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Die Corona-Pandemie zeigt uns die radikale Veränderung unserer Arbeitswelt im Zeitraffer-Tempo. Digitaler Umbruch, ökologische Nachhaltigkeit, New Work – das sind nur einige Stichworte dieser Entwicklung. Mittendrin steht ein Ansatz der Organisationsentwicklung, der gezielt die soziale, kulturelle und ethnische Vielfalt der Belegschaft fördert – das Diversity Management. Was genau will dieses Konzept, warum wird es im Unternehmensalltag immer wichtiger? Darüber sprach die Trendinfo-Redaktion mit Canan Ulug, Mitbegründerin und Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins „Migration und Arbeitswelt“.
Canan Ulug: Der Duden übersetzt „Diversität“ mit Vielfalt. Bezogen auf die Arbeitswelt versteht man darunter die Vielfalt einer Belegschaft, etwa in Herkunft und Sprache der Mitarbeitenden, hinsichtlich ihrer physischen und psychischen Fähigkeiten, ihrer sexuelle Orientierung und ihrer kulturellen, ethnischen und religiösen Prägung. Diversity Management nimmt Vielfalt als Stärke wahr, die Verschiedenheit der Menschen wird also nicht nur toleriert, sondern willkommen geheißen.
Zuerst einmal reagieren vielfältig zusammengesetzte Belegschaften meist flexibler auf neue Herausforderungen als homogene Belegschaften. Das kann in Zeiten von Globalisierung, Fachkräftemangel und grundlegendem Strukturwandel ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Durch vielfältige Sichtweisen und Arbeitsstile kommen gemischte Teams oft zu innovativeren Problemlösungen als einheitliche Gruppen.
Ein vielfältig zusammengesetztes Unternehmen kann seine Kundenorientierung bedarfsgerechter gestalten und eine höhere Kundenzufriedenheit erreichen. Die Zugangsmöglichkeiten zu neuen Märkten und Zielgruppen verbessern sich.
Durch individuelle Wertschätzung und Integration der Mitarbeitenden können Motivation und Zufriedenheit in der Belegschaft erhöht werden. Persönliche Reibungen, Konflikte und Diskriminierungen werden abgebaut. Gelungenes Diversity Management kann dazu beitragen, Kosten von Fehlzeiten und Fluktuation – Kündigung, Rekrutierung und Neueinstellung – zu minimieren.
Unternehmen, die bei der Förderung ihrer personellen Vielfalt gut aufgestellt sind, haben im Wettbewerb um die besten Fachkräfte die Nase vorn. Dieser Vorteil macht sich vor allem bei der Rekrutierung von Gruppen bemerkbar, die auf dem Arbeitsmarkt zunehmend wichtig werden: etwa qualifizierte Frauen mit Migrationshintergrund, die sehr engagierte Fachkräfte sind.
Diversity Management bietet kein Patentrezept für alle. Es ist vielmehr ein praktischer Management-Ansatz, der dem einzelnen Unternehmen dabei hilft, Vielfalt aktiv zu gestalten und Veränderungsprozesse zu steuern. Dazu dient eine breite Palette verschiedener Maßnahmen: zum Beispiel zielgruppenspezifische Rekrutierungsstrategien, Work-Life-Balance-Angebote, die Gestaltung alters- oder behindertengerechter Arbeitsplätze, die Einrichtung interkultureller Teams und das Angebot von Diversity-Trainings, etwa interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement.
Am Anfang unserer Beratung steht die Bestandsaufnahme: Wo stehen wir in Sachen Diversity im Unternehmen? Dazu bieten wir Diversity-Checks an, die ein praxisorientiertes Selbstbewertungs- und Aktivierungsinstrument sind. Ziel ist es, dass Unternehmen die unterschiedlichen Blickwinkel und Fähigkeiten der Beschäftigten in betriebliche Prozesse einbeziehen. Als Bestandteil der Unternehmensstrategie, des Führungsverhaltens, der Personalarbeit, der Arbeitsorganisation und der Unternehmenskultur soll Vielfalt so ein Thema werden, das im betrieblichen Alltag von allen Beteiligten berücksichtigt wird. Dabei stehen wir dem Unternehmen beratend zur Seite und machen Vorschläge.
Dazu bieten wir bedarfsorientierte Maßnahmen an, zum Beispiel Trainings zur interkulturellen Kompetenzentwicklung und Diversity, Aktionen zum Diversity-Tag, Kick-off-Veranstaltungen für die Belegschaft, Schulungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Beratungen zu alternativen Personalgewinnungsstrategien. Unsere Angebote für Unternehmen sind kostenfrei, da sie durch das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert werden.
Um die Qualität der Pflege zu sichern, müssen sich die Gesundheits- und Pflegeorganisationen an vielfältige Rahmenbedingungen anpassen. Hinzu kommt, dass sich das Pflege- und Betreuungspersonal sowie die Patient*innen international und heterogen zusammensetzen. Patient*innen unterschiedlicher Herkunft können bei der Pflege ungewohnte Bedürfnisse haben, wenn es beispielsweise um Ernährung, gleichgeschlechtliche Pflege, Reinheitsvorstellungen oder den Umgang mit Krankheit, Sterben und Tod geht. Das Verhalten von Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund kann verunsichernd sein, als „fremd“ erfahren oder als Mehrbelastung im Pflegealltag wahrgenommen werden. Um diese neuen Anforderungen zu meistern, ist die Stärkung der interkulturellen Handlungskompetenzen im Rahmen eines ganzheitlichen Diversity Managements in Pflegeberufen heute unverzichtbar.
Konkret empfehlen sich etwa Seminare, die mit diversitäts-, kultur- und migrationssensibler Kompetenz unter Einbeziehung der Lebenswelt, der Biografie und des Krankheitsverständnisses anderer Kulturen vertraut machen. Dadurch lernen Pflegefachkräfte, nonverbale und verbale Kommunikation im täglichen Umgang mit Kolleg*innen und Patient*innen unterschiedlicher Herkunft zu reflektieren und ihre Kommunikations- und Konfliktfähigkeiten migrationssensibel auszubauen.
* Canan Ulug ist Politikwissenschaftlerin, systemische Organisationsberaterin und Trainerin für Diversity und interkulturelle Kompetenz. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie zu den Themen Diversity Management, berufliche Integration, Interkulturalität, Chancengleichheit und Antidiskriminierung. Neben der Entwicklung und Durchführung von arbeitsmarktpolitischen Projekten gehören die Beratung zur interkulturellen Personal- und Organisationsentwicklung sowie Schulungen für verschiedene Zielgruppen zu ihren Aufgaben.
Weitere Informationen:
www.iq-netzwerk-nrw.de
www.migration-arbeitswelt.de
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