Suche
Mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz vor vier Jahren schien plötzlich alles gut zu werden. Der Staat machte endlich ernst damit, allen Eltern eine bedarfsgerechte Betreuung anbieten zu können und investierte erheblich in Infrastruktur, Personal und Angebotsvielfalt. Aber allein schon die Tatsache, dass heute immer noch Hunderttausende Eltern auf der Suche nach einer Betreuung für ihr Kind leer ausgehen, beweist, dass noch vieles im Argen liegt.
Jetzt kommt es noch dicker. Bis zum Jahr 2025 werden in Krippen, Kindergärten und Grundschulbetreuung bis zu 329.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte gebraucht. Zu diesem Ergebnis kommen das Deutsche Jugendinstitut und die Technische Universität Dortmund in einer gemeinsamen Untersuchung.
Die Studie zeigt, wie schnell sich gesellschaftliche Annahmen und darauf gründende Bedarfsprognosen bisweilen ändern. Sie nennt drei Gründe:
Die Autoren weiten die bisher oft auf den U3-Ausbau bezogenen Bedarfsberechnungen der Forschung auf alle Altersgruppen des ersten Lebensjahrzehnts aus (U3, 3-6,5 Jahre, 6,5-10,5 Jahre). Außerdem berücksichtigen sie einige miteinander verflochtene Einflussgrößen in unterschiedlichen Szenarien:
Die Berechnungen stützen sich auf umfangreiches Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes, auf Fachstudien und Befragungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI).
Unter der Voraussetzung eines anhaltend leichten Geburtenanstiegs und anhaltender Zuwanderung wird die Zahl der Kinder im Alter von bis zu 10,5 Jahren von 7.654.000 in 2016 bis 2024 um 415.000 Kinder steigen. Das entspricht einer Zunahme von 5,4 Prozent. Ab 2022 wird diese Altersgruppe die Schwelle von acht Millionen überschreiten.
Auch beim Fachkräftebedarf rechnen die Autoren unterschiedliche Szenarien durch. Im einfachsten Fall addieren sich der demografische Mehrbedarf und der Ersatzbedarf aufgrund ausscheidender Beschäftigter bis 2025 auf rund 207.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte.
Für die „Luxusversion“, also das Szenario, das den Bedarf für nicht erfüllte Elternwünsche und eine pädagogische Qualitätsoffensive dazu rechnet, ergibt sich ein Zusatzbedarf von bis zu 603.000 Fachkräften in Kitas, Tagespflege und Ganztagsschulen. Das wären fast genauso viel Beschäftige, wie gegenwärtig bereits tätig sind: „eine Größenordnung, die unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht wirklich vorstellbar ist.“
Bei Fortschreibung der gegenwärtigen Absolventenzahlen zuzüglich von Einsteigern aus anderen Arbeitsfeldern rechnen die Autoren bis 2025 mit rund 300.000 Nachwuchskräften in der Frühen Bildung. Die Konsequenz: Nur bei einem Personalmehrbedarf aufgrund der demografischer Entwicklung und des Ersatzbedarfs ergibt sich keine Personallücke. Wenn die nicht erfüllten Betreuungswünsche der Eltern und eine Qualitätsverbesserung dazu kommen, läuft es auf einen riesigen Personalnotstand hinaus. „Ohne eine politisch gezielte, grundlegende und nationalstaatlich ausgerichtete Fachkraftoffensive und einer Aufwertung der Frühen Bildung wird dieser Fehlbedarf nicht im Ansatz zu realisieren sein“, sind sich die Autoren sicher.
Aus der Bedarfsprognose leiten sich ambitionierte Kostenschätzungen ab: Sie reichen für die Betriebskosten von 1,7 Mrd. Euro (demografische Veränderungen plus Ersatzbedarf) über 7,8 Mrd. Euro (plus nicht erfüllte Elternwünsche) bis zu 18 Mrd. Euro (plus Qualitätsoffensive). Hinzu kommen jeweils Investitionskosten bis zu 1,4 Mrd. Euro jährlich.
„Der Nachholbedarf ist unübersehbar – und wird im Lichte der hier vorgestellten Zukunftsszenarien noch markanter“, bekräftigen die Autoren. Sie sind der Meinung, dass die ehrgeizigen Betreuungsziele nur unter zwei Bedingungen erreicht werden könnte: Zum einen muss sich der Bund verstärkt an den Kosten beteiligen, zum anderen bedarf die Frühe Bildung einer Aufwertung, damit sich zusätzliche Fachkräfte rekrutieren lassen.
Rauschenbach, Thomas / Schilling, Mathias / Meiner-Teubner, Christiane: Plätze. Personal. Finanzen – der Kita-Ausbau geht weiter. Zukunftsszenarien zur Kindertages- und Grundschulbetreuung in Deutschland. Herausgeber: Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut und Technische Universität Dortmund, Version 2-2017, Dortmund/München, 66 Seiten
Soziale Marktwirtschaft
Wirtschaftsboom mit Schieflage
Bildung
Kita-Ausbau: „Nachholbedarf ist unübersehbar“
Gesellschaft
Elterngeld: Sogar Großeltern finden es gut
Arbeitswelt
Wie familienfreundlich sind Deutschlands Unternehmen?
Soziales Engagement
Nachbarschaftspreis: Gutes tun – gleich vor der Haustür!
Pflege
Nur im Quartier lässt sich Pflege künftig sichern
Hospiz- und Palliativarbeit
Vorsorge für das Lebensende: Viel Unwissenheit
Buchempfehlung
Georg Milzner: Wir sind überall, nur nicht bei uns
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail