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Der Kölner Zoo überraschte kürzlich nicht nur Tierfreunde mit einer sensationellen Nachricht: Eine 93-jährige US-Bürgerin wird dem renommierten Tierpark nach ihrem Tod 22 Millionen Dollar (18,5 Mio. Euro) vererben. Das Geld fließt in eine Stiftung, die Erträge – geschätzte 600.000 bis 800.000 Euro jährlich – sollen regelmäßig für besondere Zooprojekte ausgeschüttet werden. Die großherzige Spenderin, die mit ihrem jüdischen Ehemann einst aus Deutschland emigrierte, möchte auf diese Weise ihre Verbundenheit mit der alten Heimatstadt ausdrücken.
Während im Kölner Zoo tierische Freude herrscht, ziehen bei zahlreichen Stiftungen hierzulande Sorgen auf. Die historisch niedrige Verzinsung des Stiftungsvermögens setzt sie unter Druck, ihrem Förderzweck ungeschmälert gerecht zu werden. Immerhin investierten die bundesweit mehr als 21.000 Stiftungen im vergangenen Jahr 17 Mrd. Euro in gemeinnützige Projekte – ein gewaltiges gesellschaftliches Engagement. Manches Vorhaben könnte auf der Strecke bleiben. Die Folge: Das Buhlen um Fördermittel wird stärker, Veränderungen im Investmentverhalten werden offensiver diskutiert.
In diesem Umfeld untersuchte der Bundesverband Deutscher Stiftungen die finanzielle Situation von Stiftungen. Dazu wurden 255 Einrichtungen befragt, außerdem äußerten sie sich zum Stellenwert alternativer Portfoliogewichtung (Immobilien) und ressourcenbündelnder Strategien (Kooperation, Fundraising). Die Lage ist ernst: Während 2015 und 2016 mehr als 80 Prozent der Stiftungen eine Rendite oberhalb der Inflationsrate erzielten, erwarten es für 2017 nur etwa 65 Prozent. Bei 20 Prozent, so die Einschätzung, dürfte die Rendite sogar unterhalb der Inflationsrate liegen. Vor allem kleine Stiftungen mit bis zu einer Million Euro Kapital trifft es: Ein Drittel (31,7 %) befürchtet, die prognostizierte Inflationsrate von 1,5 Prozent nicht übertreffen zu können, fand die Studie heraus.
Eine mögliche Option zur Erweiterung des Handlungsspielraums ist die wirkungsorientierte Vermögensanlage. Knapp ein Viertel der Stiftungen (22,1 %) praktiziert das sogenannte „Impact Investing“. Es verbindet finanzielle Rendite und gesellschaftlichen Nutzen: zum Beispiel eine Umweltstiftung, die eigene Flächen unter Kriterien des Naturschutzes verpachtet. Wer allerdings Anteile seines Stiftungsvermögens wirkungsorientiert investiert, tut dies lediglich in geringem Maße, ergab die Studie. Nur rund 43 Prozent der befragten Stiftungen sind in dieser Anlageform investiert – mit weniger als 20 Prozent ihres Vermögens. Gründe, die gegen eine wirkungsorientierte Vermögensanlage sprechen, sind laut Befragung: alternative Stiftungsrichtlinien (50 %), geringes Wissen zum Thema (34,1 %), geringe Renditeerwartung (28,7 %) und mangelnde Kompetenz (20,1 %).
Ein gutes Drittel der befragten Stiftungen (36,5 %) legt in Immobilien an, ein Drittel (auch) in Immobilienfonds. Allerdings gilt das vor allem für große Stiftungen (54,1 % Immobilien, 40 % Immobilienfonds), weniger für kleine (16,7 % bzw. 25 %). Rund ein Fünftel der großen Stiftungen nutzt Immobilien oder Immobilienfonds als wirkungsorientierte Anlage. Fast ein Drittel aller befragten Stiftungen möchte zwecks besserer Diversifikation künftig in „Betongold“ investieren. Viele Befragte finden es jedoch schwer, ein geeignetes Anlageobjekt zu finden.
Welche weiteren Strategien lassen sich der Niedrigzinsphase entgegensetzen? Nur ein knappes Drittel (31,8 %) der befragten Stiftungen geht neue Kooperationen ein – 2014 waren es laut damaliger Umfrage mehr als die Hälfte (51,5 %). Häufigste Kooperationspartner sind aktuell andere Stiftungen (75,3 %), Vereine/Verbände (46,9 %) und Universitäten (30,9 %). Und warum arbeiten Stiftungen nicht häufiger zusammen, wie Experten oft raten? „Kooperationen müssen nicht per se die Wirkung der Stiftungsarbeit erhöhen oder zu Synergieeffekten führen“, klärt die Studie auf. Sie könnten im Gegenteil mitunter Kosten verursachen, ein Risiko, das manche Stiftung möglicherweise von einer Zusammenarbeit abschrecke.
Ein ähnliches Muster ergibt sich beim Fundraising. Fast 40 Prozent der befragten Stiftungen betreiben es (38,4 %). 30 Prozent der Stiftungen, die bislang keine Mittel einwerben, planen entsprechende Schritte, 40 Prozent lehnen sie ab, 17 Prozent sind unentschlossen. „Die aktuelle Situation motiviert die befragten Stiftungen demnach nicht unbedingt dazu, jetzt erst recht Geld einzuwerben“, stellt die Studie fest. Der StiftungsPanel 2016 liefert aufschlussreiche Begründungen für diese Haltung: fehlende organisationsinterne Bereitschaft sowie hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand. Das Ranking eingeworbener Mittel sieht übrigens so aus (Mehrfachnennungen möglich): Kleinspenden bis zu 200 Euro (77,6 %), Zustiftungen (76,5 %), Großspenden (75,5 %), Erbschaften (54,1 %) und Projektfinanzierungen durch andere Stiftungen (35,7 %).
Was also können Stiftungen tun, um trotz anhaltender Nullzinspolitik der EZB über die Runden zu kommen? Schon in den vergangenen Jahren, so ergab 2016 eine Umfrage der Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers (PwC), erwarteten 82 Prozent der Stiftungen verringerte Fördermöglichkeiten. Klar ist: Jede Stiftung muss gemäß Aufgabe und Größe ihren eigenen Weg zur Konsolidierung finden. Häufig mangelt es an strategischem Weitblick, Profi-Personal und Erfahrung mit komplexen Finanzinstrumenten.
Vor allem kleinere Stiftungen haben Probleme des Kapitalerhalts. Sie können die anhaltende Niedrigzinsphase nicht einfach aussitzen oder ihr Portfolio kurzerhand mit Immobilien diversifizieren. Ihnen empfiehlt die Studie eine Beratung für maßgeschneiderte Finanzkonzepte durch den verbandsinternen Expertenkreis Impact Investing. Darüber hinaus solle über die Themen Zusammenlegung, Zulegung oder Verbrauchsstiftung nachgedacht werden, rät die Studie. „Denn ob Ewigkeitsstiftungen noch in allen Fällen sinnvoll sind, muss zumindest diskutiert werden.“
Antje Bischoff und Theresa Ratajszczak, Stiftungen in der Niedrigzinsphase – aktuelle Zahlen und Fakten, hg. vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, Stiftungsfokus Nr. 11: Berlin 2017, 20 Seiten
Aktuellen Erhebung und weitere kostenlose Studien des Kompetenzzentrums Stiftungsforschung:
www.stiftungen.org/stiftungsfokus
Ergänzend dazu die PWC-Studie (2016): Fünf Jahre Niedigzinsphase und kein Ende in Sicht?
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