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In guter Nachbarschaft zuhause sein, das will Wohl jeder. Dazu braucht es Orte der Begegnung, der gegenseitigen Unterstützung und des persönlichen Engagements. Doch wie gelingt das soziale Miteinander in Nachbarschaften und Quartieren, was leisten sie für das Zusammenleben vor Ort? Diesen Fragen geht eine Studie des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) nach. Unter dem titelgebenden Anspruch „Begegnung schaffen“ untersucht sie Möglichkeiten, Grenzen und Fallstricke, aber auch Erfolgsfaktoren quartiersbezogener Begegnungsarbeit.
Im Fokus der Untersuchung stehen öffentliche und halböffentliche Einrichtungen wie Quartiers- und Familienzentren, Mehrgenerationenhäuser, Gemeinschaftsgärten, Integrationstreffs sowie Schulen und Kitas mit Begegnungsfunktion. Vier Fallstudien zu ausgewählten Quartieren (Bergheim-Quadrath-Ichendorf, Mannheim-Jungbusch, Potsdam-Drewitz, Augsburg-Oberhausen) und Steckbriefe zu 30 Einzelprojekten liefern das empirische Material. Alle Quartiere und Projekte sind stark von sozioökonomischen Veränderungsprozessen mit heterogener Bevölkerung, hoher Arbeitslosigkeit und Fluktuation geprägt.
Die Studie breitet viele Belege für den Nutzen sozialer Quartiersentwicklung aus: für den Aufbau von Kontakten und Netzwerken, für Teilhabe, Ermutigung, Selbsthilfe, lokale Verbundenheit und Ressourcentransfer. Ein Beispiel unter vielen für das große Leistungsspektrum liefert die Fallstudie zum Kultur- und Begegnungszentrum „Gleis 11“ in Quadrath-Ichendorf. In einem umgewidmeten Bahnhofsgebäude bekommen dort Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus ein regelmäßiges Stadtteilfrühstück, werden Mutter-Kind-Gruppen, Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten sowie Bildungskurse für Schülerinnen und Schüler angeboten. Hinzu kommen die Flüchtlingshilfe sowie Hobby- und Kulturangebote für die breite Bürgerschaft. Sämtliche Maßnahmen dienen einer weitgefächerten Begegnungsarbeit für den vom Strukturwandel betroffenen, sozial fragmentierten Stadtteil im rheinischen Braunkohlerevier.
Die Autor*innen resümieren zentrale Faktoren für den Erfolg von fundierter Quartiersarbeit. Manche Aspekte mögen selbstverständlich klingen, bedürfen in der komplexen Realität vor Ort aber maßgeschneiderter Lösungen. Eine Auswahl:
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint – dieses oft zitierte Tucholsky-Bonmot kann sich auch bei der Quartiersarbeit bewahrheiten. Dann nämlich, wenn Begegnungsformate zu „sozialen Schließungsprozessen“ führen, wie die Autor*innen feststellen: Homogener werdende Gruppen grenzen sich mitunter so ab, dass Kontakte nach außen unterbleiben. Unerwünschte Nebenwirkungen können sich auch dann auftun, wenn Armut und ethnisch-kulturelle Heterogenität den Streit um knappe Ressourcen im Quartier fördern.
Wesentliche Ziele und Maßnahmen konstruktiver Quartiers- und Begegnungsarbeit leiten sich aus demBund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ bzw. „Sozialer Zusammenhalt” (neuer Titel seit 2020) ab. Soziale Ungleichheit, Gentrifizierung und Ausgrenzung, Zuwanderung, Alterung und gesellschaftliche Spannungen entfalten in einzelnen Stadtteilen ihre Brisanz und müssen auch dort aufgegriffen werden. Die Studie verdeutlicht, wie sehr der spezifische Quartierskontext mit seiner sozialräumlichen Struktur – Größe des Stadtteils, Diversität, Fluktuation und soziale Fragmentierung – die Begegnungsarbeit beeinflusst.
Als verbesserungsfähig sehen die Autor*innen die Einbettung von Begegnungsansätzen in gesamtstädtische Entwicklungskonzepte. Die engere Abstimmung beteiligter Fachabteilungen untereinander, aber auch im Zusammenwirken mit Begegnungseinrichtungen und Angebotsträgern, helfe Synergieverluste zu vermeiden.
Ein weiterer Kritikpunkt gilt der Finanzierung. Zum einen sollten die Förderprogramme von Bund und Ländern für baulich-investive Maßnahmen und für die projektbezogene Finanzierung von Begegnungsangeboten effektiver aufeinander abgestimmt werden. Zum anderen hemmten die in der Regel begrenzten Förderzeiträume eine kontinuierliche, auch in der Außenwirkung verlässliche Begegnungsarbeit. Zentrale Herausforderung sei das beharrliche Navigieren durch den Dschungel der „Patchwork-Finanzierung“.
Felix Leo Matzke / Ralf Zimmer-Hegmann / Heike Hanhörster,
Begegnung schaffen. Strategien und Handlungsansätze in der sozialen Quartiersentwicklung, Hg.: Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V,. vhw-Schriftenreihe Nr. 33. Berlin 2022, 116 Seiten
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