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Schlagartig hat die Corona-Krise die Bedeutung der sozialen Berufe ins öffentliche Bewusstsein gerückt: mit Medienberichten über „Alltagshelden“ in Krankenhäusern und Altenheimen, Politikerversprechen von besseren Arbeitsbedingungen und jeder Menge Applaus an offenen Fenstern. Doch wird dieser Zuspruch anhalten, wenn die aktuelle Krise gebannt ist? Nachhaltige Wertschätzung und Berufsattraktivität standen im Mittelpunkt eines mit 590.000 Euro geförderten EU-Projekts des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Sachsen, das jetzt nach dreijähriger Laufzeit beendet ist. Worum ging es genau, was können andere Einrichtungen lernen? Die Trendinfo-Redaktion zieht ein erstes Fazit.
„Gelingen schreibt Geschichte(n) – Wertschätzende Personal- und Organisationsentwicklung in Pflege- und Kindertageseinrichtungen“, so heißt das Projekt: „Es soll angesichts des akuten Fachkräftemangels in Pflege und Erziehung die Attraktivität des ASB Sachsen als Arbeitgeber in der Sozialwirtschaft sichern und weiterentwickeln“, erklärt Uwe Martin Fichtmüller, Geschäftsführer des ASB Landesverbandes Sachsen. Ein dicht geschnürtes Maßnahmepaket wurde seit dem Projektstart 2017 umgesetzt, darunter eine Imagekampagne, zwei Befragungen von Mitarbeitenden aus Pflege- und Kindertageseinrichtungen sowie Kommunikations-, Medien- und Führungskräftetrainings. Teilnehmende aus allen sächsischen ASB-Gliederungen konnten sich in Info-Veranstaltungen über den Projektfortgang auf dem Laufenden halten.
Die frisch gekürten Markenbotschafter*innen des ASB geben den angestoßenen Innovationen ihr Gesicht. Sie alle sind Mitarbeitende aus Pflege- und Kindertageseinrichtungen und haben an Kommunikations- und Medientrainings teilgenommen: So wie Martin Schubert, der es vom Koch zum Wohnbereichsleiter in einem Altenpflegeheim in Chemnitz gebracht hat, wie Lisa-Maria Büttner und Maria Wolf, beide Auszubildende zur Pflegefachkraft im Altenpflegegeheim Torgau/Dommitzsch und beste Freundinnen, oder wie Jacqueline Conrad in Strehla, die nach biografischen Umwegen als Erzieherin und Sprachfachkraft in ihre Wunsch-Kita zurückkehrte. Die Erfahrungen dieser Menschen mit Engagement, Ecken und Kanten sollen in das Personalmanagement einfließen und öffentlichkeitswirksam von Geschichten des Anpackens und Gelingens erzählen.
Kern der projektierten Personal- und Organisationsentwicklung sind zwei Befragungen durch den ASB zur Zufriedenheit mit Aufgaben, Prozessen und Arbeitsbedingungen, mit Vorgesetzten und der Zusammenarbeit im Team. 2017 nahmen rund 1.900 Beschäftigte teil, 2019 rund 2.400. Angesprochen waren 30 stationäre Pflegeeinrichtungen, 36 teilstationäre bzw. ambulante Pflegeeinrichtungen und 55 Kitas (Rücklauf: 65 %). Die wichtigsten Erkenntnisse der zweiten Erhebung:
Die Befragung wurde durch ein personalwirtschaftliches Monitoring ergänzt. Es liefert dem Personalmanagement wichtige Daten etwa über Altersstruktur, Fluktuation und Krankenstand. Potenzialanalysen in den regionalen Gliederungen dienen der Entwicklung von Maßnahmen zur Mitarbeiterzufriedenheit. Fichtmüller: „Der Zusammenschluss aus diesen Informationen, den Ergebnissen aus den Mitarbeitendenbefragungen und den Potenzialanalysen werden vom Personalmanagement genutzt, um das richtige Personal zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle einzusetzen.”
Zusätzlich wurden Strategien zum wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitenden erarbeitet: beginnend im Bewerbungsverfahren, über das Onboarding, den Kontakt im Krankheitsfall bis hin zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis. „Insgesamt ergeben diese Informationen eine nützliche Benchmark der Orts-, Kreis- und Regionalverbände des ASB in Sachsen“, ergänzt Fichtmüller.
„Die Wertschätzungskultur des Gelingens stellt sich nicht von alleine ein“, sagt der ASB-Chef. Anerkennung, Ermutigung und Teamgeist dürfen nicht dem Zufall überlassen bleiben. Sie müssen Teil der Führungskultur sein und von den Mitarbeitern aktiv gelebt werden. Das Projekt hat nun das Rüstzeug geliefert, die gemeinsam erarbeiten Erfahrungen und Leitfäden im Berufsalltag weiter zu entwickeln – im Interesse der Mitarbeitenden und ihrer Schutzbefohlenen. Gute Beispiele anderer Orts-, Kreis- und Regionalverbände geben wertvolle Anstöße, begleitet vom Austausch der Einrichtungsleitungen.
Zugleich wurde deutlich, dass die Branche besser ist als ihr Ruf. Die in der Befragung geäußerte Zufriedenheit der Beschäftigten, die wahrgenommene Familienfreundlichkeit und Leitbildidentifikation mit der Arbeit beim ASB wollen so gar nicht ins öffentliche Bild vom großen Branchenfrust passen. Großes Plus für künftige Strategien der Personalgewinnung: Sinnstiftung und Ausstrahlung des ASB sind von weitaus größerer Anziehungskraft als Plakate und Broschüren. Wer wollte da bessere Markenbotschafter*in nach innen und außen sein als die Mitarbeitenden selbst?
Die Frage, ob der ASB-Landesverband Sachsen mit seinem ambitionierten Projekt eine Vorbildfunktion für den ASB oder die Gesundheitswirtschaft übernehmen könne, beantwortet Fichtmüller zurückhaltend: „Da andere Gliederungen teils mit anderen methodischen Ansätzen ähnliche Fragestellungen bearbeiten, glauben wir nicht, dass wir mit dem Projekt eine Vorbildwirkung erzielen konnten.“ Gleichwohl haben die Samariterinnen und Samariter aus dem Freistaat ein Zeichen gesetzt: „Wir haben unsere Erfahrungen und Ergebnisse in die innerverbandliche Diskussion zur Arbeitgeberattraktivität eingebracht. Damit dürften wir eine entsprechende Wirkung erzielen.“
Nach Ende der Projektlaufzeit ist „Gelingen schreibt Geschichte(n)“ fest im ASB in Sachsen verankert: Befragungen und personalwirtschaftliches Monitoring gehören künftig zum Standard. Damit wird überprüfbar, ob die vereinbarten Verbesserungen fortwirken oder modifiziert werden müssen.
Weitere Informationen
„Gelingen schreibt Geschichte(n) - Wertschätzende Personal- und Organisationsentwicklung in Pflege- und Kindertageseinrichtungen” wird über das Programm „rückenwind+” vom Europäischen Sozialfonds und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales öffentlich gefördert. Projektdetails unter www.meine-geschichte-dein-job.de
Im ASB in Sachsen sind rund 5.400 Beschäftigte in den Bereichen Altenhilfe, Kinder,- Jugend- und Familienhilfe, Kindertagesbetreuung, Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst tätig.
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