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Ob Elternabend oder Ratgeberliteratur – bei Erziehungsfragen wird es schnell kontrovers. Die einen fordern Grenzen, die anderen mehr Freiheit. Hier schallt der Ruf nach Förderung, dort hallt die Angst vor Überforderung. Mal sind Kinder kleine Tyrannen, mal sollen sie stark sein. Ja, was denn nun? Woran sollen sich Eltern orientieren, wenn nicht einmal die Experten an einem Strang ziehen? Wer selbst mit Kindern zu tun hat, weiß, dass es kein allzeit gültiges Falsch oder Richtig gibt. Eine aktuelle Analyse der Konrad Adenauer Stiftung beschreibt den Wechsel der Erziehungsstile vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Liberalisierung in der Bundesrepublik – eine Bestandaufnahme.
Eine Stunde Null gab es in der Erziehung der jungen Bundesrepublik nicht, unterstreicht die Untersuchung von Familientherapeutin Carmen Eschner. Ein Großteil der Gesellschaft befürwortete Gehorsam, Unterordnung und körperliche Bestrafung. Der reformpädagogische Aufbruch in der Weimarer Republik war im „Dritten Reich“ jäh abgebrochen, nur oberflächlich gesäuberte Erziehungsratgeber der NS-Zeit lebten in der frühen Republik fort.
So blieb der Klassiker von Johanna Haarer „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" (1934) bis in die 1970er-Jahre als leicht überarbeitetes Standardwerk in Umlauf. Eine oft zitierte Passage nimmt sich des unruhigen, weinerlichen Kind an:
„Dann, liebe Mutter, werde hart! Fange nur ja nicht an, das Kind aus dem Bett herauszunehmen, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder es auf dem Schoß zu halten, es gar zu stillen. Das Kind begreift unheimlich rasch (…) – und der kleine, aber unerbittliche Haustyrann ist fertig.“
Machtvoll brach sich in den 1960er-Jahren die antiautoritäre Pädagogik Bahn. Eine breite Debatte über Erziehungsziele und -normen hob an. Kinderläden und Freie Schulen wurden gegründet, Bildungsreformen für Universitäten und Schulen eingeleitet. Autoren wie Alexander Mitscherlich, Horst-Eberhard Richter und Alexander S. Neill bestimmten den Diskurs. Damals revolutionäre Postulate erscheinen heute selbstverständlich: ein Familienleben auf der Basis von Gleichwertigkeit und Ermutigung, eine empathische Mutter-Kind-Beziehung und die Präsenz des Vaters. Als Markstein in der Ratgeberliteratur gilt das Erscheinen der ersten bundesweiten Erziehungszeitschrift „Eltern“ (1966).
Bis zur Jahrtausendwende setzte ein regelrechter Pädagogisierungsschub ein. Großes Thema seit den 1980er-Jahren ist die Gleichberechtigung – zwischen den Partnern sowie Eltern und Kindern. „Auffällig ist der Geburtenrückgang und die Idealisierung von divergenten Familienleitbildern“, hält die Studie fest. Gefragt ist „Beziehung statt Erziehung“, die Selbstständigkeit des Nachwuchses gilt als höchstes Ziel.
Eine „Neue Unübersichtlichkeit“ (Habermas) manifestiert sich in der Vielzahl gegenwärtiger Erziehungsziele. Im Psychoboom und der ausufernden Nachfrage nach Ratgeberliteratur spiegeln sich die „Angst vor der Freiheit“ und die „Suche nach Sicherheit und Orientierung“, stellt Autorin Eschner fest. Zugleich erfährt die Familie einen Wertewandel hin zur Akzeptanz nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern, der Ein-Eltern-Familie und der Stieffamilie.
Diese große Frage kann die Autorin nicht zufriedenstellend beantworten. Demnach stellt eine entwicklungsfördernde Erziehung die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt des demokratischen Erziehungskonzepts. Was bleibt: Elternschaft wird nicht leichter, sondern wächst zur anspruchsvollen Gestaltungsaufgabe – „mit mehr Zeit und Kommunikation als je zuvor“.
Carmen Eschner, Welche Erziehung ist richtig? Wechselnde Empfehlungen der Elternratgeber in den letzten Jahrzehnten, Konrad Adenauer Stiftung (Hg.), Analysen und Argumente 305/2018, 17 Seiten
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