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Knapp drei Jahre nach Inkrafttreten des Pflegeberufe-Reformgesetzes (PflBRefG) ist es an der Zeit, genauer hinzuschauen, wie die neue generalistische Pflegeausbildung in Deutschland gestartet ist, wie es um das gleichzeitig eingeführte primärqualifizierende Pflegestudium steht und wie es letztendlich insgesamt um die Pflegeausbildung in Deutschland bestellt ist.
Es sei daran erinnert, dass die neue generalistische Ausbildung mit dem Abschluss Pflegefachfrau oder Pflegefachmann - nach einem jahrelangen, zum Teil heftig geführten fachlichen Streit – die bis dahin getrennten Ausbildungen in den Berufen Gesundheits- und Krankenpfleger(in), Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger(in) sowie Altenpfleger(in) zusammengeführt hat. Zudem wurde das primärqualifizierende Pflegestudium geschaffen, das die berufliche Pflegeausbildung mit einem akademischen Abschluss (Bachelor) verbindet.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat dazu Mitte Juli 2022 die neuesten Zahlen zur Pflegeausbildung, die derzeit greifbar sind, vorgelegt. Ausgewertet wurden dabei die beiden ersten Jahrgänge der generalistischen Pflegeausbildung. Die Daten für das dritte Ausbildungsjahr werden dann im Sommer 2023 folgen. Grundlage für diese offiziellen Auswertungen ist die Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung.
Demnach haben im Jahr 2021 exakt 56.259 Auszubildende eine Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann begonnen (Stichtag zum 31.12.2021). Damit wurden zum Stichtag 5 % mehr Ausbildungen begonnen als 2020. Damals hatten sich 53.610 Auszubildende für diesen Beruf entschieden.
Insgesamt waren nach Angaben von Destatis am 31.12.2021 rund 102.900 Personen im ersten und zweiten Ausbildungsjahr in Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann. Rechnet man die Auszubildenden hinzu, die sich noch nach den alten Ausbildungsregeln im dritten Schuljahr befinden, so waren zum Jahresende 2021 schätzungsweise rund 152.000 bis 153.000 Personen in einer Ausbildung zur dreijährig-examinierten Pflegefachkraft.
Beinahe jede fünfte Ausbildung (10.224 bzw. 18 %) wurde 2021 erst im Alter ab 30 Jahren aufgenommen, 2020 hatte der Anteil bei 17 % gelegen. Knapp 4.000 beziehungsweise 7 % der Ausbildungen wurden 2021 sogar erst im Alter ab 40 Jahren begonnen. 690 Auszubildende waren sogar 50 Jahre und älter.
Unabhängig vom Alter bei Ausbildungsbeginn wird die neue Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann, ebenso wie die Vorläuferausbildungen, vor allem von Frauen gewählt: 76 % (42.546) der Auszubildenden mit neuem Ausbildungsvertrag waren weiblich. Im Vorjahr hatte der Frauenanteil ebenfalls bei 76 % gelegen (40.602).
Doch bei allen positiven Zahlen und Entwicklungen stimmen doch einige Werte aus der neuen offiziellen Statistik nachdenklich. So sind die Ausbildungszahlen in einigen Bundesländern - gegen den positiven Bundestrend – zum Teil deutlich zurückgegangen: in Sachsen-Anhalt, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Bremen und vor allem auch in Bayern
Bezogen auf die Bevölkerungszahlen liegen die Werte zum Jahresende 2021 deutschlandweit bei durchschnittlich 0,68 Pflege-Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr pro 1000 Einwohner(innen). 2020 waren es lediglich 0,64. Auch bei dieser Kennzahl verbesserten sich fast alle Bundesländer bzw. präsentierten stabile Werte. Allerdings warteten auch hier zum Jahresende 2021 Bayern, Bremen und das Saarland mit schwächeren Werten auf. Und auch zum Ende 2021 war die Spreizung der Kennzahlen groß: von lediglich 0,45 Auszubildende auf 1000 Einwohner im 1. Ausbildungsjahr in Rheinland-Pfalz und immerhin 0,91 in Mecklenburg-Vorpommern.
Der deutlich überwiegende Teil der neuen Ausbildungsplätze zum Jahresende 2021 wurde in Krankenhäusern (nach § 108 SGB V) angeboten: 28.923 (51 %). In den stationären Pflegeeinrichtungen gab es 18.240 (32 %) und in den ambulanten Pflegeeinrichtungen 6.459 (12 %) neue Ausbildungsplätze. Bei 5 % (2.640) der abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum Jahresende 2021 fehlte leider die Angabe des Ortes der praktischen Ausbildung.
14.544 (26 %) neue Ausbildungsverträge gab es bei öffentlichen Trägern, 15.540 (27 %) bei privaten Trägern und 23.535 (42 %) bei freigemeinnützigen Trägern. Bei 2.640 (5 %) Ausbildungsplätzen fehlen leider auch hier diese Angaben.
Die durchschnittliche vertraglich vorgesehene Ausbildungsvergütung von Auszubildenden in Vollzeit im 1. Ausbildungsjahr (Median) liegt deutschlandweit bei 1.166 Euro, am unteren Ende der Skala rangieren die Vergütungen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen mit 1.141 €, ganz oben in diesem Lohnranking liegen Baden-Württemberg (1.266 €) und Niedersachsen (1.280 €). Der Median im dritten Ausbildungsjahr liegt deutschlandweit gemäß den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen bei 1.333 €. Das sind im Branchenvergleich exzellente Ausbildungsvergütungen, die nur in sehr wenigen Berufen gezahlt werden.
Eine besondere Bedeutung hat, wie bei allen Ausbildungen, die so genannte Abbrecherquote, also die Anzahl der nicht erfolgreich und vorzeitig beendeten oder aufgelösten Ausbildungen.
Die Abbrecherquoten im 1. Ausbildungsjahr sind in den einzelnen Bundesländern recht unterschiedlich ausgeprägt und reichen von 4,36 % in Brandenburg bis zu 14,56 % in Hamburg, 11,86 % in Bremen und 11,27 % in Schleswig-Holstein. Ob es sich bei den Angaben aus Sachsen-Anhalt (0 %) um einen Fehler bei der Datenübertragung handelt, oder ob es tatsächlich keine einzige vorzeitige Vertragslösung bis zum Jahresende 2021 gab, konnte leider nicht geklärt werden.
Große Sorgen bereitet weiterhin das primärqualifizierende Pflegestudium. Dazu hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine erste Sondererhebung seines Pflegepanels durchgeführt und im Mai 2022 veröffentlicht. Demnach schrieben sich bundesweit bei den 27 Hochschulen, die ein primärqualifizierendes Studium anbieten, im Wintersemester 2021/2022 lediglich 488 Studierende ein. Damit blieben 56 % der angebotenen 1.109 Studienplätze unbesetzt. Damit ist auch die Akademisierungsquote in der Pflege – je nach Lesart – zwischen unter 1 % bis hin zu knapp 2 % - auch im Vergleich zu anderen Berufen des Gesundheitswesens (z.B. Hebammen) – sehr gering.
Autor: Dr. Stefan Arend
www.institut-sozialmanagement.de
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