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Die häusliche Intensivversorgung von Menschen mit lebensbedrohlichen gesundheitlichen Einschränkungen wird immer wichtiger. Fortschritte in Versorgung und Therapie ermöglichen die Verlegung vieler solcher Behandlungsfälle vom Krankenhaus in die eigenen vier Wände oder in private Wohn- und Hausgemeinschaften. Trotz neuer, ab 2023 geltender Regeln für Verordnungen der außerklinischen Intensivpflege gebe es für diesen Bereich aber bisher keine ausreichende Daten- und Faktenbasis, monieren Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP). Das Pflege-Thermometer 2022 soll diese blinden Flecken tilgen und die Situation der Patienten, pflegenden Angehörigen und involvierten Pflegedienste erforschen.
20.590 Patient*innen wurden intensivpflegerisch versorgt (2020), davon 17.981 Personen in ambulanten und 2.609 in stationären Settings. Der nach DIP-Eigenangaben „größten Befragung im Feld der häuslichen Intensivversorgung“ liegen Daten von knapp 700 Teilnehmenden zugrunde: von 299 Menschen mit häuslichem Intensivversorgung und ihren Familien, 303 Pflegenden und 94 Leitungen ambulanter Dienste, Wohngemeinschaften und stationären Einrichtungen. Von den Patienten füllte fast ein Viertel (24,1 %) die online-gestützte Befragung selbstständig aus. Die meisten Patienten (90,3 %) wohnten in Privathaushalten, überwiegend mit An- und Zugehörigen (72,6 %), nur jeder fünfte (19,6 %) lebte allein.
Das Verbindende der Patient*innen ist ihr Bedarf an häuslicher Krankenpflege: bei jedem zweiten Befragten (50,4 %) 24 Stunden täglich, bei einem Viertel (23,4 %) zwölf Stunden oder weniger. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Stattdessen „trifft (man) neben einer großen Bandbreite an Krankheitsbildern, Einschränkungen und Unterstützungsbedarfen auf Personen aller Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten, die in unterschiedlichsten Wohn- und Versorgungssituationen leben“, heißt es in der Studie. Viele organisieren ihr Leben überwiegend selbstbestimmt oder haben Angehörige, die ihnen dabei zur Seite stehen.
Weitere zentrale Ergebnisse zur Betreuung, Teilhabe und Lebenswirklichkeit der Betroffenen stellen sich wie folgt dar:
„Im Zentrum aller Bemühungen steht die Ermöglichung einer guten Lebensqualität bei Sicherung der Selbst- und Mitbestimmung in Fragen der Versorgung und Therapie“, fasst Studienleiter Prof. Dr. Michael Isfort die übergreifende Erkenntnis zusammen. Das Bedürfnis der Befragten gehe über eine rein klinisch qualifizierte medizinische oder pflegerische Versorgung hinaus. Von hoher Priorität sei das Leben in den eigenen vier Wänden, seien individuelle Lebensgestaltung und Teilhabe. Allerdings setzten diese Wünsche Unterstützung bei Mobilität und sozialer Teilhabe voraus.
In diesem Sinne kritisiert das aktuelle Pflegethermometer die kürzlich in Kraft getretene Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) als zu sehr auf medizinische und pflegerische Kriterien verengt. „Daher muss die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortlichkeit mit allen einzugehenden und zu verantworteten Risiken stärker beachtet werden und geschützt werden. Sie sollte mindestens in der konkreten Ausgestaltung und Empfehlung als Priorisierung verankert werden, gegen die kein leistungsrechtliches oder fachliches Veto gestellt werden kann“, so die Forderung.
Eine wichtige Maßnahme zum Wohl der Patienten sei die bessere Unterstützung der Angehörigen, heißt es weiterhin. Als Hebel gilt die Minderung des Fachkräftemangels im Pflegebereich, damit es nicht zu noch mehr unbesetzten Versorgungszeiten kommt.
Die Studie identifiziert auch Lücken bei der fach- und hausärztlichen Versorgung. Die im neuen Regelwerk vorgesehene Verengung auf Fachärzt*innen bei der Verordnung der häuslichen Intensivversorgung sei alleine schon wegen Fachärztemangels durch die Einbeziehung von Hausärzt*innen aufzuheben. Digitalisierung und Telemedizin könnten zusätzliche Versorgungslösungen bieten, da sie bisher nur in geringem Maße zum Einsatz kämen.
Weitere Info
Michael Isforth (Projektleiter), Pflege-Thermometer 2022. Situation und Versorgung von Menschen in der häuslichen Intensivversorgung in Deutschland.
Hg.: Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP), Köln 2022, 111 Seiten.
Download
http://www.dip.de
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