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Manche Kinder wachsen in bedrückenden sozialen Verhältnissen auf und entwickeln sich dennoch prächtig. Obwohl die Erfahrung von Armut, Arbeitslosigkeit der Eltern oder einer zerbrochenen Familie auf ihnen lastet, trotzen sie dem Schicksal und gehen ihren Weg. Was macht diese Kinder stark? Was gibt ihnen die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und als Antrieb persönlichen Wachstums zu nutzen? Die noch junge Resilienzforschung nennt hervorstechende Charakteristika solcher Menschen: Resiliente Kinder aktivieren eigene Ressourcen, gehen Probleme aktiv an und lernen aus Rückschlägen. Und: Die persönlichen Voraussetzungen von Resilienz können durch die Umwelt gestärkt werden. Welche Rolle die Schule dabei haben kann, untersucht eine aktuelle Studie von OECD und Vodafone-Stiftung mit dem Titel „Erfolgsfaktor Resilienz“.
Herausgekommen ist die Sonderauswertung von PISA-Daten der Jahre 2006 und 2015 für die Altersgruppe 15-jähriger Schüler. Aus gutem Grund: PISA ist die international größte Schulleistungsstudie und hat seit ihrer erstmaligen Veröffentlichung im Jahr 2000 eine breite bildungspolitische Diskussion angestoßen. Als sozial benachteiligt sehen die Autoren Kinder, die auf dem sozioökonomischen Index, gemessen am Bildungsstand und Beruf ihrer Eltern, zum untersten Viertel in ihrem Land zählen. Resilienz definieren sie zugespitzt auf die Studie als „die Fähigkeit, trotz sozialer Nachteile in allen Pisa-Testfeldern mindestens die Kompetenzstufe drei zu erreichen und damit die Voraussetzung für eine aktive gesellschaftliche Teilhabe und lebenslanges Lernen zu erwerben.“
Zunächst die harten Pisa-Fakten: Erheblich mehr Schüler aus benachteiligten Verhältnissen zeigen gegenwärtig solide Leistungen in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften als noch vor zehn Jahren. Der Anteil dieser Schüler ist hierzulande so stark gewachsen wie in kaum einem anderen OECD-Land: „Waren es im Jahr 2006 nur 25 Prozent, galten im Jahr 2015 schon 32,3 Prozent der sozioökonomisch benachteiligten Schülerinnen und Schüler als resilient“, bringen es die Autoren auf den Punkt.
Ein Schlüssel für jeden Lernerfolg ist ein positives Unterrichts- und Schulklima – mit dieser Einsicht dürfte die Studie niemanden überraschen. Die Frage ist nur: Was trägt dazu bei, was wirkt eher hinderlich? Hierzu wertet die Untersuchung Befragungen von Schülern und Lehrern aus. Als mehrheitlich störend werden Unaufmerksamkeit, hoher Lärmpegel im Klassenraum und Durcheinander in der Unterrichtsorganisation genannt, kurzum, ein Mangel an Lernmöglichkeiten und Selbstwirksamkeit. In einem zweiten Schritt wendet sich die Studie den positiven Faktoren für ein gedeihliches Lernklima zu:
Einen positiven Einfluss auf die Resilienz benachteiligter Schüler können auch schulische Aktivitäten außerhalb des Unterrichts haben, hebt die Studie hervor. Vor allem Ganztagsschulen seien geeignet, das Engagement von Lehrern, Schülern und Eltern zu fördern und die Zugehörigkeit zur Schule zu stärken. „Für die Resilienz ist aber auch die Öffnung der Schule in das soziale Umfeld enorm wichtig“, ergänzt Schulexperte Helmut Hochschild in einem der Studie beigefügten Interview. Schülerfirmen, Praktika und Fachleute, die sich dem Gespräch mit Schülern stellen, ermöglichen Lernerfahrungen mit Praxisbezug, jenseits von starrem curricularen Reglement und Notendruck.
Helmut Hochschild, langjähriger Schulleiter, Schulrat und Lehrerausbilder, nimmt in diesem Interview die schulpolitische Einordnung der Ergebnisse vor. Er leitet daraus die zentrale Rolle der Schulentwicklung für mehr Chancengerechtigkeit ab. Lehrer müssten mehr Freiräume haben, mehr fächerübergreifend und projektorientiert unterrichten. Der Experte schlägt vor, die Lehrerausbildung um ein Praxissemester, ähnlich dem Arzt in Praktikum, zu ergänzen. Wünschenswert sei auch eine Anerkennung von Kommunikationszeiten auf den Stundenumfang. Das fördere Elterngespräche, Beratung mit Schülern und Teamplanung unter Kollegen. Nicht die Ressourcenausstattung mit Computern oder die Klassengröße sei entscheidend, sondern wertschätzende Kommunikation und ein stabiles Lernumfeld. „Wenn ich verstehe, warum ich lerne, was ich lerne und meinen eigenen Einfluss auf das Lernen einschätzen kann – dann bin ich resilient“, bringt es Hochschild auf den Punkt.
Erfolgsfaktor Resilienz. Warum manche Jugendliche trotz schwieriger Startbedingungen in der Schule erfolgreich sind – und wie Schulerfolg auch bei allen anderen Schülerinnen und Schülern gefördert werden kann. Eine PISA-Sonderauswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Kooperation mit der Vodafone Stiftung Deutschland. Düsseldorf 2018, 14 Seiten
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