Suche
Für manche Eltern ist es ein merkwürdiges Déjà-vu: Da haben sie ihre eigene Schulzeit schon ein Weilchen hinter sich und stehen doch plötzlich wieder mittendrin – als Ausflugsbegleiter, IT-Beauftragter oder Anstreicher. Manche Schulen werben auf ihrer Homepage sogar im Stil von Stellenanzeigen um fleißige Eltern: „Sie sind eine super Bäckerin, ein toller Gärtner oder Handwerker? Dann schreiben Sie uns!“* Neben diesen Varianten tatkräftigen Zupackens engagieren sich viele Eltern im Förderverein der Schule ihres Nachwuchses. Das Deutsche Schulbarometer legt jetzt eine repräsentative Erhebung über diese besondere Einrichtung der Elternarbeit vor.
Der Studie liegt die Befragung von bundesweit rund 1.000 Eltern von Kindern an Grund- und weiterführenden Schulen zugrunde. Nicht gerade viel, macht aber solide Trends sichtbar. Demnach sind 40 Prozent der befragten Mütter und Väter Mitglied im Förderverein der Schule ihres Kindes – mehr als von Experten erwartet. Nach Schularten differenziert, sind an Gymnasien 46 Prozent der Eltern dabei, an Gesamt- und Gemeinschaftsschulen 42, an Grundschulen 38 und an Haupt-, Real- und Mittelschulen 31 Prozent.
Eltern überweisen ihrem Förderverein im Durchschnitt 55,80 Euro pro Jahr. Bei Haupt-, Real- und Mittelschulen ist der Anteil von Eltern, die mehr als 50 Euro zahlen, mit 45 Prozent am höchsten, an Gymnasien sind es 34 Prozent.
Die Leistungen der Eltern umfassen nicht nur regelmäßige Förderbeiträge, sondern auch Erlöse von Schulfesten, die ihrerseits oft von Eltern organisiert und ausstaffiert werden (Tombola, Speisen, Flohmarkt). Als weiterer Bereich elterlicher Schulförderung kommt das große Spektrum ehrenamtlicher Tätigkeiten hinzu: bei Festen und Ausflügen (72 %), als Elternsprecher (19 %), in der Fach- oder Gesamtkonferenz (13 %), als Lesepate (10 %) oder in der Leitung einer Schul-AG (3 %).
Die Mittelverwendung der Vereine reicht vom Sozialausgleich für Familien zur Teilnahme an Klassenfahrten über die Förderung von Festlichkeiten bis zur Anschaffung von Musikgeräten fürs Orchester. Doch wie stehen die Eltern zu ihrer Sponsorenrolle? Knapp ein Viertel (23 %) ist laut Schulbarometer der Meinung, dass Eltern vieles leisten, was eigentlich Aufgabe der Schule ist. Ein wenig mehr Eltern (25 %) stimmen dieser Auffassung überhaupt nicht zu, sind mit ihrer Geldgeberrolle also offenbar zufrieden; die restlichen Befragten liegen dazwischen. An Haupt-, Real- und Mittelschulen ist das Bewusstsein für eine überzogene Inpflichtnahme der Eltern mehr verbreitet (26 %) als an Gymnasien (23 %).
Bundesweit gibt es rund 40.000 Kita- und Schulfördervereine, ermittelte der ZiviZ-Survey 2018 der Zivilgesellschaft. Nur zwölf Prozent der Schulen haben keinen Förderverein, wenngleich Finanzvolumen, Mitgliederzahlen und Aktivitäten bei den bestehenden Vereinen erheblich differieren. So reichen die Einnahmen von 500 bis 120.000 Euro pro Jahr, der Durchschnitt liegt bei 5.000 Euro. Insgesamt rückt der Bildungsbereich beim zivilgesellschaftlichen Engagement nach dem Sport auf den zweiten Platz. Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, kommentiert die Rolle von Fördervereinen in einem Interview mit dem Schulportal so: „Das Bildungsengagement ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Damit haben die Kita- und Schulfördervereine einen großen Einfluss auf die Bildungsqualität. Von der Politik wird dieser Beitrag jedoch noch unterschätzt und zu wenig gefördert.“
Häufige Bedenken zum Wirken von Fördervereinen betreffen die Bildungsgerechtigkeit: Schulen in sozialen Brennpunkten verfügten demnach nur über ein geringes Fördervolumen. Expertin Hintze widerspricht: „Die Realität sieht anders aus. In den gutbürgerlichen Regionen geht die Initiative für den Kita- oder Schulförderverein oft von den Eltern aus. In Brennpunkten sind es eher die Lehrkräfte oder die Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich für ein zivilgesellschaftliches Netzwerk einsetzen.“ Und das mit großem Erfolg, denn die Hilfsbereitschaft von Stiftungen oder Unternehmen sei dort besonders hoch, wo die Not am größten ist. Nicht selten handelten Unternehmen auch aus dem Interesse heraus, mit der Bildungsreinrichtung vor Ort das ganze Viertel aufzuwerten.
Heutzutage werden Schulfördervereine nicht nur von Eltern getragen, sondern auch von Privatleuten, Unternehmen, Stiftungen, Schulleitungen und Lehrkräften. Auf diese Weise können die Vereine ihren Schulen über Geldmittel hinaus zusätzliche bildungsrelevante Ressourcen (Praktika, Expertenwissen) erschließen, müssen aber auf ihre Unabhängigkeit achten. „Wir arbeiten daran, dass Fördervereine strategische Entwicklungspartner für den jeweiligen Standort werden“, wünscht sich Hintze. Das bedeutet, sie aus der Nische als Zuschussgeber herauszuführen und in die Planung wichtiger Förderprojekte einzubinden. Und dabei, so die weitere Forderung, müssten auch die Schülerinnen und Schüler einbezogen werden.
* Siehe die Grund- und Mittelschule Wolfratshausen:
https://schule-wolfratshausen.com/eltern-helfen-der-schule/
Weitere Informationen:
Das Deutsche Schulbarometer. Elternbefragung 2019, im Auftrag der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der ZEIT Verlagsgruppe, 2019, 161 Seiten, Download
Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, Wie Fördervereine immer stärker die Schulen prägen, Interview auf dem Deutschen Schulportal, 24.01 2019
Homepage der Stiftung Bildung mit dem Angebot, Ehrenamtliche in den Fördervereinen von Schulen und Kitas zu beraten: www.stiftungbildung.org
Datenreport Zivilgesellschaft, hg. von Holger Krimmer, ZiviZ gGmbH im Stifterverband, Berlin 2019, 195 Seiten www.ziviz.info/datenreport-zivilgesellschaft
Wohnen
Wo man die Zukunft jetzt schon proben kann
Arbeitswelt
Warum Bewerber und Ausbilder nicht zueinander finden
Bildung
Schulfördervereine: „Großer Beitrag, leider unterschätzt“
Stiftungen
Bürgerstiftungen: Niedrige Zinsen und Bürokratie dämpfen
Pflege
Pflegekräfte: Erst im Heim, dann heim zur Mutter
Gesellschaft
Generation Mitte: Lage gut, Stimmung düster
Digitalisierung
Zwischen Zuversicht und Skepsis
Buchempfehlung
Katharina Zweig: Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail