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So viel Zuhause wie möglich, so viel Betreuung wie nötig: Die Nachfrage nach Angeboten des Betreuten Wohnens und nach barrierefreien Wohnungen mit professionellen Serviceleistungen ist bundesweit unvermindert hoch und nimmt weiter zu. Allerdings wachsen die Bäume nicht mehr überall in den Himmel – mancherorts ist der Markt inzwischen gesättigt, die Branche steht vor einer Sanierungswelle mit hohem Finanzierungsbedarf und steigenden Mieten. Das verdeutlicht die gemeinsame Studie „Betreutes Seniorenwohnen 2022" der BFS Service GmbH und des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA). Welche Trends bewegen die Branche, welche Wohnungsgrößen und Betreuungsformen sind besonders gefragt?
Die vorliegende Expertise folgt einer ersten Studie zum Thema 2018 und basiert auf der Befragung von knapp 500 Betreibern Betreuten Seniorenwohnens von März bis Mai 2022. Die Teilnehmenden verfügten über rund 1.600 Wohnanlagen mit 60.000 Wohnungen. Damit erfasst die Studie knapp ein Viertel (23 %) aller Standorte für Betreutes Wohnen. Die größten Immobilien verfügen über durchschnittlich 50 Wohnungen.
Die Auslastung der Immobilien liegt durchschnittlich bei 98 Prozent, lediglich fünf Prozent der Anbieter waren bis nur zu 80 Prozent ausgebucht. Die Wartezeit bis zum Bezug einer Wohnung liegt im Durchschnitt bei sieben Monaten. Zwar verzeichnen 8,5 Prozent der Träger eine Nachfragesättigung, eine große Mehrheit geht jedoch von einer weiterhin steigenden Nachfrage beim Betreuten Wohnen (53,7 % der Befragten) und beim altersgerechten Wohnen (26,8 %) aus. Interessant ist, welche Wohnungsgrößen gewünscht sind: „Zwei-Zimmer-Wohnungen machen die Hälfte des Marktes aus“, sagt Britta Klemm, Leitung Kompetenzzentrum Sozialwirtschaft & Research bei der BFS Service GmbH. Die durchschnittliche Größe liegt bei 54 Quadratmetern. 14 Prozent sind 1,5-Zimmer-Wohnungen, 29 Prozent Ein-Zimmer-Wohnungen. „Wir erkennen im Vergleich zur vorigen Umfrage 2018 einen Trend zu kleineren Wohnungen“, ergänzt Klemm.
Immobilien des Betreuten Wohnens sind mehrheitlich in die Jahre gekommen, belegt die Befragung. Demnach sind 57 Prozent älter als 20 Jahre und müssen in nächster Zukunft saniert werden. Bei 30 Prozent liegt die letzte Renovierung mehr als zehn Jahre zurück. Mit naheliegenden Konsequenzen, schlussfolgert Ko-Autorin Ursula Kremer-Preiß, Leiterin Wohnen und Quartiersgestaltung beim KDA: „Diese Entwicklung wird einen hohen Finanzierungsbedarf nach sich ziehen, der sich in steigenden Mieten niederschlägt.“
Die Studie konstatiert eine „sehr große Bandbreite“ der Kaltmieten für Betreutes Wohnen: von 4,20 Euro bis 25 Euro pro Quadratmeter. Die Autorinnen ermitteln für eine gängige Wohnungsgröße von 54 Quadratmetern 765 Euro für Miete, Nebenkosten und Servicepauschale (2018: 721 Euro), individuelle Wahlleistungen nicht mitgerechnet. Klar ist, dass es dabei nicht bleibt. Zu den Kostensteigerungen der vergangenen Jahre kommen die aktuellen Entwicklungen der Energiepreise, die Inflation und die anstehenden Sanierungen hinzu. „Das Betreute Wohnen wird künftig erheblich teurer“, hält Britta Klemm fest.
Höhere Wohnkosten sind das eine, eine sich verändernde Bewohnerschaft mit entsprechendem Betreuungs- und Pflegebedarf das andere. Die Expertise macht dazu aufschlussreiche Trends im Neukunden-Profil fest: mehr Alleinlebende, mehr Menschen mit psychischen Auffälligkeiten, mehr Sozialhilfeempfänger. Besonders fallen das vergleichsweise höhere Alter und die stärkere Pflegebedürftigkeit der Mieterschaft auf. Gut 40 Prozent ist 80 Jahre und älter, jede*r Zehnte jenseits der 90 Jahre. Rund ein Viertel der Pflegebedürftigen hat einen erhöhten bzw. schweren Pflegegrad (Pflegegrad 3-5), jede*r zehnte eine Demenzdiagnose.
Ein Großteil der Anbieter geht mit vielfältigen Serviceleistungen (89 %) und selbst bereitgestellten Wahlleistungen (80 %) auf die Klientel ein. Häufig nachgefragte Grundleistungen umfassen so etwa Beratung, Freizeitgestaltung, Notrufsicherung und hauswirtschaftliche Unterstützung; oft gewünschte Wahlleistungen betreffen häusliche Pflege, 24-Stunden-Betreuung sowie Kurzzeit- und Tagespflege. Mit solchen Angeboten bieten Betreute Wohnungen eine ähnlich hohe Versorgungssicherheit wie stationäre Pflegeeinrichtungen und sind daher eine adäquate Alternative, urteilen mehr als 46 Prozent der befragten Betreiber.
Die Anbieter Betreuten Wohnens sehen bedeutende Herausforderungen auf ihre Branche zukommen. Die Kostenwicklung und die bedarfsgerechte Versorgung eines erheblich pflegebedürftigen Personenkreises liegen klar an der Spitze (jeweils 72 %). Große Sorgen bereiten auch der Personalmangel (62 %), der Rückgang familiärer Unterstützung (52 %) und die Sicherung der Attraktivität für nicht pflegebedürftige Personen (47 %). Allerdings sehen die Verantwortlichen nicht nur Probleme, sondern auch Lösungsansätze. Hohes Interesse gilt der Vernetzung mit komplementären Leistungsanbietern (66 %), dem Einsatz von mehr Technik und Digitalisierung, um Pflegende zu entlasten und Hilfsbedürftige zu unterstützen (56 %), und dem Ausbau eigener Leistungsangebote (55 %).
Die Studie liefert maßgebliche Fakten, Trends und Einschätzungen aus einer Branche, die der alternden Gesellschaft ein attraktives Versorgungsangebot bietet. Zugleich muss sie sich dynamischen Marktveränderungen stellen, um ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben zu können. Durch die aktuell dramatische Kostenentwicklung sehen sich die Anbieter besonders herausgefordert. Insgesamt geben die Befragungsergebnisse nützliche Anhaltspunkte für eine praxisnahe und passgenaue Modellierung künftiger Angebote.
Ursula Kremer-Preiß / Britta Klemm, Studienergebnisse Betreutes Seniorenwohnen 2022. Hg.: Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) und BFS Service GmbH, Köln 2022
Die vollständige Studie wird Ende 2022 unter www.sozialbank.de veröffentlicht.
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