese Aspekte in Unternehmen der Sozialwirtschaft, besonders der Freien Wohlfahrtspflege, schon im ureigenen Auftrag fest verankert sein müssten. Die Bewahrung der Schöpfung, die Beachtung von Menschenrechten, der Einsatz für einen (sozial gerechten) Klimaschutz – all das sind Themen, mit denen sich die Verbände schon eingehend beschäftigen und in – zugegeben unterschiedlichen Priorisierungen und Tiefen – auf den Weg gemacht haben. Die Besonderheit liegt allerdings darin, dass politische Entwicklungen zu den rechtlich verpflichtenden Berichtspflichten führen. Dies stellt viele Organisationen vor Herausforderungen – zunächst alle Regulierungen zu erfassen, zu verstehen und im Blick zu behalten. Und dann in dem eigenen Unternehmen mit ausreichend Ressourcen umzusetzen. Dies ist in vielen Organisationen schlichtweg nicht umsetzbar und benötigt Unterstützung.
Deutscher Nachhaltigkeitskodex für die Freie Wohlfahrtspflege
Diese Herausforderung wurde zu einem Themenschwerpunkt in den Arbeitsinhalten des CSR-Kompetenzzentrums im Deutschen Caritasverband, ein Zusammenschluss von zahlreichen Verbänden innerhalb der Caritas, die sich seit Jahren mit den Themen Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Über einen längeren Zeitraum beschäftigten sich Verantwortliche der Caritas aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Managementbereichen mit möglichen Instrumenten und Standards.
Gemeinsam hat sich das CSR-Kompetenzzentrum im Deutschen Caritasverband mit der Diakonie Deutschland, dem Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie relevanten Stakeholdern wie der Bank für Sozialwirtschaft und verschiedenen Kirchenbanken auf den Weg gemacht, den Unternehmen der Freien Wohlfahrtspflege einen Berichtstandard näher zu bringen, der die kommenden gesetzlichen Verpflichtungen in einem verlässlichen, praktikablen, verständlichen, aber auch schlanken Umfang ermöglicht. Aus der Sicht dieser Akteure bietet der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) mit 20 Kriterien einen Berichtstandard, der auch Unternehmen der Sozialwirtschaft einen Rahmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht, die den aktuellen, aber auch perspektivischen Anforderungen gerecht wird. In einem umfangreichen Prozess mit vielen Beteiligten ist es gelungen, einen Leitfaden zu veröffentlichen, der bewusst anwendernah den DNK für die Branche der Freien Wohlfahrtspflege übersetzt und gleichzeitig eine Informationsquelle zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung, Regulatorik und Relevanz für die Sozialwirtschaft darstellt.
Der Leitfaden bietet eine Möglichkeit, sich mit der Haltung, dem Selbstverständnis und den Ansprüchen an Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, und berücksichtigt die Besonderheiten der Freien Wohlfahrtspflege. Darüber hinaus werden die 20 Kriterien des DNK umfassend erklärt und Begrifflichkeiten „übersetzt“, sodass diese auch leicht auf die Wirkungsfelder der Sozialwirtschaft übertragbar werden. Ergänzt durch Lifehacks und Arbeitshilfen kann er den Weg bis hin zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung mit dem DNK begleiten und bereichern.
Mit Nachhaltigkeit zur erfolgreichen Führung
Denn eins ist sicher: Nachhaltigkeit wird in all ihren Facetten, den ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Dimensionen, eine relevante Rolle in der erfolgreichen Führung von (Sozial-)Unternehmen einnehmen. Abgeleitet wird dieser Anspruch nicht nur aus den Anforderungen der gesetzlichen Pflichten und Erwartungen wichtiger Stakeholder, sondern auch als Selbstverpflichtung der Freien Wohlfahrtspflege für den Inhalt der Arbeit und der Organisationsentwicklung innerhalb des eigenen Unternehmens.
Wir möchten dazu ermutigen, sich diesen Anforderungen schon jetzt zu stellen und frühzeitig Nachhaltigkeit in ein strategisches Management aufzunehmen. Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege sind in vielen Bereichen schon stark aufgestellt. Jetzt geht es darum, systematisch den Ist-Zustand zu erheben, belastbares Datenmaterial zu erfassen und anhand dessen Entwicklungspotenziale zu erkennen. Die daraus abzuleitenden Maßnahmen werden Unternehmen der Sozialwirtschaft einen zukunftsfähigen Weg ermöglichen, um ihr Kerngeschäft der sozialen Dienstleistungen nachhaltig weiterzuentwickeln und damit als integraler Teil der Gesellschaft die Ziele der Agenda 2030 mitzubewegen.