Der 1. Juli markierte für die ca. 25.000 Stiftungen hierzulande einen historischen Einschnitt: die umfangreichste Reform des Stiftungsrechts seit Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches vor fast 130 Jahren. Sie soll die bisher auf Landesebene zersplitterten Regelungen vereinheitlichen und mehr Klarheit etwa zu Errichtungsvoraussetzungen, Satzungsänderungen sowie Zusammen- und Zulegung von Stiftungen schaffen. Inwiefern dies gelungen ist, erklärt Rechtsanwalt Dr. Christoph Mecking im Interview. Er ist Mitgründer der Stiftungsinitiative „Fundatio“.
»Herr Dr. Mecking, warum brauchte es eine Stiftungsreform?«
Ziel der Neuregelung war die Vereinheitlichung des materiellen Stiftungsrechts für ganz Deutschland. Dabei sollte der Stand der Rechtsentwicklung rechtssicher kodifiziert und die Grundlage für eine verallgemeinerungsfähige Praxis geschaffen werden. Änderungen von Satzung und Status einer Stiftung sollten klarer geregelt und notleidende Stiftungen leichter umgestaltet oder aufgelöst werden. Ein Stiftungsregister soll Transparenz und Publizität verbessern.
»Was sind die wichtigsten Änderungen?«
Der Stiftung wurde die Verbrauchsstiftung als weitgehend eigenständiger Typus hinzugefügt. Es ist eine einheitliche Begriffsbestimmung für das Stiftungsvermögen vorgesehen: Das Grundstockvermögen ist ungeschmälert zu erhalten, sonstiges Vermögen kann verbraucht werden; in Ausnahmefällen darf die Stiftung sogar einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen. Umschichtungsgewinne können auch für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Eingeführt wurde die aus dem Aktienrecht bekannte Business Judgement Rule, die bei risikobehafteten Entscheidungen geeignet ist, die Haftung der Vorstände zu reduzieren. Für Satzungsänderungen wird ein einheitliches Verfahren mit Voraussetzungen eingeführt, die nach der Intensität der Veränderungen gestuft sind. Und die Voraussetzungen, Verfahren und Folgen für Zulegung, Zusammenlegung, Auflösung und Aufhebung einer Stiftung werden umfassend geregelt.
»Auf welche Anpassungen sollten sich bestehende Stiftungen vorbereiten?«
Da das neue Stiftungsrecht mehr oder weniger den herkömmlichen Rechtsbestand abbildet, sind in der Regel keine unmittelbaren Aktivitäten erforderlich. Selbstverständlich sollte gelegentlich eine Anpassung der Satzung an die neuen Begrifflichkeiten – auch aus dem Gemeinnützigkeitssteuerrecht – erfolgen, etwa im Bereich der Vermögensbewirtschaftung. Soweit der Zweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann, ist die Umgestaltung in eine Verbrauchsstiftung oder eine andere Änderung des Status zu erwägen. Mittelfristig sollten Stiftungen die Anmeldung zum Stiftungsregister im Blick haben, das 2026 eingeführt wird. Sie habe dann auch einen Namenszusatz zu führen, „e. S.“ für die Stiftung, „e. VS.“ für die Verbrauchsstiftung.
»Wie ließe sich die Stiftungsgründung vereinfachen?«
Neben der Stärkung der Stifterfreiheit im Gesetz wäre eine hilfreichere Verwaltungspraxis wünschenswert. Nicht selten versuchen die Behörden, auf uniforme Statuten hinzuwirken, um sich selbst die Aufsicht zu erleichtern. Viel zu oft hat sich der Stifter mit kleinlichen Vorgaben auseinanderzusetzen. Und seit Längerem ist eine Bearbeitungszeit festzustellen, die die Grenze der Zumutbarkeit erreicht.
»Was wollen Sie mit Ihrer kürzlich angestoßenen Initiative „für Dynamik und Rechtssicherheit im Stiftungswesen“ bewirken?«
Zusammen mit zwei Anwaltskollegen habe ich eine Stiftung mit dem Namen „Fundatio“ konzipiert, deren Stiftungsgeschäft und Satzung sich unmittelbar an dem neuen materiellen Stiftungsrecht orientieren. Mit den Formulierungen adressieren wir offene stiftungsrechtliche Fragen und streben dazu eine einheitliche behördliche Haltung an. Dazu haben wir Vorprüfungsverfahren in allen 16 Bundesländern eröffnet.
»Das eröffnet einen Standortwettbewerb zugunsten von Stifterinnen und Stiftern. Ist das sinnvoll?«
Sie sprechen das sog. Forum-Shopping an, das es „unter der Hand“ seit jeher gibt. Wenn ein Stifter seine Vorstellungen in einem Bundesland abgelehnt sah oder mit der Sachbehandlung nicht einverstanden war, hat er nicht selten sein Vorhaben in einem anderen Land umgesetzt, mitunter sogar im Ausland. Sicher wird es je nach Ansprechpartner immer Unterschiede geben; wir haben ja mit Menschen zu tun und nicht mit Maschinen. Was es aber nicht geben darf, sind willkürliche Entscheidungen oder Vorgaben, die sich nicht aus dem Gesetz herleiten lassen. Hier wollen wir mit „Fundatio“ ansetzen.
»Wenn Sie ein vorläufiges Resümee ziehen: Bringt die Stiftungsreform das gemeinnützige und ehrenamtliche Engagement hierzulande nach vorne?«
Das ist jedenfalls zu wünschen. Hilfreich ist sicher, dass das Stiften über die Diskussion des Gesetzes wieder deutlicher ins Bewusstsein gerückt ist. Leider dürfte die Regelungsdichte für Interessierte eher abschreckend wirken. Immerhin sehen wir jetzt 36 statt 7 Paragraphen. Es fehlen Ansätze zu Dynamisierung und Flexibilisierung der Stiftungsform und Impulse für Stifter- und Stiftungsautonomie. Insofern bleibt zu hoffen, dass trotz dieses Gesetzes weiter gestiftet und in den nächsten Jahren Verbesserungen diskutiert und dann auch umgesetzt werden. Mit unserer Initiative „Fundatio“ wollen wir dazu einen Beitrag leisten.