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Gerne trumpfen Kliniken öffentlich mit modernsten Operationstechniken und Behandlungsmethoden für ihre Patienten auf. Weit zurückhaltender sind sie im Einsatz sozialer Medien, vor allem im Personalmarketing. Dabei stellt der akute Fachkräfteengpass viele Häuser vor echte Probleme. Not macht erfinderisch – nach dieser Devise nutzen das Krankenhaus Porz am Rhein und das Klinikum Dortmund den Messenger WhatsApp zur direkten Ansprache des jungen Zielpublikums.
Bei der jüngsten Aktion im Krankenhaus Porz stellten sich Pflegefachkräfte aus Kinderklinik, Endoskopie, Katheterlabor, OP und Notfallambulanz eine Woche lang dem Chat mit der Öffentlichkeit. Wer dabei sein wollte, trat über eine zuvor kommunizierte Handynummer einer WhatsApp-Gruppe bei. Die Pflegeprofis gaben dort Kostproben aus ihrem Arbeitsalltag in Echtzeit: über die Erstversorgung von Kindern bei einem Notfall, den Einsatz von Strahlen-Messgeräten im OP und den Umgang mit dem Gastroskop.
„Wir wollten junge Leute direkt bei ihren Nutzervorlieben abholen“, erläutert Marc Raschke, PR-Berater und Organisator des Projekts. Mit Erfolg: 180 Teilnehmer machten mit. Einige von ihnen posteten noch nach dem Ende der Aktion interessierte Fragen, andere schickten Ihre komplette Bewerbung ein. Hat die klassische Stellenanzeige in der Zeitung also ausgedient? „Nein“, sagt Raschke, sie sei aber nicht mehr das einzige Medium im Personalmarketing, schon gar nicht bei jungen Leuten.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Porzer Krankenhaus mit einer WhatsApp-Dialogwoche erste Erfahrungen gesammelt. Unter dem Motto „Berufswelt Schnuppern 2.0“ gaben fünf Experten des Hauses Live-Einblicke in ihr Arbeitsleben, darunter der Chefarzt der Kardiologie, ein Assistenzarzt der Radiologie und eine Hebamme aus der Geburtshilfe. Das geschah mittels Bildern, Videos, Audio-Dateien und kurzen Erklärungen; außerdem wurden Fragen und Kommentare der User beantwortet.
Dramatische Höhepunkte des Chatverlaufs: eine Zwillingsgeburt, ein Herznotfall und eine Operation. Eine achte Realschul-Klasse machte im Rahmen ihrer Berufsvorbereitung mit. „Im Unterricht haben wir die Aktion live mitverfolgt, haben gemeinsam Fachbegriffe erklärt und über die verschiedenen Tätigkeiten nachgedacht“, berichtete die Klassenlehrerin der Lokalpresse. Die WhatsApp-Aktion bescherte den Porzern nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit, sondern auch den „Personalmanagement Award 2017“ in der Kategorie „Öffentlicher Sektor/Non Profit“.
Auch das Klinikum Dortmund stellte sich dem WhatsApp-Chat mit Studien- und Berufseinsteigern. Die Aktion adressierte junge Leute, die sich für das Medizinstudium interessierten oder auf Stellensuche für das „Praktische Jahr“ (PJ) waren. Fünf Klinikdirektoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen, pro Tag einer, führten den digitalen Dialog. Der Plan ging auf, wie Raschke als Leiter der Unternehmenskommunikation im Dortmunder Klinikum erklärt: den direkten Draht zu Schülern und Studenten zu knüpfen und ihnen per Smartphone den Besuch von Berufsmessen zu ersparen. Auch dem Krankenhaus war es nur recht: „Die Aktion ermöglichte nahezu Echtzeit-Einblicke, für die es sonst an einem Tag der offenen Tür großen Aufwands bedarf.“
Die WhatsApp-Aktionen in Köln-Porz und Dortmund rücken den Einsatz eines Social-Media-Tools beispielhaft in den Blick. Ein weites Feld, das viel zu wenig beackert wird, wundert sich Raschke. „Viele Häuser tun sich heutzutage immer noch schwer damit, soziale Medien als Chance zu begreifen.“ Das sei auch ein Generationenproblem. Viele Entscheider in den Führungsetagen seien in ihren 50er- oder 60er-Jahren und hätten daher eher wenig Erfahrung mit sozialen Medien. Könnte die Abneigung gegen Social Media auch etwas mit der einhergehenden Dezentralisierung und Spontaneität der Öffentlichkeitsarbeit zu tun haben? Ein Motiv, das Raschke nicht gelten lässt: „Heutzutage lässt sich professionelle Kommunikation nicht mehr komplett steuern. Was zählt, sind Kontaktangebote ans Publikum. Besser man spricht mit uns als über uns.“
Social Media bedarf einer stimmigen Strategie, um beim Zielpublikum anzukommen. WhatsApp, YouTube, Facebook & Co. – wichtig ist das Zusammenwirken aller Kanäle zu einem konzertierten Dialog. So unterhält das Klinikum Dortmund dauerhalt drei WhatsApp-Kanäle für PJ-ler, Studierende und allgemein Interessierte. Zugleich wirbt das Klinikum mit einem originellen YouTube-Video um junge Ärzte und Pflegefachkräfte: OP-typische Geräusche lassen die gezeigten Szenen im Rhythmus von Teamarbeit erklingen.
Das Krankenhaus Porz öffnet sich den Bürgern per Facebook, Instagram und YouTube. „Es gilt immer, Möglichkeiten und Grenzen jedes einzelnen Kanals klug zu kalkulieren“, gibt Raschke zu bedenken. Das bedeute etwa, WhatsApp sparsam und nur für relevante Informationen zu nutzen, schließlich sei es ein sehr privates Medium: „Eine Flut unbedachter Postings löst nur Abwehr aus.“
Raschke widerspricht der verbreiteten Annahme, Social Media könne „mal eben“ von Berufsanfängern auf die Beine gestellt werden. „Jeder im Team sollte wissen, wie Social Media funktioniert. Man muss Social Media denken.“ Auch junges Alter stehe nicht per se für Professionalität: „Nur weil ich gerne fernsehe, bin ich noch kein guter Filmemacher.“
Was kostet eine WhatsApp-Aktion? Eher wenig. Auch der zeitliche Aufwand ist überschaubar: Bei beiden Krankenhäusern waren es jeweils fünf Chat-Stunden pro Woche. Wichtigste Voraussetzung sind engagierte Mitarbeiter, die sich kompetent beteiligen“, sagt Raschke, „und davon gibt es ziemlich viele.“
Lesen Sie zum Thema das folgende Interview mit Social-Media-Expertin Prof. Dr. Anja Lüthy:Social Media im Krankenhaus: Wie ist der aktuelle Stand, was kommt auf die Branche zu?
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