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Wenn Zora loslegt, wird’s lebhaft im Krankenzimmer. Die Roboterdame tanzt im Gangnam-Style, erzählt Star-Wars-Geschichten und gibt mit freundlicher Stimme präzise Gymnastikanweisungen: „Linkes Bein strecken, rechtes Bein...“ Ein menschenähnlicher Automat, 59 Zentimeter groß, mit eingebautem Mikrofon und Lautsprecher. Zora hat ihre Wirkungsstätte im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel und ist der erste humanoide Roboter an einer deutschen Kinderklinik. Ein zweites Exemplar soll in Lübeck aktiv werden.
„Die Digitalisierung bietet großartige Möglichkeiten für Innovationen in der Medizin“, sagte Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH bei der öffentlichen Präsentation. „Ob robotergestützte OPs, Telemedizin, digitale Patientenakten oder dieses sehr spannende Zora-Projekt in der Kinderklinik – das UKSH möchte eine Vorreiterrolle einnehmen.“ Welche Rolle Zora dabei einnimmt, wollen Ärzte und Therapeuten noch im Detail herausfinden.
Zunächst bringt der agile Roboter Spaß und Motivation in den Krankenhausalltag der jungen Patienten. Um Berührungsängste abzubauen, begleitet Zora die Klinikclowns bei der Visite. Doch entscheidend ist das Potenzial, Patienten und Pflegepersonal therapeutisch zu unterstützen. Zora hat 30 Bewegungsübungen im Programm, kann an die Medikamenteneinnahme erinnern sowie Termine und Informationen kommunizieren. Die Klinikleitung prüft darüber hinaus Zoras Eignung für ein spezielles Autismus-Projekt: Da es betroffenen Kindern leichter fällt, mit Gegenständen zu kommunizieren, macht der elektronische Geselle möglicherweise eine gute Figur als therapeutischer Helfer.
Weiterhin könnte sich Zora in der Therapie von Patienten der Neurogeriatrie und von Demenzkranken nützlich machen, hofft die Klinikleitung. Neue Wege der Kommunikation eröffnen sich auch in der Behandlung von Flüchtlingskindern. Neben Deutsch spricht Zora fünf weitere Sprachen, Türkisch und Arabisch sind in Vorbereitung. So könnte sie den kleinen Patienten Geschichten in ihre Muttersprache erzählen oder als Übersetzer arbeiten. Trotz dieser vielfältigen Szenarien soll der Roboter das Fachpersonal lediglich unterstützen. „Keine Maschine kann qualifiziertes Personal ersetzen“, erklärt Klinikdirektor Prof. Dr. Ulrich Stephani und tritt damit Befürchtungen vom Verlust von Menschlichkeit und Arbeitsplätzen in der Pflege entgegen.
Weltweit tun bereits 400 Zora-Exemplare Dienst. „Für den Einsatz von Zora sind keine Programmier- oder besondere Computerkenntnisse notwendig“, erklärt Werner Haas, Geschäftsführer der Firma HCS Computertechnologie GmbH als deutscher Partner des belgischen Unternehmens Zora Robotics. „Die Oberfläche ist sehr intuitiv gestaltet, sodass die Mitarbeiter den Roboter bereits nach einer kurzen Schulung im Alltag einsetzen können.“
In japanischen Krankenhäusern helfen Roboter schon länger, Patienten aus dem Bett zu heben. Auch im hiesigen Gesundheitswesen, sind sich Experten einig, werden die elektronischen Wesen in den kommenden Jahren vermehrt eingesetzt. Mehrere Forschungsprojekte widmen sich dem Thema. Aktuell sorgt der Pflegeroboter Pepper an der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) für Aufsehen, weil er bei seinem Gegenüber Emotionen wahrnehmen und entsprechend reagieren kann. Speziell für die stationäre Pflege untersuchte das vom Bundesbildungsministerium (BMBF) geförderte Projekt WiMi-Care den Nutzen von Robotik-Assistenz. In einem weiteren Vorhaben will die AWO Erfurt in Kürze die Nutzerakzeptanz von Robotern im betreuten Wohnen testen.
Selbst wenn sich Kollege Roboter als Multitalent erweist, als digitaler Dienstleister ist er auch nur Teil des großen Ganzen, erklärt Dr. Stefan Goetze, Experte für assistive Systeme am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg gegenüber der BFS-Trendinfo-Redaktion: „Roboter sind für uns nur eine Dimension. Wir sprechen von intelligenten assistiven Gesamtsystemen, z. B. für Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen. Für uns ist der ‘niedliche‘ Roboter wichtig zur Motivation und für die Erzeugung von Aufmerksamkeit. Technisch gesehen ist er aber nur ein Bestandteil einer übergreifenden technischen Plattform. Denn auch das Bett, der Nachtschrank und die Beleuchtung können in das Assistenzsystem integriert sein.“
Womit ein Pfad in die digitale Zukunft umrissen wäre. Entscheidend ist nicht der eine Roboter, der alles kann, sondern das intelligent unterstützte Zusammenspiel von Arzt, Therapeut und Patient. Wichtige Voraussetzung sind barrierefreier Zugang und intuitive Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die Systeme müssen selbstlernend, vorausschauend und berührungslos zu bedienen sein. „Dafür schaffen wir die Voraussetzungen beim Design der Mensch-Maschine-Schnittstelle, zum Beispiel mit der automatischen Sprachsteuerung und Spracherkennung“, nennt Goetze einen zentralen Forschungsbereich.
Zora kann’s nur recht sein: Gegen technologische Fortbildung hat die Roboter-Dame bestimmt nichts einzuwenden.
Weitere Informationen:
www.uksh.de/170714_pi_roboter_zora.html
www.ald.softbankrobotics.com/en/robots/nao
www.technik-zum-menschen-bringen.de/projekte/sympartner
www.altenheim.net/Infopool/Nachrichten/Assistenzroboter-fuer-Pflegeheime-vorgestellt
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