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Sie sind „Magnet“, „Nachholer“ oder „Gestalter“ – eine Studie der Bertelsmann Stiftung charakterisiert deutsche Städte nach ihren Erfahrungen mit migrationsbedingter kultureller Vielfalt. Frankfurt, eine „Magnet“-Metropole, blickt auf eine lange Geschichte der Einwanderung und Integration zurück. Dresden, eine Stadt des Typs „Nachholer“, steckt mitten drin im Prozess soziokultureller Öffnung. Die Studie zeigt auf, wie unterschiedlich die Erfahrungen mit kultureller Vielfalt in deutschen Kommunen sind und wie diese damit umgehen.
Jobangebote, Bildungs- und Forschungsstätten locken Neubürger in die Städte, Berufspendler und der Tourismus sorgen für Bewegung. In Deutschland leben 18 Millionen Menschen mit migrantischer Biografie – viele zieht es in die Städte. Seit dem großen Zustrom geflüchteter Menschen ab 2015 wurden auch solche Kommunen mit Einwanderung und Vielfalt konfrontiert, die bisher nur wenig Erfahrung damit hatten. Kurzum, die gesellschaftlichen Auswirkungen der Moderne mit ihren sozialen Umbrüchen manifestieren sich in der Stadt besonders deutlich. Hier sorgen sie für seismografische Veränderungen, können mustergültige Lösungen anstoßen oder auch scheitern.
Vorliegende Studie, vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin für die Bertelsmann Stiftung erarbeitet, thematisiert sechs Stadttypen hinsichtlich ihres Umgangs mit kultureller und ethnischer Pluralität: von weitgehend homogenen Klein- und Mittelstädten bis zu hochgradig diversen Großstädten.
Magnet: stark wachsende, prosperierende Metropolen mit hohem Migrantenanteil, starkem Servicesektor, lebendigem Tourismus und gezielter Integrationspolitik. Beispiel: Frankfurt/Main (51 % Migrantenanteil).
Solide: Großstädtische Zentren mit gewachsener industrieller Struktur, großem Wirtschaftspotenzial, stark durch „Gastarbeiter“ geprägt, lange Erfahrung im Umgang mit Zuwanderung. Beispiel: Stuttgart.
Ambivalent: Große strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Stadttypus „Solide“, doch mit geringerem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Beispiel: Bremen.
Nachholer: Großstädte mit geringem migrantischen Bevölkerungsanteil, aber Zuzug verschiedener Mobilitätstypen, dazu ein dienstleistungs- und bildungsorientierter Arbeitsmarkt. Laut Studie wird die Vielfalt in diesen Städten künftig deutlich zunehmen. Beispiel: Dresden.
Gestalter: Mittelstädte mit hohem migrationsbedingten Bevölkerungsanteil und spezialisierten Wirtschaftszweigen. Integrationspolitik ist hier Teil der Stadtentwicklung. Beispiel: Germersheim in Rheinland-Pfalz (54 % Migrantenanteil).
Unerfahren: Kleinere Städte mit geringer Zuwanderung und kaum Erfahrung mit Integration. Belastende Faktoren sind wirtschaftliche Stagnation, rückläufige Einwohnerzahl, hohe Arbeitslosigkeit sowie Modernisierungsstau der baulichen und sozialen Infrastruktur. Beispiel: Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern.
Wie auch immer es im Einzelnen aussieht – Vielfalt bedarf der aktiven Gestaltung durch eine Stadtentwicklung, die sich als Integrationspolitik begreift, fordern die Autoren. Auf dem Weg dorthin gilt es gravierende Probleme anzupacken. Da ist zuerst einmal die soziale Segregation, oft überlagert von ethnischer Segregation. Wo sich Armut, prekäre Arbeitsverhältnisse und Bildungsferne konzentrieren, drohen ganze Stadtviertel in ethnisch-kulturelle Parallelwelten auseinanderzudriften. Schlecht steht es vielerorts auch um die Einbindung von Migranten in den Prozess der Stadtentwicklung (Partizipation), trotz Fortschritten bei Selbstorganisation und quartiersbezogenen Aktivitäten. Schließlich wirft die Zunahme religiöser Pluralität Probleme auf – mit verschärftem Konfliktpotenzial.
Es geht nicht nur um den Zusammenhalt in einer heterogenen Stadtgesellschaft. Auch im Wettbewerb um Fachkräfte aus aller Welt haben jene Kommunen größte Chancen, die ethnische und kulturelle Vielfalt gestaltend aufgreifen, so das Resümee der Autoren. Dazu empfehlen sie folgende Handlungsansätze:
„Stadtluft macht frei“, so hieß es früher, heute sind Städte Spiegelbild, Werkstatt und Katalysator des demografischen Wandels. Dieser Befund verlangt planvolle Gestaltung, damit Einheimische, Eingebürgerte und Neuankommende zum Miteinander finden. Entscheidend sind die sozioökonomischen Strukturen der jeweiligen Kommune, die Erfahrungen mit Vielfalt und die daraus gezogenen Konsequenzen, verdeutlicht die Studie. „Wirtschaftlich boomende Großstädte ziehen mehr Einwanderer an und stellen sich aktiv auf ihre vielfältige Einwohnerschaft ein.“ In klarem Gegensatz dazu stünden schrumpfende Städte in ökonomisch schwieriger Situation. „Hier fehlen in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft oft Ressourcen, Erfahrungen und auch die Bereitschaft, sich auf Vielfalt einzulassen.“ Die Verantwortlichen sind gefordert, den Wandel in seiner Tragweite zu erkennen und adäquate Handlungsstrategien zu entwerfen, mahnt die Studie an.
Felicitas Hillmann / Hendrikje Alpermann, Kulturelle Vielfalt in Städten. Fakten-Positionen–Strategien, hg. von der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2018, 132 Seiten
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