Die Sozialwirtschaft gilt als eine der am wenigsten digitalisierten Branchen bundesweit. Erst die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Chancen der Digitalisierung stärker erkannt werden. Welche Hintergründe dies hat und vor welchen Herausforderungen die Verbände und Träger stehen, zeigt der neue Report „Erfolgsfaktor Digitalisierung – Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0“ der Bank für Sozialwirtschaft AG (BFS). Auf der Basis von zwei bundesweiten Umfragen hat die BFS untersucht, wie sozialwirtschaftliche Organisationen in Bezug auf Digitalisierung agieren. Im Fokus der ersten Umfrage 2019 standen insbesondere Aspekte der Investition und der Kooperation. Die zweite Umfrage im Sommer 2020 betrachtete die Digitalisierung im Rahmen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf das Sozial und Gesundheitswesen. Der Report kommt zu folgenden Kernergebnissen:
- Die Sozialwirtschaft erkennt zwar die Notwendigkeit von Investitionen in die Digitalisierung; die tatsächlichen Investitionen sind im Vergleich zur Gesamtwirtschaft jedoch sehr gering.
- Durch die Corona-Pandemie hat sich die Investitionsbereitschaft leicht erhöht.
- Angesichts des enormen Investitionsbedarfs sind die aktuellen Finanzierungsmöglichkeiten für eine erfolgreiche digitale Transformation der Sozialwirtschaft nicht ausreichend. Das gilt insbesondere für freigemeinnützige Organisationen.
- Auch bei weiteren Erfolgsfaktoren hat die Sozialwirtschaft einen Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Branchen: Es gibt in den Unternehmen zu wenig klare Verantwortungsstrukturen für das Thema Digitalisierung, zu wenig Kooperationen mit externen Partnern und die strategische Ausrichtung auf innovative Digitalisierungsformen wie Apps und Online-Plattformen ist zu gering.
- Für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten fehlt es sowohl qualitativ als auch quantitativ an Personal.
- Große Organisationen haben bessere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung.
- Infolge der Corona-Pandemie wird ein großer Schub für die Digitalisierung erwartet.
Um ihre Potenziale bei der Digitalisierung zu heben, benötigen sozialwirtschaftliche Organisationen Unterstützung auf verschiedenen Ebenen. Das umfasst auf der Finanzierungsseite unter anderem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Erzielung und Verwendung von Überschüssen gemeinnütziger Organisationen und eine Verbesserung der Refinanzierungsmöglichkeiten. Auf der Seite der Kooperationen geht es u. a. um Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch sowie einen Überblick über Best-Practice-Beispiele und potenzielle Partner. Auf der Ebene der Strategie ist eine Öffnung traditioneller Denkmuster zu innovativen Geschäftsmodellen erforderlich.
Insgesamt konstatiert der Report im Vergleich zur Gesamtwirtschaft einen erheblichen Nachholbedarf der Sozialwirtschaft in Bezug auf die Digitalisierung. Zugleich lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass die Chancen auf eine erfolgreiche digitale Transformation mit der Größe einer Organisation zunehmen. Kleinere Einrichtungen sind gefordert, ihre Voraussetzungen für die digitale Transformation z.B. durch Vernetzung und Kooperation wesentlich zu verbessern. Gelingt ihnen dies nicht, könnte die Digitalisierung zu einer Beschleunigung der Trägerkonzentration in den Branchen der Sozialwirtschaft beitragen.
Der Report „Erfolgsfaktor Digitalisierung – Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0“ ist unter www.sozialbank.de kostenfrei downloadbar.
Der Digitalisierungsreport wurde in Kooperation mit der Universität zu Köln erstellt und von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW), dem Bundesverband privater Anbieter e.V. (bpa) und dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. unterstützt. Ergänzt wurde er durch eine Reihe von Experteninterviews mit Führungskräften der Sozialwirtschaft.