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Die meisten Menschen wünschen sich, ihre letzte Lebenszeit zu Hause bzw. in ihrem vertrauten Umfeld zu verbringen und auch dort zu sterben. Die Hospizbewegung hat vielerorts dazu beigetragen, diesen Wunsch zu erfüllen. Doch aus unterschiedlichen Gründen ist das Krankenhaus noch immer der häufigste Sterbeort. Mit dem bundesweiten Pilotprogramm „Sterben wo man lebt und zu Hause ist“ soll sich das ändern. Insgesamt elf Projekte fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Zusammenarbeit mit dem „FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung“. Eine aktuelle Fachpublikation gibt Auskunft über das bislang Erreichte.
Das mit dem Programm verbundene Ziel besteht darin, die „Selbstständigkeit, Selbstbestimmtheit, Lebensqualität und soziale Teilhabe“ von schwerstkranken und sterbenden Menschen durch neue Konzepte zu stärken. Festgelegt wurden drei Förderschwerpunkte:
Die ausgewählten Projekte mussten mindestens einem dieser Förderschwerpunkte nachgehen. Bevorzugt wurden zudem jene Vorhaben, die sich vor Ort als Teil einer vernetzten Versorgungsstruktur betrachten und somit den Quartiersgedanken leben.
Bevor die Publikation einen Einblick in Aktivitäten der Projekte gewährt, lässt Gerda Graf, 2. Vorsitzende der Hospizbewegung Düren-Jülich e.V. und Ehrenvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV), die bisherige Entwicklung der „Bürgerbewegung Hospiz“ Revue passieren. Sie erinnert daran, dass es noch in den 1970er Jahren in deutschen Krankenhäusern üblich war, Sterbende im Badezimmer unterzubringen und sie allein zu lassen. Dagegen habe sich die Hospizbewegung aufgelehnt. Nunmehr sei es notwendig, deren Erfahrungswerte auf Modelle zu übertragen, die den demografischen Herausforderungen gerecht werden.
Als Beispiel nennt sie das Projekt „Initiative Sorgekultur – solidarisch und gerecht sorgen in Stadt und Kreis Düren“. Auf Grundlage einer eigens entwickelten Ethikcharta, in deren Mittelpunkt die zivilgesellschaftliche Verantwortung für sorgebedürftige Menschen steht, gelinge es, soziale Teilhabe durch Synergien im Quartier zu ermöglichen. Zu den Instrumenten gehören u.a. die Qualifizierung von ehrenamtlichen Sorgebeauftragten sowie ein bürgerschaftlicher Dialog, der zweimal pro Jahr stattfindet.
Zwar sei es schwierig, die Wirkung solcher Quartierskonzepte systematisch zu belegen, räumt Ursula Kremer-Preiß vom „Kuratorium Deutsche Altershilfe“ (KDA) ein. Allerdings gebe es in der Praxis zahlreiche Einzelbelege für die positiven Impulse, wie etwa eine bedarfsgerechtere Anpassung der Strukturen. Verantwortlichen in der Hospizarbeit rät sie dazu, sich mehr dezentral und raumbezogen zu organisieren, ein verlässliches Quartiersmanagement durch einen sog. Kümmerer zu errichten und ihre Mitarbeiter*innen entsprechend zu qualifizieren. Gleichzeitig wertet sie die fehlende Regelfinanzierung als Hürde.
Dass mitunter auch Zweifel an der Übertragbarkeit solcher Ansätze auf die Hospizarbeit laut werden, lässt Ursula Kremer-Preiß nicht unerwähnt. So lautet etwa ein Kritikpunkt, dass die geforderte Aktivierung von den Betroffenen nicht immer vorausgesetzt werden könne. Dennoch ist die Expertin sicher, dass auch sterbende Menschen die Chance verdienen, sich auf diese Weise einen „persönlichen Möglichkeitsraum“ zu schaffen.
Lara Graupner, Gesundheitspädagogin M.Sc. und akademische Mitarbeiterin des Evaluationsteams (Leitung: Professorin Dr. Ines Himmelsbach, IAF – Institut für Angewandte Forschung der Katholischen Hochschule Freiburg) berichtet, dass innerhalb der Projekte erste Wünsche und Strategien existieren. Bei der Mehrheit fehlten bislang jedoch konkrete Konzepte zur Umsetzung des Quartiersansatzes bzw. zur Öffnung in den Nahraum. „Dies erklärt sich daraus, dass sich lediglich vier der elf ausgewählten Projekte zum Zeitpunkt der Analyse bereits in der Umsetzungsphase befinden.“ Eine klare Verantwortungszuweisung könnte sich nach Ansicht der Wissenschaftlerin als ebenso als hilfreich erweisen wie die Schaffung von Stellenanteilen zur Netzwerkkoordination.
Zu den Projekten, die in der Publikation ausführlich vorgestellt werden, gehört das Ricam Hospiz Zentrum, das als erste Hospizeinrichtung in Berlin vollstationäre und teilstationäre Versorgung unter einem Dach vereint. Es wurde durch ein vorangegangenes Programm finanziell unterstützt und diente gewissermaßen als Impulsgeber für die aktuelle Förderphase.
Die besonderen Vorteile dieser Kombination sieht Philipp Freund, Geschäftsführer RICAM Hospiz gGmbH darin, dass die Angebote des Tageshospizes, wie etwa Gruppenaktivitäten oder Ausflüge, auch von den Gästen des stationären Bereichs genutzt werden können. Aufgrund der Kooperation mit verschiedenen Dienstleister*innen könne man u.a. Physiotherapie, Ergotherapie oder Podologie anbieten. Gleichzeitig bemängelt er das Fehlen einer angemessenen Rahmenvereinbarung für Tageshospize mit den Kostenträgern. Besonders herausfordernd sei dies angesichts einer derzeitigen Ausfallquote von durchschnittlich 20 Prozent pro Monat, die auf die schweren Erkrankungen der Gäste zurückgehe.
Als Projekt, das alle drei Förderschwerpunkte verbindet, wird „DAS NEST“ in Trier portraitiert. Es bietet sowohl ein stationäres- und teilstationäres Kinder- und Jugendhospiz als auch eine Hospiz- & Palliativ-WG für Jugendliche. Wie Elisabeth Schuh und Petra Moske, Vorsitzende von „nestwärme e.V. Deutschland“ erklären, besteht das Spezifische der Kinder- und Jugendhospizarbeit darin, dass eine Begleitung der Familie bereits ab der Diagnose gewährleistet werden kann. Da die betroffenen Kinder oft über viele Jahre mit ihrer Grunderkrankung leben, sei es wichtig, ihnen „vielfältige alters- und entwicklungsgerechte Angebote“ zur Verfügung zu stellen. Diese müssten in den Alltag der Familien integrierbar sein und die häusliche Versorgung ermöglichen bzw. unterstützen. Ihr Einwand: „Bürokratische und gesetzliche Hürden erschweren Innovation und Projekte, die, so wie unseres, parallel verschiedene Sektoren ansprechen und integrieren wollen.“ Neben einem „langen Atem“ seien Spender*innen oder Stiftungen daher unverzichtbar.
Ein Beispiel für ein stationäres Angebot im ländlichen Raum ist das „Hospizzimmer Ostallgäu“ im Senioren- und Pflegeheim Waal. Es intensiviere die palliative Versorgung in der Region und trage dazu bei, den Mangel an stationären Hospizplätzen zu kompensieren, erläutert Einrichtungsleiterin Madita Lang, die zugleich die fehlende Finanzierungsmöglichkeit für Senioren- und Pflegeheime moniert. „Ohne einen Zuschuss von Kommunen etc. könnte es schwer sein, Trägerinnen und Träger für die Umsetzung zu gewinnen.“ Unerlässlich sei zudem engagiertes Personal, das sich für das Anliegen öffnen kann.
www.kh-freiburg.de/hospizprojekt
www.dhpv.de/zahlen_daten_fakten.html
alle abgerufen am 9.12.2023
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