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Um qualifiziertes Pflegepersonal zu finden, brauchen Arbeitgeber heutzutage vor allem eins – viel Geduld. Durchschnittlich 154 Tage dauert es, bis die Stelle eines Gesundheits- und Krankenpflegers besetzt werden kann, Altenpflege-Stellen bleiben im Schnitt sogar 175 Tage lang vakant. Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen stellen daher zunehmend ausländische Pflegekräfte ein: Haben im Jahr 2012 rund 1.500 Personen einen Antrag auf Anerkennung ihres ausländischen Pflege-Abschlusses gestellt, waren es 2017 schon mehr als 10.000. Und es geht weiter: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will noch in diesem Jahr mit zwei bis drei Ländern außerhalb der EU Kooperationen über die Zuwanderung ausländischer Pflegekräfte schließen, unter anderem dem Kosovo. Doch die Integration in den Arbeitsalltag läuft häufig suboptimal – was nicht nur an sprachlichen Schwierigkeiten liegt. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Frankfurter Goethe-Universität, die gemeinsam mit dem Institut für Sozialforschung (IfS) im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erstellt wurde.
In rund 60 ausführlichen Interviews haben die Wissenschaftler ausländische und einheimische Pflegefachkräfte sowie Vorgesetzte nach ihren Erfahrungen befragt. Hinzu kamen Gespräche mit Arbeitgebervertretern, Vermittlern und Migrationsexperten. Ergebnis: Es gibt jede Menge interkulturelle Differenzen und Missverständnisse.
Denn Ausbildungsinhalte, berufliches Selbstverständnis und Arbeitsorganisation ausländischer Pflegekräfte unterscheiden sich häufig sehr von hiesigen. So werden Pflegefachkräfte in vielen Herkunftsländern an Hochschulen ausgebildet und können dort mehr Management- und Behandlungsaufgaben übernehmen – was in Deutschland überwiegend den Ärzten vorbehalten ist. Die klassische Grundpflege wie Unterstützung beim Essen oder bei der Körperpflege erledigen in anderen Ländern dagegen oft spezielle Service-Kräfte oder die Angehörigen der Patienten.
„Viele ausländische Pflegekräfte haben deshalb das Gefühl, hier unter Wert zu arbeiten“, stellen die Studienautoren fest. „Konfliktlinien zwischen neu migrierten und etablierten Pflegefachkräften“ träten in den Interviews immer wieder zutage: „Die Fachlichkeit der neu migrierten Pflegefachkräfte wird in Frage gestellt und einer starken bewertenden Kontrolle unterzogen.” Das könne zur Wahrnehmung einer ungerechten, diskriminierenden Behandlung führen, zu mangelnder Kommunikationspraxis und einem gestörten Verhältnis zu den Vorgesetzten. Bittere Konsequenz: Ausländische Fachkräfte reagierten bei anhaltender Unzufriedenheit häufig mit einer Abkehr von ihrem Arbeitsplatz oder kehrten in ihr Heimatland zurück.
Hiesige Pflegefachkräfte dagegen kritisieren laut Studie, dass die „Neuen“ wegen mangelnder Sprachkenntnisse und fehlender Erfahrung in der Grundpflege im eng getakteten, stressigen Arbeitsalltag nicht voll einsetzbar seien, stellt die Studie fest. Die akademische Ausbildung ihrer ausländischen Kolleginnen und Kollegen empfinden sie als praxisfern, monieren, dass diese zumindest für eine längere Einarbeitungszeit nur als Pflegeschüler einsetzbar seien. Die Perspektive etablierter Pflegefachkräfte schließt gegenüber zugewanderten Kolleginnen und Kollegen auch bisweilen kulturbezogene Diskriminierungen ein, etwa das Vorurteil vom faulen, nicht wirklich belastbaren Südländer oder von der nicht vorhandenen intrinsischen Motivation für den Beruf – Ausländer kämen ja nur wegen des Geldes.
Um das Problem zu lösen, haben die Studienautoren eine Reihe von Vorschlägen:
„Im besten Fall helfen die Erfahrungen, die Pflegefachkräfte aus dem Ausland mitbringen, hiesigen Arbeitgebern bei notwendigen Reformen in Arbeitsorganisation und Aufgabenteilung“, sind die Autoren überzeugt. Entscheidend für eine erfolgreiche Integration sei allerdings auch, dass genug Ressourcen zur Verfügung stehen, gibt die Böckler-Stiftung den Arbeitgebern als Hausaufgabe mit: Bei permanenter personeller Unterbesetzung sei die Bereitschaft für zusätzliche zeitaufwändige Aufgaben meist wenig ausgeprägt.
Robert Pütz / Maria Kontos / Christa Larsen / Sigrid Rand / Minna-Kristiina Ruokonen-Engler, Betriebliche Integration von Pflegfachkräften aus dem Ausland Innenansichten zu Herausforderungen globalisierter Arbeitsmärkte, Hans Böckler Stiftung (Hg.), Study Nr. 416, Februar, 200 Seiten,Download
Working Paper zur Studie, Nr. 14, Februar 2019, Einblicke aus der Krankenhauspraxis, Download
Zentrum zur Anwerbung und nachhaltigen Integration internationaler Pflege- und Gesundheitsfachkräfte, ZIP Hessen:
Das im Sommer 2018 eröffnete ZIP Hessen unterstützt ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser bei der Anwerbung, Anerkennung und Integration von Pflege- und Gesundheitsfachkräften aus dem Ausland. Es wird finanziert vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration.
Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte (BAGAP):
Die Bundesgeschäftsstelle der BAGAP versteht sich als Ansprechpartnerin, Dienstleisterin und Beraterin, um die vielfältigen Themenfelder im Bereich der Rekrutierung und Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte zu bündeln und zu bearbeiten.
Bei dem Projekt „Triple Win“gewinnen die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) qualifizierte Pflegefachkräfte aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und den Philippinen für Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege.
Gewinnung von Arbeitskräften aus Vietnam zur Ausbildung in der Krankenpflege, Projekt des BMWi: www.giz.de/de/weltweit/40207.html
Neuer Online-Praxisleitfaden des Bundesverbandes Pflegemanagement zur Integration von ausländischen Pflegefachkräften. Pflegemanager und -pädagogen haben verschiedene Integrationskonzepte evaluiert, Best-Practice-Konzepte identifiziert und Empfehlungen für eine erfolgreiche Integration ausländischer Pflegefachpersonen erarbeitet. Für Nichtmitglieder kostenpflichtig: www.bv-pflegemanagement.de/arbeitsgruppen.html
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