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Menschen wollen normalerweise an einem vertrauten Ort sterben: Wenn schon nicht in den eigenen vier Wänden, dann im Pflegeheim, das ihnen in ihrem letzten Lebensabschnitt zum Zuhause geworden ist. Tatsächlich kommt es oft ganz anders, belegt der Pflege-Report 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Demnach wurden 2018 und 2019 mit 56 Prozent mehr als die Hälfte der Pflegeheimbewohnenden in den letzten zwölf Wochen ihres Lebens mindestens einmal ins Krankenhaus eingewiesen – purer Stress für hochbetagte, gebrechliche Menschen und auch nach Einschätzung befragter Pflegekräfte nicht in deren bestem Interesse. Was genau läuft falsch, wo müssen Verbesserungen ansetzen?
Thema des aktuellen AOK-Reports sind „Spezielle Versorgungslagen in der Langzeitpflege“, darunter von pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und früher Demenz. Weitere Beiträge sind der Pflege durch Kinder sowie Angehörige gewidmet. Den Schwerpunkt jedoch bildet der vorherrschende Fall der Versorgung am Lebensende. Zu diesem Kapitel gehören Überlegungen zur Palliativversorgung und zum Konzept des Advance Care Planning (ACP), das pflegebedürftigen Menschen selbstbestimmte Lösungen zum Lebensende ermöglichen soll. Neben der erwähnten Befragung von Pflegekräften stützt sich die Analyse auf Abrechnungsdaten der AOK.
Die hohe Einweisungsrate von Pflegeheimbewohn*innen (56 %, s.o.) nimmt im internationalen Vergleich einen Spitzenwert ein. Dabei hätte es den Forschenden zufolge zu mehr als jeder dritten Einweisung (38,4 %) nicht kommen brauchen. Messlatte ist die Klassifikation der „Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfälle“ (PSK), zum Beispiel Herzinsuffizienz, Dehydration, Harnwegsinfektionen, COPD und Diabetes. „Die Analyse der PSK-Fälle liefert dabei Anhaltspunkte, ob die Behandlung potenziell auch im Pflegeheim möglich gewesen wäre“, erklärt Dr. Antje Schwinger, Mitherausgeberin des Pflege-Reports. Zugleich stellt sie klar: „Keine Frage: Wenn eine im Pflegeheim nicht durchführbare Behandlung medizinisch geboten ist und gewünscht wird, führt meist kein Weg am Krankenhaus vorbei. Anders sieht es aus, wenn Menschen kurz vor ihrem Ableben auch im Pflegeheim gut betreut werden könnten und dies auch wollen.“
Einen wertvollen Beitrag zur Frage unnötiger Klinikeinweisungen über die Erfassung von Routinedaten hinaus liefert die Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzkräften. Mehr als 20 Prozent (22,1 %) gibt an, mehrmals wöchentlich oder monatlich beobachtet zu haben, dass Heimbewohnende gegen ihr Interesse in eine Klinik eingewiesen wurden. Interessant ist die Einschätzung, dass die Entscheidung für belastende und lebensverlängernde Behandlungen häufig auf Druck der Angehörigen zurückgeht, „obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte.“
Eine Klinikverlegung von alten, multimorbiden Menschen in ihren letzten Lebenswochen birgt ein hohes Risiko für kognitive Verschlechterung, Infektionen, Stürze und nachhaltige Belastungen durch Immobilität. Folglich ist die Vermeidung unnötiger Hospitalisierungen sehr wichtig. Dazu liefert der Report vier Ansätze:
Der Pflegereport2022 untermauert die Diskussion um unnötige Hospitalisierungen mit aktuellen Fakten und Zahlen. Zuallerst verlangt das Recht auf menschenwürdiges Ableben, sich diesem Befund und den angesprochenen Maßnahmen ehrlich zu stellen, damit Pflegebedürftige am Lebensende wunschgemäß in ihrer vertrauten Heimumgebung sterben können. Darüber hinaus ist es auch wirtschaftlich sinnvoll, alle Möglichkeiten der bestmöglichen Versorgung auszuschöpfen.
Klaus Jacobs / Adelheid Kuhlmey / Stefan Greß u.a., Hg.:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Pflege-Report 2022. Spezielle Versorgungslagen in der Langzeitpflege, Springer 2022, Berlin, 319 Seiten
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