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Die größte und die kleinste Stiftung scheinen Welten zu trennen. Aber nur auf den ersten Blick. Die BürgerStiftung Hamburg hat ein Kapital von 36 Millionen Euro, die Bürgerstiftung Kulturerbe Himmelpfort verfügt über ganze 27.000 Euro. In der Hansestadt wird ein riesiger Projektreigen von Altenhilfe bis Naturschutz unterstützt, im brandenburgischen Havel-Örtchen bauen Ehrenamtliche ein niedergebranntes klösterliches Brauhaus auf. Wer näher hinschaut, entdeckt jedoch große Gemeinsamkeiten: Beide Initiativen gehören zu den bundesweit 405 lokal aktiven Bürgerstiftungen mit mehr als 30.000 Stiftern und 15.000 Ehrenamtlichen in Gremien, Arbeitsgruppen und Projekten. Die Stiftung Aktive Bürgerschaft der Genossenschaftlichen Finanzgruppe der Volksbanken und Raiffeisenbanken legt in ihrem Jahresreport 2017 eine Bestandsaufnahme mit aktuellen Fakten und Trends vor.
Der Report zeichnet das Mosaik einer äußerst vielfältigen Stiftungslandschaft. Vorausgegangen war die Befragung von 405 Bürgerstiftungen in Deutschland, die den „Zehn Merkmalen einer Bürgerstiftung“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen entsprechen.* Die ersten Stiftungen dieser Art entstanden vor gut 20 Jahren. Die meisten Bürgerstiftungen (113) finden sich heute in NRW. Die Bürgerstiftung Gütersloh ist die älteste (seit 1996), die Bürgerstiftung Kammerstein in Mittelfranken die aktuell jüngste Gründung. Eine Bürgerstiftung ist gemeinnützig und arbeitet ohne oder nur mit geringen Verwaltungskosten. Ob Privatperson, Verein, Bank oder Kirchengemeinde, mit Geld, Ideen oder Mitarbeit – jeder kann sich für das Gemeinwohl direkt vor der eigenen Haustür einsetzen und mitreden.
Die Finanzkraft von Bürgerstiftungen wächst und damit ihre Möglichkeiten, auf das kulturelle und soziale Geschehen vor Ort gestaltend einzuwirken, zeigen einzelne Parameter: Bei den Spitzenreitern wuchs das Vermögen von 228.000 (2006) auf 3,1 Mio. Euro (2016), das Spendenaufkommen von 262.000 auf 602.000 Euro und die Projektfördersumme von 499.000 auf 1,7 Mio. Euro. Alle Stiftungen zusammen stellten bislang 134 Mio. Euro zur Verfügung.
Aktuelle Zahlen spiegeln eine breite Vermögensstreuung unter den Stiftungen wider:
Aufschlussreich ist der Blick auf die Förderschwerpunkte: Bildung und Erziehung (47 %), Kunst und Kultur (17 %) sowie Soziales (15 %) führen das Ranking an (2010).
Bundesweit sind mehr als 5.000 Frauen und Männer im Vorstand (Exekutivorgan) oder Stiftungsrat/Kuratorium (Aufsichtsorgan) der Bürgerstiftungen aktiv. Sie werden von einer Vielzahl ehrenamtlicher Helfer unterstützt. Die Gremien sind vor allem damit beschäftigt, das Stiftungskapital zu verwalten, Projekte umzusetzen und Förderentscheidungen zu treffen. Die Hälfte der Vorstandvorsitzenden und knapp ein Drittel der Vorstandsmitglieder bringen monatlich mehr als 20 Stunden für die Bürgerstiftung auf.
Die Motive zum Einsatz in und für eine Bürgerstiftung liegen nahe beieinander und laufen in dem Willen zusammen, gesellschaftliche Entwicklungen gezielt zu gestalten. Die Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements (86 %), Interesse für die Lebensqualität vor Ort (71 %), Unterstützung des Engagements anderer Menschen (68 %) und der Wille, persönlich etwas zu bewegen (68 %) führen bei den Befragten die Liste der wichtigsten Gründe für ihren Einsatz an.
Die Gründungsstifter brachten vom aktuellen Stiftungskapital (360 Mio. Euro; 2016) knapp 18 Prozent (63 Mio. Euro) auf. Der Löwenanteil von gut 80 Prozent kam im Lauf der Jahre durch Zustiftungen hinzu, ergab die Befragung. Trotz anhaltender Niedrigzinsen setzen die Stifter demnach auf das Modell der Zustiftung. Mehr als 90 Prozent aller Zustiftungen im letzten Jahr gingen an Bürgerstiftungen (136) mit Stiftungsfonds (413 Fonds mit 55 Mio. Euro) und Treuhandstiftungen (295 Treuhandstiftungen mit 93 Mio. Euro), stellt der im Auftrag der Volks- und Raiffeisenbanken erstellte Report heraus. Die Genossenschaftsbanken unterstützen eigenen Angaben zufolge 340 Bürgerstiftungen.
Bürgerstiftungen bewegen sich in einem kritischen Spannungsfeld. Hierzulande in den 1990er-Jahren nach amerikanischem Vorbild gegründet, reichten sie nie an deren Bedeutung heran, da sie nicht in größerem Umfang für Schwächen des Sozialstaates herhalten mussten. Angesichts defizitärer öffentlicher Kassen laufen hiesige Bürgerstiftungen allerdings Gefahr einer zunehmenden Lückenbüßer-Funktion. Zwar stärkt die wachsende Finanzkraft ihren Einfluss. Dennoch sollten Bürgerstiftungen die Kommunen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und sich stattdessen darauf konzentrieren, bürgerschaftliches Engagement zu stärken und Projekte zu ermöglichen, die das Gemeinwohl bereichern.
*Zu den „Zehn Merkmalen einer Bürgerstiftung“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen siehe: www.buergerstiftungen.org/de/ueber-buergerstiftungen/die-10-merkmale.html
Stiftung aktive Bürgerschaft (Hg.), Bürgerstiftungen. Fakten und Trends 2017, Report, Berlin, 8 Seiten
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