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Professionelles Immobilienmanagement fristet in der Sozialwirtschaft oft ein Schattendasein. Kerngeschäft ist der Betrieb eines Altenheims, Kindergartens oder Krankenhauses, während das Gebäude nur als Mittel zum Zweck rangiert. Eine häufig dem Tagesgeschäft geschuldete, dem Unternehmenserfolg jedoch abträgliche Sichtweise, begründet die Bank für Sozialwirtschaft (BFS) in ihrem aktuellen Report „Erfolgsfaktor Immobilienstrategie in der Sozialwirtschaft“. Wie der Immobilienbestand zu einem wesentlichen Faktor der Wertschöpfung wird, erläutert Anja Mandelkow, Leiterin Projektberatung Sozialimmobilien bei der BFS, im Gespräch mit der Trendinfo-Redaktion.
Anja Mandelkow: Professionelles Immobilienmanagement bedeutet, jederzeit verlässlich abschätzen zu können, was immobilienseitig zu tun ist, um die Ziele des Unternehmens zu unterstützen oder neue Ziele zu ermöglichen. Die Basis dafür bildet das Corporate Real Estate Management, kurz CREM genannt.
Ein CREM ist die Voraussetzung dafür, dass betriebsnotwendige Immobilienaktivitäten strategisch, proaktiv, auf Qualitätsprinzipien basierend und mit hoher Effizienz stattfinden. Jede Unternehmensstrategie sollte auch eine Immobilienstrategie umfassen. Unternehmen, deren Kerngeschäft nicht der Immobilienwirtschaft zuzuordnen ist – wie bei vielen Trägern der Sozial- und Gesundheitswirtschaft – sollten das CREM für ihre Immobilien unbedingt zu einer strategischen Führungsaufgabe machen. Ein CREM-Konzept ist nie von der Stange, es muss immer individuell für das Unternehmen entwickelt werden.
Im Tagesgeschäft der allermeisten Träger der Sozial- und Gesundheitswirtschaft spielen die Immobilien keine primär fokussierte Rolle. Das ist insofern nachvollziehbar, als Immobilien nicht der eigentliche Unternehmenszweck sind. Die Realität ist aber auch, dass die Immobilien die Grundlage für den Betrieb bilden. Diese Erkenntnis drängt sich oft erst dann in den Vordergrund, wenn es zu Beeinträchtigungen in den Betriebsabläufen kommt, die Immobilie nicht mehr den Anforderungen von Bewohnern bzw. Patienten sowie Mitarbeitenden genügt oder gegen neue behördliche Vorschriften verstößt. Eine damit einhergehende Krise kann sich langsam anbahnen oder plötzlich auftreten. Passen tut sie nie. Dagegen ist eine Immobilienstrategie ein bedeutender Wettbewerbsvorteil.
Hier sind meines Erachtens vier Aspekte maßgeblich: Zuallererst geht es darum, die Immobilie als Produktionsfaktor zu verstehen – als ein sehr wichtiges Werkzeug, um die eigentliche Aufgabe des Unternehmens zu erfüllen.
Zweitens muss sich die Immobilienstrategie in die Unternehmensstrategie einfügen und die Frage beantworten: Wie müssen meine Immobilien beschaffen sein, damit ich meine unternehmerischen Ziele erreiche?
Drittens sollten alle Immobilien und Grundstücke baulich, bautechnisch, wirtschaftlich sowie hinsichtlich ihrer Potenziale, Beleihbarkeit und Machbarkeit erfasst werden. Die perspektivischen Flächenanforderungen sollten ebenso ermittelt werden.
Als vierter Schritt empfiehlt sich, einen Maßnahmenplan für die kommenden Jahre zu entwickeln. Das beinhaltet die Instandhaltungsplanung, die Sanierungs- und Erweiterungsplanung, die Finanzmittelplanung, die Planung der Flächenkonsolidierung, die Umsetzungsplanung – fachlich und zeitlich – und auch die (De-) Investitionsplanung. Einige Kunden von uns nennen das gerne ihre „Projektskizze 2030“. Ich finde, das fasst es super zusammen.
Wir haben für einen Träger aus der Eingliederungshilfe die zuvor genannten Schritte: Immobilienstrategie, Bestandsaufnahme (hier 15 Objekte) und Maßnahmenplan erarbeitet. Das Ergebnis ist vor allem deswegen in meiner Erinnerung, da alle 15 Immobilien gegenseitig in den Grundbüchern für die jeweils aufgenommenen Darlehen hafteten. Es war sehr schwierig, die Darlehen verursachungsgerecht den Objekten zuzuordnen, um die Immobilienwirtschaftlichkeit jedes Objektes gesondert prüfen zu können. Umso mehr, als die Hausbank des Kunden sich hierbei wenig kooperativ zeigte. Darüber hinaus kam der Träger aufgrund seiner Größe dort mittlerweile an seine Kreditobergrenzen. Es wurde deutlich, dass die aktuelle Finanzierungssituation nicht zur Strategie des Trägers passt. Neben den anstehenden Sanierungen identifizierten wir ein Objekt, das verkauft werden sollte, um das Eigenkapital für die geplanten Investitionen zu erwirtschaften. Darüber hinaus begleiteten wir den Hausbankwechsel und die sukzessive Ablösung der Darlehen mit einem Mehrjahresplan. Derzeit laufen die Sanierungen, das eine Objekt ist verkauft. Dieser Beratungsfall hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die richtigen Partner für die Unternehmens- und Immobilienstrategie zu haben.
Das Thema Nachhaltigkeit erfordert mittlerweile auch für Sozial- und Gesundheitsimmobilien auf vielen Ebenen eine Reflektion: Nachhaltigkeit bedeutet neben dem Thema Energieverbrauch und der sozialen Infrastruktur vor allem auch gesunde Mitarbeitende, Inklusion, bezahlbaren Wohnraum, Klimaschutz, Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, einen ressourcenschonenden Umgang im Alltag und einiges mehr. Zu diesen Themen müssen Investoren und Kreditinstitute inzwischen die ihren Entscheidungen zugrunde liegenden Kriterien dokumentieren, wenn sie in Immobilien investieren oder diese finanzieren möchten. Wer also für seine immobilienstrategische Weiterentwicklung einen Investor als Partner benötigt oder sein Eigen- mit Fremdkapital ergänzen muss, wird um das Thema nicht mehr herumkommen.
Das CREM sowie strategische Entscheidungen sind fast immer in den Händen der eigenen Fach- oder Führungskräfte. Bei den sozial- und gesundheitswirtschaftlichen Unternehmen stellen wir allerdings unterschiedlich leistungsfähige Strukturen und unterschiedliches Know-how fest. Regelmäßig ist bei kleineren Trägern kein festes CREM-Budget vorhanden oder das Wissen um die Vorteile fehlt noch.
In meiner täglichen Arbeit erlebe ich oft, dass sich kleinere Träger eigentlich gar nicht mit der Immobilie beschäftigen wollen. Ihr Fokus liegt auf dem Betrieb. Die Trennung von Betrieb und Immobilie ist jedoch oftmals ein sehr schwieriges Thema. Dabei gibt es für fast jeden Betreiber den passenden Investor. An Ende ist es wichtig, die richtigen Partner zusammenzubringen, die möglichen Potenziale zu nutzen und die Versorgung der Menschen sowie die Arbeitsplätze langfristig an diesem Standort sicherzustellen.
Diese Auffassung teile ich auf jeden Fall. Andere Branchen sind bei diesem Thema bereits viel weiter. Trotzdem muss man berücksichtigen, dass die Themen CREM, Immobilienstrategie und Immobilienmanagement noch verhältnismäßig jung sind. Viele Berufe und Studiengänge rund um dieses Thema sind erst vor 5-15 Jahren entstanden. Dennoch erkennen immer mehr Unternehmen die Vorteile und passen sich an.
Ich schätze es sehr, wie veränderungs- und entwicklungsbereit viele Träger der Sozial- und Gesundheitswirtschaft sind. In den letzten 20 Jahren zeigte sich die Gesetzgebung sehr dynamisch. Das wird vermutlich so bleiben, so dass der Anpassungsdruck an alle sich verändernden Rahmenbedingungen nicht weniger werden wird.
BFS-Report „Erfolgsfaktor Immobilienstrategien in der Sozialwirtschaft“, Köln, Juli 2021
www.sozialbank.de/news-events/publikationen/bfs-marktreports
Kongress der Sozialwirtschaft, 31. März – 1. April 2022
Im Vortrag „Erfolgsfaktor betriebliches Immobilienmanagement“ zeigt Anja Mandelkow, Leiterin Projektberatung Sozialimmobilien bei der BFS Service GmbH, wie gemeinnützige Unternehmen eine optimale Bewirtschaftung ihrer Immobilien strategisch gestalten können.
Weitere Informationen und Anmeldung:
www.sozkon.de
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