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Der Osten ist (alarm-) rot – zumindest im aktuellen Ländermonitor frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung. In Ostdeutschland müssen sich deutlich mehr Kita-Kinder eine Fachkraft teilen als in Westdeutschland. Aber auch im Westen differiert der Fachkräfteschlüssel von Bundesland zu Bundesland. Der Ländermonitor macht deutlich, dass Bildungserfolg in Deutschland immer noch stark vom Wohnort abhängt.
So betreute eine Erzieherin 2017 in den neuen Bundesländern in Krippen (unter Dreijährige) durchschnittlich 6 Kinder, im Westen waren es nur 3,6. In Kindergärten (drei bis sieben Jahre) war eine Fachkraft in Ostdeutschland für knapp 12 Kinder zuständig, ihr Pendant in Westdeutschland für 8,4. Ein Personalschlüssel, der bei weitem nicht ausreicht, so die Bertelsmann-Stiftung. Ihre Empfehlung: In Krippen sollte das Verhältnis Erzieher-Kind 1:3 sein, in Kindergärten 1:7,5. Ihre Forderung: Bund und Länder sollten sich mehr auf eine Verbesserung der Personalschlüssel konzentrieren. Das Problem: zu wenig Fachkräfte und zu wenig Geld.
Immerhin – in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Situation insgesamt gebessert: Musste sich 2012 im Durchschnitt aller Bundesländer eine Erzieherin noch um 4,8 Krippenkinder kümmern, waren es 2017 nur noch 4,3. Bei den Kindergartenkindern sank die Zahl der betreuten Kinder pro Kraft im gleichen Zeitraum von 9,8 auf 9,1. Besonders gut ist die Betreuungssituation in Baden-Württemberg: Dort liegt der Schlüssel bei 1 zu 3,1 Krippenkindern und 1 zu 7,1 Kindern von drei bis sechs Jahren. Den zweiten Platz belegt Bremen. Anders sieht es im Osten aus: Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen gehören zu den Schlusslichtern.
Für die Bertelsmann-Stiftung ein unhaltbarer Zustand: Der Geburtsort eines Kindes dürfe nicht über dessen Bildungsweg entscheiden. Ähnlich sehen es die Arbeiterwohlfahrt und die Bildungsgewerkschaft GEW. So sagt AWO-Bundesvorsitzender Wolfgang Stadler: „Die Betreuungsqualität darf nicht vom Wohnort abhängen, deshalb benötigen wir bundeseinheitliche Standards.“
Abhilfe will das „Gute-Kita-Gesetz“ der Bundesregierung schaffen, mit dem die Qualität der Einrichtungen verbessert und gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt werden sollen. Das Gesetz soll nach dem Kabinettsbeschluss noch durch die Gremien und zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Insgesamt will der Bund bis zum Jahr 2022 dann 5,5 Milliarden Euro in die Verbesserung der Kita-Qualität investieren. Mit den 16 Ländern sollen jeweils länderspezifische Vereinbarungen zur Qualitätsverbesserung getroffen werden, so Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Es ist klar, dass es nicht die eine Lösung für Kita-Qualität in ganz Deutschland gibt.“
Die Bertelsmann-Stiftung ist nicht überzeugt: Das Gesetz sähe zwar viele Maßnahmen vor, um die Qualität zu verbessern, definiere allerdings keine bundeseinheitlichen Standards. Die 5,5 Milliarden Euro reichten hinten und vorne nicht: Um einen qualitativ hochwertigen Ausbau der Kitas zu stemmen, seien jährlich rund 8,7 Milliarden Euro nötig. Die GEW geht sogar von 10 Milliarden Euro pro Jahr aus. Dabei stößt nicht nur die Höhe der Fördermittel, sondern auch die geplante Verteilung bei der Bertelsmann-Stiftung auf Kritik: Die Zahl der betreuten Kinder werde dabei nicht berücksichtigt, was Länder mit vielen Kindern in Kitas – also traditionell Ostdeutschland – benachteilige. Die Bundesmittel sollten daher gemessen an der Anzahl der Kinder in Kindertagesbetreuung verteilt werden, schlagen die Studienautoren vor.
Bleibt das Problem des Fachkräftemangels: Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sprach gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ davon, dass der Personalbedarf bis zum Jahr 2025 auf bundesweit mindestens 260.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte, Leitungen und Tagespflegepersonen anwachsen werde. Diese Fachkräfte seien jedoch nicht vorhanden. Städtetagspräsident Markus Lewe fordert in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ deshalb einen Ausbau der Fachschulen und eine kostenfreie Ausbildung. Auch Bundesfamilienministerin Giffey spricht sich für eine Schulgeldbefreiung und die Einführung einer Ausbildungsvergütung aus.
Vor diesem Hintergrund sehen die Studienautoren die derzeit von vielen Bundesländern angestrebte oder bereits umgesetzte Gebührenfreiheit von Kitas kritisch: Die ohnehin zu knappen Mittel des Bundes dürften die Länder nicht dafür einsetzen, die Kitabeiträge komplett abzuschaffen. Nur Familien unterhalb der Armutsrisikogrenze sollten von den Kosten befreit sein. Laut Schätzungen auf Basis des ElternZOOM 2018 (ebenfalls von der Bertelsmann-Stiftung) würde dies rund 730 Millionen Euro jährlich kosten.
Dass es mit der personellen Ausstattung in deutschen Kitas und Krippen nicht zum Besten steht, ist unbestritten. Dass dafür mehr Geld in die Hand genommen werden muss, ebenso. Die Personalausstattung ist jedoch nicht der alleinige Gradmesser für die Qualität einer Betreuung. Auch die Art der beruflichen Qualifikation spielt eine Rolle. So fällt im Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung auf, dass die pädagogischen Fachkräfte in den östlichen Bundesländern zu 84 bis 90 Prozent einen Fachschul-Abschluss haben. In den westlichen Bundesländern ist die Art des Abschlusses heterogener, in Hamburg haben zum Beispiel sieben Prozent des Kita-Personals gar keinen.
Auch die Zusammensetzung der Kindergruppen dürfte beim Thema Personalschlüssel eine Rolle spielen. Multikulturelle Gruppen sind durch ihre Heterogenität sicher arbeitsintensiver. In den alten Bundesländern liegt der Anteil der Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache in etwa jeder dritten Kita bei mehr als 25 Prozent. In den neuen Bundesländern ist dies nur bei rund einem Prozent der Kitas der Fall.
Bertelsmann-Stiftung (Hg.), Kita-Ausbau: Kluft zwischen Ländern bleibt, Gütersloh 2018, 7 Seiten,
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Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2018
Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitors sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder unter anderem aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2017.
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