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Vertrauen ist das wertvollste Kapital im Stiftungssektor – ein scheues Reh, flüchtig wie eine Gazelle. Nur wer ehrlich ist und keine Fragen offen lässt, gewinnt das Vertrauen der Öffentlichkeit. „Wer für das Gemeinwohl tätig ist, sollte der Gemeinschaft sagen: Was die Organisation tut, woher die Mittel stammen, wie sie verwendet werden und wer die Entscheidungsträger sind“, fordert die „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ (ITZ). Doch wie weit ist es tatsächlich her mit der Transparenz bundesdeutscher Stiftungen, welche Kennzahlen publizieren sie regelmäßig? Der „Stiftungsfokus“ legt dazu jetzt eine aktuelle Erhebung vor.
Ein sensibler Punkt, wie erst 2017 durch eine Studie des Berliner Wissenschaftszentrums für unternehmensnahe Stiftungen belegt wurde.* Demnach mache mehr als die Hälfte der Stiftungen keinerlei Angaben zum Vermögen, zur Mittelherkunft und -verwendung. Wohl nicht ganz zufällig fasst jetzt der Bundesverband Deutscher Stiftungen in seinem „Stiftungsfokus“ nach. Schließlich, so hat der Verband erkannt, nimmt das Informationsinteresse der Bevölkerung am Stiftungsgeschehen stetig zu. Und wer steuerbegünstigt ist, weil er gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt, sollte sich kritischen Fragen nicht verwehren.
Der „Stiftungsfokus“ umfasst ein Panel mit 553 Stiftungen. Die Erhebung von November 2017 liefert wichtige Einblicke in das Transparenzverhalten der Branche und in notwendige Reformen.
Die gute Nachricht zuerst: Eine große Mehrheit der Stiftungen (85 %) überprüft regelmäßig die Effizienz ihrer eingesetzten Mittel. Und jetzt der Dämpfer: „Allerdings sagt der hohe Prozentsatz nichts darüber aus, in welcher Weise die Überprüfung stattfindet.“ Gleiches gilt für die Überprüfung der Außenkommunikation (68 %) und den Umgang mit Fördersuchenden (56 %). Knapp zwei Drittel (65 %) der befragten Stiftungen sammeln Spenden ein, kleine Stiftungen häufiger als große. Jene 20 Prozent der Stiftungen, die Spenden einwerben, ohne den effektiven Nutzen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu überprüfen, haben allen Grund, sich diesem Thema zu widmen, mahnen die Studienautorinnen. Auch und gerade dann, wenn sie nur über knappe Ressourcen verfügen.
Mehr als 80 Prozent der befragten Stiftungen nutzen ihre Internetseite für vertrauensbildende Maßnahmen. Aber nur zwei Drittel machen dort ihren Jahresbericht publik, knapp 60 Prozent die Satzung. Dass elf Prozent der Spenden sammelnden Stiftungen im Jahresbericht keine Finanzdaten präsentieren, „muss erstaunen“, tadeln die Autorinnen.
Überhaupt, der transparente Umgang mit Finanzdaten – ein heikles Thema: Nur 44 Prozent der Stiftungen veröffentlichen sie auf ihrer Internetseite. Von den Spenden einwerbenden Stiftungen ist es nicht einmal die Hälfte, davon legen 70 Prozent die Mittelherkunft, knapp 80 Prozent die Mittelverwendung offen. Ein Verhalten, das die Autorinnen „unverständlich“ finden. Vor allem Stiftungen, die auf Spenden angewiesen sind, sollten für mehr Vertrauen werben. Stiftungen ohne Spendeninteresse zeigen sich noch zurückhaltender – nur ein Viertel gibt Finanzdaten auf der eigenen Internetseite preis.
Die Studie macht wiederholt deutlich, dass Anspruch und Realität in der Stiftungsbranche mitunter auseinanderklaffen. So zum Beispiel mit der freiwilligen Selbstverpflichtung auf Grundsätze guter Stiftungspraxis. Zwar plädieren 80 Prozent der Umfrageteilnehmer dafür. „Doch wenn es darum geht, sich öffentlich zu ihnen zu bekennen oder sie zu überprüfen, sieht es schon etwas anders aus. Nur je rund 60 Prozent tun dies bislang, es dürfen ruhig mehr werden“, deckt die aktuelle Studie auf. Die vom Bundesverband Deutscher Stiftungen empfohlenen Regularien der ITZ (s. o.) sind wenig bekannt. Das DZI-Spendensiegel ist weitaus bekannter, allerdings scheuen viele Stiftungen vor der Beantragung zurück, auch vor der Mitgliedschaft im Deutschen Spendenrat.
Nachholbedarf besteht auch hinsichtlich eines Verzeichnisses im Internet für die vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannten Körperschaften. Dadurch könnten interessierte Spender einen ersten Hinweis auf die Seriosität einer bestimmten Organisation erhalten. Bis zur die Liste steht, könnten sich Stiftungen mit der Veröffentlichung des Datums ihres jüngsten Freistellungsbescheids behelfen, bringt die Studie eine Empfehlung der ITZ ins Spiel. Doch bislang beherzigte erst ein Drittel der befragten Stiftungen diesen Rat.
Rund drei Viertel der Befragten wünschen ein bundeseinheitliches, digitalbasiertes Stiftungsregister mit Publizitätswirkung, eine Maßnahme, die der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit Blick auf die anstehende Reform des Stiftungsrechts schon länger fordert. Das Stiftungsregister soll die Funktion des Transparenzregisters übernehmen, das durch das Geldwäschegesetz erforderlich wurde. An diese Reform knüpft sich die Erwartung, dass der bisherige horrende Verwaltungsaufwand, der vor allem das Geschäft kleinerer Stiftung behindert, wirksam abgebaut werden kann.
In puncto Offenheit und Selbstauskunft ist also noch viel zu tun. Vor allem, das legt der aktuelle Stiftungsfokus nahe, sind die Stiftungen gefordert, selbstgesetzten Ansprüchen auch praktisch nachzukommen. Auskünfte über Finanzen, Satzung und Freistellungsbescheid sind einfache Maßnahmen zugunsten von Glaubwürdigkeit und Transparenz, solange das Stiftungsregister auf sich warten lässt. Stiftungen können davon nur profitieren: Offenheit sorgt für beste Vertrauensbildung beim Spender.
* Siehe Pressemeldung des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Unternehmensnahe Stiftungen: Es fehlt an Transparenz, vom 3. 1. 2017, https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/unternehmensnahe-stiftungen-es-fehlt-an-transparenz
Antje Bischoff / Theresa Ratajszczak, Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, Aktuelle Zahlen aus dem Stiftungssektor, in: Stiftungsfokus, 15/2018, hg. von Bundesverband Deutscher Stiftungen, 26 Seiten, Download.
Weiterführend zum Thema auch die Untersuchung des Bundesverbands Deutscher Stiftungen im Stiftungsfokus 8/2016: Judith Engelke u. a., Externe Kommunikation von Stiftungen, 19 Seiten.
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