Noch nie mussten Sozialunternehmen so viele Herausforderungen gleichzeitig meistern: Auf die Corona-Pandemie folgte nahtlos die Energiekrise. Seit ein paar Monaten zeichnen sich darüber hinaus die zukünftigen Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit ab. Sie betreffen insbesondere die Gebäude und den Energieverbrauch. Kurzum: Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft wird in einen Transformationsprozess gezwungen.
Im Tagesgeschäft der allermeisten Träger der Sozial- und Gesundheitswirtschaft spielen die Immobilien eine zeitraubende, häufig unbeliebte und gerne in den Hintergrund gedrängte Rolle. Das ist nachvollziehbar und durchaus berechtigt, denn die Leistungserbringer sind nicht für die Immobilien da, sondern für die Menschen, die sie versorgen. Die Wahrheit ist aber auch, dass ohne Immobilien so gut wie nichts geht. Ein den Anforderungen entsprechendes Gebäude ist fast immer die Grundlage für den Betrieb. Da die meisten Einrichtungen auch Eigentümer ihrer Immobilien sind, müssen sie sich immer wieder mit Erhalt, Renovierung, Kauf oder Errichtung von Gebäuden auseinandersetzen.
Entscheidend für den Klimaschutz
Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft nimmt eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel ein. Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen und bis 2050 klimaneutral zu werden, verfolgt die Europäische Union das Ziel, Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken. Hierfür hat sie mit der EU-Taxonomie ein Klassifizierungssystem zur Bewertung der Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten geschaffen. Mit der Einführung der Taxonomie wird Nachhaltigkeit zukünftig zu einem Bewertungskriterium in der Finanzwirtschaft. Wenn Banken Investitionen finanzieren, müssen sie prüfen, ob der Kreditnehmer einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen muss und – wenn dies der Fall ist – ob die Investition im Sinne der EU-Taxonomie als nachhaltig einzustufen ist. Hierfür benötigen die Banken zusätzliche Informationen von ihren Kunden. Der Nachweis kann beispielsweise über Energieausweise und Luftdichtheitsprüfungen der Gebäude, technische Details zur Ausstattung, die Analyse
physischer Klimarisiken und die CO2-Bilanz erfolgen.
Berichtspflichten werden ausgeweitet
Um diesen Prozess zu vereinheitlichen, hat die EU das Verfahren gesetzlich geregelt. Nach der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) müssen ab 2024 deutlich mehr Unternehmen Informationen und Kennziffern zur Nachhaltigkeit vorlegen als bisher. Alle großen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und entweder mehr als 40 Millionen Euro Umsatz oder 20 Millionen Euro Bilanzsumme sind ab dem Geschäftsjahr 2025 verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht („nichtfinanzielle Erklärung“) abzuliefern. Ein solcher Bericht fasst die Aktivitäten eines Unternehmens im zurückliegenden Geschäftsjahr zusammen, die einen positiven Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft im Sinne der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit geleistet haben. Er muss von unabhängigen Gutachtern geprüft und im Lagebericht des Geschäftsberichtes veröffentlicht werden. Von der Berichtspflicht sind auch Unternehmen und Träger der Sozial- und Gesundheitswirtschaft betroffen, die die genannten Kriterien erfüllen. Eine Ausweitung auf börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen ist ab 2026 vorgesehen.
Auswirkungen auf Immobilienbesitzer
Spätestens mit dem Beginn der Berichtspflicht wird klar: Das Themenfeld Nachhaltigkeit ist kein Trend mehr, sondern ein Muss. Der Finanzmarkt wird zum Hebel für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. Um weiterhin Zugang zum Kredit- und Kapitalmarkt zu erhalten, müssen betriebliche Aktivitäten und Investitionen die steigenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit erfüllen. Nachhaltigkeit wird zur zentralen Voraussetzung für die Investitionsfähigkeit und die Wertschöpfung.
Um das Thema Nachhaltigkeit anzugehen, sollten Unternehmen strategisch vorgehen und sich folgende fünf Fragen stellen:
- Was bedeutet Nachhaltigkeitsmanagement für uns?
- Welche Strategie verfolgen wir?
- Was wollen wir implementieren?
- Welche Daten müssen wir erheben?
- Wie gehen wir vor?
Meist empfiehlt es sich, den baulichen, technischen und energetischen Bestand aufzunehmen. Dann kann ein Zielzustand definiert werden, der den Berichtspflichten entspricht. Existiert der Wunsch nach einer energetischen Sanierung, ist der Weg von der Bestandsaufnahme zu einer mit Kosten hinterlegten Bewertung recht kurz. Auf diese Weise wird eine nachhaltige Sanierungs-, Instandhaltungs- und Liquiditätsplanung möglich. So nutzen Unternehmen die Pflicht, um gleichermaßen Mehrwerte für sich zu generieren.