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Wie wird sich der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland in den nächsten Jahren entwickeln? Dieser Frage ist das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nachgegangen und kommt zu keinem ermutigenden Ergebnis: So ist der Osten nicht nur – wie ganz Deutschland – vom demografischen Wandel betroffen, sondern hat zudem stark mit der Abwanderung von Arbeitskräften zu kämpfen. Zuwanderung, ob aus Westdeutschland oder dem Ausland, sei daher das Gebot der Stunde, um das Niveau der wirtschaftlichen Wertschöpfung in Ostdeutschland auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, so die Autoren des Reports.
Zwei Faktoren haben dazu geführt, dass im Osten Deutschlands heute fast eine ganze Generation fehlt: Die Halbierung der Geburtenrate in den 1990er-Jahren und die Abwanderung vieler junger Menschen. In der Gesamtbilanz sank die Bevölkerungszahl in Ostdeutschland zwischen 1990 und 2018 um rund zwei Millionen, also um fast 15 Prozent.
Zwar steigt die Geburtenrate inzwischen wieder (1,6 Geburten pro Frau), erreicht aber nicht das Niveau von 2,1 Geburten, das erforderlich wäre, damit die Bevölkerung langfristig nicht schrumpft. „Diese Generation fehlt nicht nur kurz- und mittelfristig auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch als Eltern für die nächste Generation. Es ist also absehbar, dass die Bevölkerung und die Zahl der Erwerbspersonen in Ostdeutschland ohne Zuwanderung weiter schrumpfen wird – und zwar weit schneller als in Westdeutschland“, heißt es in dem IAB-Report.
Die Autoren nennen verschiedene Möglichkeiten, dieser Herausforderung zu begegnen:
Eine geeignete Zuwanderungsregelung könnte das im Report nicht genannte Fachkräfteeinwanderungsgesetz sein, das zum 1. März 2020 in Kraft getreten ist. Es soll die Zuwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte aus Staaten außerhalb der EU (Drittstaaten) verbessern. Der neue Leitfaden „Möglichkeiten der Fachkräfteeinwanderung – Was Arbeitgeber wissen müssen" erklärt zum Beispiel alle rechtlichen Bestimmungen zur Beschäftigung von Fachkräften aus Drittstaaten. Auf der Webseite www.make-it-in-germany.com können Arbeitgeber auch eigene Stellenangebote veröffentlichen.
Das neue Gesetz soll, so die Hoffnung der Bundesregierung, jährlich rund 25.000 zusätzliche Fachkräfte und Azubis nach Deutschland locken. Kritiker bemängeln jedoch, dass es keine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsabschlüsse in Deutschland vorsieht – dabei seien gerade diese Verfahren für zuwandernde Fachkräfte wie für Arbeitgeber komplex und teuer.
Auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) will die Möglichkeiten für die Zuwanderung von Arbeitskräften fördern: In seinem kürzlich veröffentlichten Jahresgutachten 2020 nimmt er Afrika in den Blick. Deutschland solle gemeinsam mit anderen europäischen Staaten innerhalb der EU aktiv nach neuen Formen der Kooperation mit afrikanischen Staaten suchen – und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 dafür nutzen.
Der Sachverständigenrat schlägt dabei ein temporäres Arbeitsvisum gegen „Kaution“ als neuen regulären Weg nach Europa vor: Unter bestimmten Voraussetzungen sollten Arbeitskräfte aus Afrika die Möglichkeit erhalten, bei dem europäischen Staat, den sie ansteuern, Geld zu hinterlegen. Im Gegenzug können sie regulär einreisen und einen temporären Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit erhalten. Wenn sie fristgerecht ausreisen, erhalten sie dieses Geld wieder zurück.
Ein Vorschlag, der in Ostdeutschland Erinnerungen wecken dürfte: So hatte die DDR 1979 mit dem damals sozialistischen Mosambik einen Vertrag über die „zeitweilige Beschäftigung mosambikanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben“ geschlossen. Mosambik konnte so Bürger ausbilden lassen, die DDR bekam die benötigten Arbeitskräfte. Rund 21.000 Vertragsarbeiter aus Mosambik und 6.000 aus Angola kamen damals in die DDR.
Auf welchem Weg auch immer die Zuwanderung von Arbeitskräften nach Ostdeutschland gefördert wird - ohne sie wird sich der ostdeutsche Arbeitsmarkt wohl weiter abschwächen. Mit unangenehmen Folgen, wie es in dem IAB-Report heißt: Der Wohlstandsrückstand gegenüber Westdeutschland werde weiter wachsen, weil Betriebe unter Umständen schließen oder ihr Produkt- und Dienstleistungsangebot einschränken müssen, wenn sie nicht genügend Arbeitskräfte in der Region finden.
Johann Fuchs / Per Kropp / Britta Matthes, Die fehlende Generation: Ostdeutschland steht vor einer massiven demografischen Herausforderung, IAB-Forum 22. April 2020
www.iab-forum.de/die-fehlende-generation-ostdeutschland-steht-vor-einer-massiven-demografischen-herausforderung
Möglichkeiten der Fachkräfteeinwanderung – Was Arbeitgeber wissen müssen, Download
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Gemeinsam gestalten: Migration aus Afrika nach Europa – Jahresgutachten 2020
www.svr-migration.de/publikationen/jahresgutachten-2020
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