Der Druck auf die Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft, nachhaltig zu agieren, steigt. Nicht nur durch die gesellschaftliche Forderung, sondern auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Am 10. November 2022 hat das EU-Parlament die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung angenommen. Die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz CSRD) wird stufenweise mehr Unternehmen in die Pflicht nehmen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Der EU-Rat wird den Vorschlag voraussichtlich am 28. November annehmen. Nach der Veröffentlichung haben die EU-Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetzgebung umzusetzen. Abhängig von der Unternehmensgröße gilt eine erweiterte Berichtspflicht bereits ab dem Geschäftsjahr 2024.
Einheitliche Vorgaben zur Berichterstattung
Unternehmen müssen im Rahmen der CSRD ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie auf Nachhaltigkeit prüfen. Dazu sollen Ziele und Fortschritte dokumentiert und Maßnahmen eruiert werden. Die Berichtsinhalte umfassen die ESG-Kriterien für ökologische und soziale Aspekte sowie gute Unternehmensführung. Die detaillierten Vorgaben der CSRD werden in einheitlichen EU-Standards, den European Sustainability Reporting Standards (kurz ESRS), erfasst. Diese befinden sich derzeit in der Überarbeitung. Die ersten Standards werden voraussichtlich im Juni 2023 als delegierter Rechtsakt erlassen, sodass sie unmittelbar in den EU-Mitgliedsstaaten Anwendung finden. Für Juni 2024 plant die EU die Veröffentlichung von sektorspezifischen Standards.
Regulatorik als Chance für Transformation
Über die Berichtspflicht hinaus bietet die CSRD eine Orientierung für die unternehmerische Ausrichtung. Die Erfassung ökologischer, sozialer sowie unternehmerischer Kennzahlen bietet die Chance zu wachsen. Nachhaltigkeitsmaßnahmen bringen oftmals einen ökonomischen Nutzen mit sich. Zwei Beispiele zu den Kriterien „Environment“ und „Social“: Unternehmen, die ihren Plastikverbrauch reduzieren, sind weniger von Ölpreisschwankungen betroffen und mindern ihre Entsorgungskosten. Im Bereich Soziales, der das gesamte Gemeinwohl umfasst, besteht vielseitiges Potenzial. Ein Kennzahlensystem, das Mitarbeiterkrankheitsraten im Blick hat, ermöglicht Vergleiche zwischen Abteilungen und Einrichtungen. Damit kann ein Betreiber gezielt Prozesse implementieren, die direkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter einwirken. Ein verbesserter Gesundheitsschutz fördert das Wohlbefinden und somit die Bindung der Mitarbeiter*innen, steigert die Arbeitgeberattraktivität für Bewerber*innen und hat positive ökonomische Auswirkungen, weil zum Beispiel weniger Leiharbeitskräfte aktiviert werden müssen.
Beide Beispiele verdeutlichen die Notwendigkeit eines Nachhaltigkeitskennzahlensystems, das den langfristigen Unternehmenserfolg sichert. Die Beratung der BFS Service unterstützt die Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft bei der Einführung und Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.
Darum sollten Unternehmen unabhängig von der Pflicht einen Bericht erstellen
Neben der eigenen unternehmerischen Steuerung kann ein Nachhaltigkeitsbericht für die geschäftlichen Beziehungen notwendig werden. Finanziers und berichtspflichtige Geschäftspartner müssen Nachhaltigkeitsinformationen über ihre Geschäftsbeziehungen einfordern. Darüber hinaus spielt die Darstellung der Nachhaltigkeit betrieblicher Aktivitäten perspektivisch eine entscheidende Rolle für den Zugang zum Kredit- und Kapitalmarkt sowie für die Finanzierungsbedingungen. Zuletzt nutzt die freiwillige Berichterstattung der Kommunikation mit weiteren Interessengruppen (Nutzer, Ehrenamtliche etc.) und der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens.
Bestandsaufnahme in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft
Derzeit haben die Bank für Sozialwirtschaft, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) und die Universität zu Köln bis zum 16.12.2022 die erste bundesweite Online-Befragung zu den Chancen und Herausforderungen von Nachhaltigkeit in Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft durchgeführt. Ziel der Umfrage ist es, einen Überblick zu schaffen, wie soziale Einrichtungen auf die wachsenden Anforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit vorbereitet sind, wo Unterstützungsbedarf durch die Verbände besteht und an welchen Stellen strukturelle und rechtliche Hemmnisse existieren. Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollen Orientierungshilfen und Forderungen für die betriebliche, verbandliche und politische Ebene abgeleitet werden. Die Umfrage richtet sich an Vorstände, Geschäftsführende und Nachhaltigkeitsbeauftragte von freigemeinnützigen, privaten und öffentlichen Organisationen und Unternehmen in allen Leistungsfeldern der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Die Auswertung erfolgt nach Branchen und Verbänden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist für Ende Februar / Anfang März 2023 geplant und diese stehen dann auf unserer Seite kostenfrei zum Download zur Verfügung!