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Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht er explizit drin: der Präventive Hausbesuch (PHB). Er soll künftig aus Mitteln des Präventionsgesetzes gefördert werden. Welche Wirkung diese Form der proaktiven Beratung entfalten kann, zeigt das dreijährige Modellprojekt „PräSenZ“. Rund 700 Seniorinnen und Senioren in drei Modellkommunen wurden – teils mehrfach – von Beraterinnen aufgesucht und über Themen wie selbstständige Lebensführung und Gesunderhaltung informiert. Die Ergebnisse hat das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) jetzt vorgestellt. Fazit von dip-Chef Frank Weidner: „Präventive Hausbesuche können dazu beitragen, Nachfragen und Angebote vor Ort viel besser aufeinander abzustimmen.“
„PräSenZ“ steht für „Prävention für Senioren Zuhause“. Das Modellprojekt fand von 2014 bis 2017 in drei Kommunen in Baden-Württemberg statt – der Gemeinde Neuweiler, der Stadt Rheinfelden und im Stadtkreis Ulm. Projektträger war das dip. Das Landessozialministerium und die Pflegekassen unterstützten das Vorhaben mit jeweils 400.000 Euro.
Ein Ziel von PräSenZ war es, ältere Menschen über wohnortnahe Angebote zur Unterstützung zu informieren und sie für die eigene Gesundheit und mögliche Risiken im Alter zu sensibilisieren. Das Themenspektrum reichte von Prävention und Vorsorge über Pflegebedürftigkeit und Teilhabe bis hin zu Kontaktaufnahmen mit Ämtern und Versicherungen. Die Beraterinnen fungierten dabei als Ansprechpartner der Kommune für die Senioren und bauten zugleich Brücken für die älteren Menschen in ganz verschiedene Bereiche hinein. So informierten sie nicht nur, sondern loteten auch Ressourcen und Bedürfnisse der Senioren aus. Bestehende gesundheitliche Bedrohungen konnten so frühzeitig erkannt und die Betroffenen ins Hilfe- und Unterstützungssystem übergeleitet werden. Einen weiteren Vorteil beschreibt die Modellkommune Rheinfelden: „Im Projektzeitraum von PräSenZ konnten wir auch eine Vernetzungskultur unter den Akteuren im Gesundheits- und Sozialbereich etablieren.“
Bei der Auswertung des Modellprojekts stellte sich heraus, dass bei den meisten Seniorinnen und Senioren subjektiv zunächst kein Beratungsbedarf bestand. Das änderte sich aber durch das Beratungsgespräch: Viele gaben danach an, neue Angebote in der Kommune kennengelernt zu haben – vom Strick-Café über Tagespflege, Nachbarschaftsverein, Haushaltshilfe, Betreuungsmöglichkeiten bis hin zu Seniorentreffen und Gymnastikgruppen.
Der Schwerpunkt der Beratungen lag dabei in allen drei Modellkommunen im Themenblock „gesundheitliche Situation/medizinische und pflegerische Versorgung“, gefolgt von den Themen „psychosoziale Situation“ und „hauswirtschaftliche Hilfen/Nachbarschaftshilfen/Ehrenamt“. Deutlich weniger gefragt waren „Angehörigenpflege und -erkrankung“ oder „Demenz/Gedächtnis“.
Als positiv werteten die Befragten, dass sie nun wüssten, an wen sie sich bei Fragen wenden könnten – also einen Ansprechpartner in der Kommune haben. Insgesamt nahmen die Teilnehmer das Interesse der Kommunen am Wohlergehen der älteren Bevölkerung als „kümmernde Kommune“ wahr. „Dies trägt zum Imagegewinn für die Kommunen bei“, so das dip – was auch diese Bemerkung eines der Befragten zum Ausdruck bringt: „Sehr gut, das zeigt, dass Alte nicht egal sind“.
Für Kommunen, die das Konzept Präventive Hausbesuche etablieren möchten, hat das dip eine Handreichung zusammengestellt, die einen guten Überblick über Voraussetzungen und die einzelnen Schritte der Umsetzung gibt. So wird ein Zeitraum von rund drei Jahren für die Konzipierung und Durchführung empfohlen. A und O sind qualifizierte Beratungskräfte, die idealerweise aus der Pflege und/oder der Sozialen Arbeit kommen und sich vor Ort gut auskennen. Sie sollten zusätzlich eine gesonderte Schulung zum PHB durchlaufen, die etwa 60 Stunden umfasst. Die ersten Hausbesuche dauerten in den Modellkommunen durchschnittlich zwischen ein und zwei Stunden, die Folgebesuche nur noch etwa eine Stunde. Beratungen am Telefon oder in den Büros der Beraterinnen waren deutlich kürzer.
Offen bleibt die Kostenfrage – denn aktuell werden Präventive Hausbesuche hierzulande noch nicht regelhaft finanziert. Zwar ist die Förderung der PHB im Koalitionsvertrag enthalten, aber wie dies genau umgesetzt werden soll, steht noch nicht fest. Es gibt jedoch Kommunen, die Präventive Hausbesuche bereits regelhaft anbieten und aus kommunalen Mitteln für die Seniorenarbeit finanzieren wie beispielsweise Siegen-Wittgenstein.
Für die Projektverantwortlichen steht fest: Das PräSenZ-Konzept ist eine Erfolgsgeschichte und sollte künftig regelhaft in Kommunen eingesetzt werden. Zwar habe es zu Anfang auch Skepsis gegeben, räumt dip-Chef Weidner ein. „Aber wir konnten mit PräSenZ zeigen, dass sich eine gezielte und gut vernetzte präventive und aufsuchende Arbeit mit und für Senioren in der Verantwortung von Kommunen für alle Beteiligten lohnt.“
Die Selbstständigkeit im Alter sei gezielt gestärkt worden, so das Fazit der Projektverantwortlichen. Ehrenamtlich engagierte Menschen wurden gewonnen, in der Modellkommune Neuweiler entstand aus dem Projekt heraus sogar eine bürgerschaftlich getragene Tagespflegeeinrichtung. Ein finanzieller Nutzen werde sich nicht nur für die Kommunen, sondern auch für die Kranken- bzw. Pflegekassen ergeben, sind die Projektverantwortlichen überzeugt: Wenn ältere Menschen länger in der eigenen Häuslichkeit in der Kommune leben könnten, statt in ein Pflegeheim übersiedeln zu müssen, spare dies Kommunen und Pflegekassen Kosten.
Präsenz – Prävention für Senioren Zuhause
Abschlussbericht des Modellvorhabens „PräSenZ“ in Baden-Württemberg (2014-2017), Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip), Köln 2018. Download
Handreichung für Kommunen,
Download
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