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Mal eben schnell die Welt retten? Wohl eher nicht. Die Welt ein bisschen besser machen, das schon. Mehr als 1.700 Sozialunternehmer tüfteln hierzulande an Geschäftsideen, die gesellschaftliche Probleme lösen sollen, aber nicht ins Raster kapitalistischen Profitstrebens passen. Würden diese Innovationen gezielt genutzt und in bestehende Systeme integriert, ergäbe sich ein wirtschaftlicher Nutzen mit Milliardenpotenzial, kalkuliert eine gemeinsame Studie der Unternehmensberatung McKinsey und der Non-Profit-Organisation Ashoka.
Sozialunternehmer oder Social Entrepreneurs können vor allem in Zeiten großer Umbrüche richtungsweisende Impulse geben. „Sie lindern nicht nur Symptome gesellschaftlicher Probleme, sie beheben Ursachen“, heißt es in der Studie. Klimaverträgliche Verkehrs- und Energiepolitik, umweltfreundliches Wirtschaften oder der digitale Umbau der Arbeitswelt – Herausforderungen dieser Größe verlangen grundlegend neue Lösungsansätze. Die Lust am gesellschaftlichen Wandel ist unverzichtbarer Antrieb sozialen Unternehmertums, muss sich aber auch ökonomisch beweisen. Das gelingt in unterschiedlichem Maße: Die Initiativen leben nicht nur vom Geschäft mit ihrer Zielgruppe, sondern von staatlichen Leistungsentgelten und Zuschüssen, von Stiftungsgeldern und Spenden.
Die Idee, reformerisches Engagement und Unternehmergeist zu verbinden, liegt derzeit schwer im Trend, hat jedoch eine lange Tradition. Einer ihrer Pioniere ist Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888). Die von ihm gegründete Genossenschaftsbewegung ermöglichte armen Bauern den günstigen Gemeinschaftseinkauf von Saatgut und Dünger. Ein weiterer Wegbereiter ist Ernst Abbe (1840-1905). Der Inhaber der Carl-Zeiss-Werke in Jena betrachtete den Unternehmergewinn als öffentliches Gut, das dem Gemeinwohl zu dienen habe. Er führte den Acht-Stunden-Tag ein und überführte das Optik-Unternehmen 1896 in eine Stiftung. In unserer Zeit verschaffte der indische Banker Muhammed Yunus der Idee gemeinwohlorientierten Wirtschaftens neuen Auftrieb: Die nach seinen Vorstellungen vergebenen Mikro-Kredite dienten armen Menschen zur Existenzgründung.
Was leisten Sozialunternehmen heute, was hindert und was fördert sie? Das stellt die aktuelle Studie anhand von Interviews mit Ashoka-Fellows, Partnern und Förderern heraus. Vier ausgewählte Beispiele dieser Unternehmen verdeutlichen deren gesellschaftlichen Nutzen und wirtschaftliches Potenzial.
So kreativ die Geschäftsidee, so beachtlich der Geschäftsverlauf, das eigentliche Ziel – das zugrunde liegende Problem „großflächig in das bestehende System zu skalieren“ und die hochgerechneten Kosten- bzw. Gewinnvorteile zu realisieren – bleibt noch unerreicht. Die Studie nennt dafür mehrere Gründe.
Erstens die starre Förderkultur. Stiftungen, Banken, öffentliche Institutionen und andere Geldgeber sollten ihre Mittelzusagen eher lang- als kurzfristig an „bestimmte Meilensteine der systemischen Wirkung“ binden. Zweitens sollten die beteiligten Partner, etwa kommunale Verwaltungen, Wohlfahrts- und Wirtschaftsverbände, Krankenkassen und Hochschulen, enger untereinander kooperieren. Laborversuche und Testläufe könnten schon im Anfangsstadium Fehlentwicklungen ausmerzen und Nachjustierungen anstoßen. Drittens sind Sozialunternehmen gut beraten, ihr Geschäftsmodell und ihre Managementfähigkeiten regelmäßig selbstkritisch zu hinterfragen, gaben die Interviewpartner für die Studie zu Protokoll. Manches Unternehmen muss professioneller werden, Nutzen und Erfolgsaussichten des eigenen Geschäftsmodells transparent kalkulieren und selbstbewusst nach außen kommunizieren.
Wenn aus klein systemisch wird. Das Milliardenpotenzial sozialer Innovationen, McKinsey & Company und Ashoka Deutschland, 2019, 38 Seiten, Download
Die beschriebenen Sozialunternehmen:
Pflege
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