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Gerade erst war er ein großes Wahlkampfthema – der Pflegenotstand. Und so schnell wird er nicht von der Tagesordnung verschwinden. Der Deutsche Pflegerat rechnet bis 2030 mit 300.000 fehlenden Pflegekräften hierzulande, davon allein 200.000 in der Altenpflege. Eine Gegenstrategie ist die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. „Ein Tropfen auf dem heißen Stein“, monieren Kritiker. Dennoch ein nützlicher Beitrag, der Pflegebedürftigen, überlasteten Pflegern und arbeitsplatzsuchenden Bewerbern hilft. Die BFS-Trendinfo-Redaktion stellt ein Vorzeigeprojekt in Dortmund vor, das einen lösungsorientierten Weg der Nachqualifizierung ausländischer Fachkräfte geht.
Die genaue Bezeichnung lautet: „Modularisierte Anpassungsqualifizierung für zugewanderte Pflegekräfte“. 18 Pflegerinnen und Pfleger aus zehn Nicht-EU-Staaten besuchen seit Mai den Anpassungslehrgang der Katholischen Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe. „Die Teilnehmer haben in ihren Heimatländern bereits eine Krankenpflegeausbildung absolviert, verfügen aber häufig nicht über die in Deutschland erforderlichen pflegerischen Kompetenzen“, erklärt Geschäftsführer Carsten Drude.
Der Kurs besteht aus drei Modulen und dauert maximal sechs Monate. Der fachbezogene Teil behandelt Theorie und Praxis der Grundpflege. Hinzu kommen kommunikative Fähigkeiten wie Gesprächsführung, Beratung und Schulung. Deutschunterricht und Pflege-Fachvokabular stehen ebenfalls auf dem Stundenplan. Der jeweils vierwöchige Blockunterricht wechselt mit praktischen Ausbildungseinheiten an Krankenhäusern ab, bevorzugt in Innerer Medizin, Chirurgie und Psychiatrie.
Die Teilnehmer müssen nicht den gesamten Kurs absolvieren, sondern können je nach Ausbildungsbedarf mittendrin einsteigen oder früher abschließen. Auf diese Weise lässt sich das Angebot individuell maßschneidern. Eine Ausbildungsvergütung kann je nach Bereitschaft des Krankenhauses dazu kommen. Finanziert wird der Kurs über das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ (IQ), das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Europäischen Sozialfonds getragen wird. „Das Konzept ist deutschlandweit einmalig, da es Ausbildung, Integration und finanziellen Unterhalt ermöglicht“, unterstreicht Drude.
Gegenüber bestehenden Angeboten zur Nachqualifizierung gründet das Dortmunder Projekt auf einem fundierten Curriculum mit landesweiter Signalfunktion. Maßgebliche Vorarbeit leistete das Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie in Düsseldorf. Hier werden die Anträge auf Gleichwertigkeit von im Ausland erworbenen Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen geprüft.
Die dabei zutage tretenden Defizite erfordern einen spezifischen Anpassungslehrgang. „Insbesondere wenn die Bewerber aus Balkan-Ländern kommen, ergibt sich ein homogenes Bild der wesentlichen Ausbildungsunterschiede“, erklärt Lukas Schmülling, Dezernent beim Landesprüfungsamt. Auf den Punkt gebracht: „Die Ausbildung der Bewerber ist in ihren Heimatländern sehr medizinisch-technisch ausgerichtet. Sie wissen viel von Krankheitsbildern, aber wenig von den dazugehörigen Pflegehandlungen.“ Auf dieser Erkenntnis basieren Inhalt und modulare Konzeption des Lehrgangs.
„Bereits ohne direkte Akquise hat sich gezeigt, dass der Bedarf an solchen Anpassungslehrgängen sehr groß ist und weiter wächst“, sagt Drude und verweist auf ständig neue Bewerbungen. Zwei Kurse für 2018 stehen schon fest. Eine weitere Schule in NRW, das Schulzentrum für Gesundheitsberufe am Niederrhein (SGN), bietet ebenfalls einen IQ-geförderten Lehrgang an.
Die Landesregierung NRW ist sehr interessiert daran, eine flächendeckende Nachqualifizierung nach Dortmunder Vorbild anzubieten. Dies bekräftigte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann unlängst erst bei einem Besuch in der Dortmunder Pflegeschule. Dass dieses Bemühen spät kommt, will Dezernent Schmülling nicht verhehlen, hält aber dagegen: „Der NRW-Ansatz in der Nachqualifizierung zeichnet sich durch Qualität und Nachhaltigkeit aus.“
Pflegeschulleiter Drude hält die Einrichtung des Lehrgangs „für eine absolut sinnvolle und sinnstiftende Angelegenheit.“ Besonders erfreulich sei die hohe Motivation der Teilnehmer. Anfangs unterschätzt wurde seiner Auffassung nach der hohe administrative Aufwand, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung des Kurses. Auch die korrekte Einschätzung der sozialen Bedürfnisse und familiären Hintergründe der Teilnehmer sei zunächst schwierig gewesen. „Es hat sich gezeigt, dass es für viele Menschen ein großes Problem darstellt, vier Wochen am Stück in die Schule zu kommen, da in dieser Zeit in der Regel keine Einkünfte zu erzielen sind.“
Hier setzen die Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund gGmbH und das St. Marien-Hospital in Hamm ein Zeichen: Kursteilnehmer, die in diesen Einrichtungen ihre praktischen Ausbildungsphasen nachholen, werden in Höhe der Ausbildungsvergütung finanziell unterstützt.
Details bei Canisius Campus Dortmund gGmbH:
www.pflegeschule-dortmund.de
Schulzentrum für Gesundheitsberufe am Niederrhein GmbH (SGN):
https://sgn-mg.de/de/Modularisierte-Anpassungsqualifizierung-fuer-zugewanderte-Pflegekraefte.htm
Weitere Informationen:
www.bmbf.de/de/anerkennung-auslaendischer-berufsqualifikationen-1091.html
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Susanne Bauer
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