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Es ist einfach geworden, seine eigenen Mordtaten zu filmen, zu kommentieren und einem weltweiten Publikum in Echtzeit zu präsentieren. So wie es Stephan B. bei seinem Angriff auf die Synagoge in Halle tat oder der Attentäter von Christchurch. Sie übertrugen ihre Gewalttaten per Livestream ins Internet, um Anerkennung und Nachahmer zu finden. Solche Verbrechen zerren für einen kurzen medialen Augenblick jene wenig bekannten Plattformen ins Licht der Öffentlichkeit, die Tummelplatz rechtsradikaler Subkulturen sind. Eine Studie des Institute for Strategic Dialogue (ISD) mit Sitz in London leuchtet dieses „Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure“ aus und gibt Handlungsempfehlungen zu deren Bekämpfung.
Die von der Robert Bosch Stiftung finanzierte Studie widmet sich der Rolle alternativer Online-Plattformen bei der Vernetzung, Mobilisierung und Radikalisierung von Rechtsextremisten. Im Fokus stehen deutsche Communities auf zehn alternativen Plattformen mit 379 rechtsextremen und rechtspopulistischen Kanälen. Darunter sind der Messenger-Dienst Telegram, das russische soziale Netzwerk VK, die Twitter-Alternative Gab und der Youtube-Ersatz BitChute, außerdem Websites wie Reddit, Discord und 4chan.
Die durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gebotene Verpflichtung für die Anbieter sozialer Netzwerke, rechtswidrige Accounts und Inhalte zu sperren, hat eine weithin unbemerkte Konsequenz: Extremistische Foren und Chatgruppen wandern seither von Tech-Giganten wie Facebook, Twitter und YouTube auf diese kleineren, alternativen Online-Kanäle ab. Die Gesamtzahl der deutschsprachigen Nutzer in diesen Gruppen schätzen die Forscher auf 15.000 bis 50.000. Der meistgenutzte Kanal hatte mehr als 40.000 Follower.
Von den 379 aufgespürten Gruppen und Kanälen haben 104 ihren Schwerpunkt in der Ablehnung von Islam, Muslimen, Einwanderung und Flüchtlingen. „Ganze 92 Kanäle unterstützen offen den Nationalsozialismus“, fand die Studie heraus. Weitere 35 Kanäle sind identitären und ethnonationalistischen Gruppen zuzuordnen. Eine große Rolle spielen antisemitische und rassistische Verschwörungsideologien. Ein vom ISD trainierter Algorithmus zur Klassifizierung antisemitischer Inhalte zeigte, dass mehr als die Hälfte aller Posts über Juden in den Threads auf 4chan (56,9 %) antisemitischen Tendenzen folgt.Die AfD hat derzeit eine überschaubare und eher inaktive Präsenz, insbesondere auf dem russischen sozialen Netzwerk VK. Die Hauptseite der AfD ist seit 2015 nicht mehr aktiv.
Generell gilt: „Alternative Plattformen stellen Regulierungsansätze vor erhebliche Herausforderungen.“ Die größte bestehe in der Frage, wie mit der riesigen Menge an Online-Inhalten zu verfahren sei, die weder aktiv zu Gewalt aufrufen noch illegal sind, aber dennoch eine Radikalisierung nach folgendem Muster fördern könne: „Die unverhältnismäßig große Menge an Inhalten, die Einwanderung generell negativ bewerten und ganze Bevölkerungsteile als Bedrohung darstellen, erzeugt das Gefühl dringenden Handlungsbedarfs zum vermeintlich notwendigen Schutz der Eigengruppe“, erklären die Studienautor*innen.
Die Studie adressiert einige Empfehlungen an Tech-Firmen und Politik, um der weiteren Radikalisierung der Plattformen und der Unterminierung demokratischer Prozesse entgegenzuwirken und nennt vier Herausforderungen:
Zur wirksamen Unterbindung persönlicher Radikalisierung schlagen die Studienautor*innen neue Interventionsmodelle mit Deradikalisierungsprogrammen vor, zum Beispiel Begegnungen von rechtsextremen Aussteigern, Opfern von Terroranschlägen und Nutzern rechtsextremer Posts. Bildungsmaßnahmen wie die Schulung von Jugendarbeitern, zivilgesellschaftlichen Akteuren, Eltern und Lehrern sollten intensiviert werden, damit diese über das Geschehen in den rechtsextremen Communities kompetent aufklären können. Zusätzlich müssten Frühwarnsysteme gegen radikale Bedrohungen verfeinert werden, etwa in Form von Algorithmen zur Spracherkennung.
Jakob Gruhl / Julia Ebner / Jan Rau, Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure, Hg.: Institute for Strategic Dialogue (ISD, gefördert von der Robert Bosch Stiftung, 2020, 80 Seiten
www.bosch-stiftung.de/de/publikation/das-online-oekosystem-rechtsextremer-akteure
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