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Manipulieren, intrigieren, isolieren: Toxisches Führungsverhalten in Unternehmen hat viele Gesichter. Zur Wirkung von Mobbing auf die Mitarbeitenden liefert eine Studie der Kühne Logistics University (KLU) einen überraschenden Befund: Die Betroffenen neigen dazu, sich selbst die Schuld zu geben und den Forderungen des Vorgesetzten nachzukommen. Hat der Chef also erstmal gewonnen?
Mobbing (aus dem Englischen: to mob) bedeutet mehr als pöbeln oder schlechte Laune verbreiten. Gemeint sind Feindseligkeiten, Psychoterror und Zermürbung. Leistungen von Mitarbeitern unterschlagen, Aufgaben, die kaum zu bewältigen oder sinnlos sind, öffentliches Bloßstellen, das sind einige Klassiker des sog. Bossing auf Arbeitsebene. Oft stellt es sich schleichend ein und ist nicht sofort zu erkennen. Je heftiger die Herabwürdigung ist, desto mehr leiden die Opfer unter psychischen Schäden, die ihr Wohlergehen, die Gesundheit und das Privatleben beeinträchtigen. In 85 Prozent der Unternehmen kommt der Studie zufolge vergiftendes Verhalten vor, jedes fünfte Unternehmen hat sogar ein ausgesprochen toxisches Führungsklima.*
Wenn Mitarbeiter die Beziehung zu Chefs grundsätzlich als positiv und darum als schützenswert einschätzen, ist es wahrscheinlich, dass ein emotionaler oder verbaler Missbrauch bei ihnen Schuldgefühle auslöst, argumentieren die Autoren Christian Tröster und Niels van Quaquebeke. Dadurch kann zumindest kurzfristig der Antrieb entstehen, Forderungen von Vorgesetzten zu erfüllen. Diese Erkenntnis widerspricht auf den ersten Blick der vorherrschenden Auffassung, wonach Mobbing am Arbeitsplatz die Leistungsbereitschaft verringert. Eine Parallele dieses paradox anmutenden Verhaltens ist aber auch aus klinischen Studien bekannt, die zeigen, dass Opfer häuslicher Gewalt oft keine Hilfe suchen, weil sie meinen, sie wären für ihren Missbrauch selbst verantwortlich.
Missbräuchliche Führung ist ein großes Problem für Mitarbeitende und Unternehmen. Der Vorgesetzte, der sich solcher Mittel bedient, könnte sich durch die erzielten Leistungen bestätigt fühlen. „Als Führungskraft kann die Wahrnehmung sein: Ich arbeite gut, effektiv und mein Team mag mich. So entsteht ein gefährlicher Kreislauf missbräuchlicher Führung“, warnt van Quaquebeke, Professor für Leadership und Verhalten in Organisationen an der KLU.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Gefühl von Macht Führungskräfte von Mitarbeitern entkoppelt. „Studien zeigen, dass mit asymmetrischem Machtzuwachs auch die Ego-Zentriertheit zunimmt. Andere werden für das eigene Handlungskalkül einfach immer weniger wichtig.“ Außerdem: Manche Führungskräfte pflegten den Habitus, dass man hart regieren müsse, damit Mitarbeiter sich nicht ausruhen. „Dabei verschwimmt wahrscheinlich zuweilen die Grenze zwischen Herausfordern und Grenzen-Missachten“, so die Forscher.
Solche Fehlentwicklungen bestehen vor allem in Unternehmungen, die den Erfolg ihrer Führungskräfte allein auf Basis der Leistungen des geführten Teams beurteilen und belohnen. Anzeichen für missbräuchliche Führung werden so übersehen. Mit erheblichen Konsequenzen: Mitarbeiter entwickeln häufig psychische Probleme mit Auswirkungen am Arbeitsplatz, zu Hause und im sozialen Umfeld. Auf Unternehmen kommen Fehlzeiten, Gesundheitsprobleme und möglicherweise teure rechtliche Schritte zu, heißt es in der Studie.
Sie basiert auf einem Online-Experiment mit 200 Teilnehmenden und einer Tagebuchstudie mit 275 Personen.
Unternehmen können sich und ihre Mitarbeitenden vor dieser negativen Entwicklung schützen, indem sie Stellschrauben des Personalmanagements verändern. „Sie sollten Führungskräfte nicht allein auf Basis der Leistung der geführten Teams beurteilen, sondern Mitarbeitende auch den Führungsstil ihrer Vorgesetzten direkt bewerten lassen“, raten die Wissenschaftler. Bedingung für jede Beförderung solle auch ein respektvoller Umgang sein.
Auch die Beschäftigten müssen aktiv gegen die Spirale aus Mobbing und Schuldgefühlen angehen, raten die Studienautoren. Hilfreich sei, eine Grenze zu definieren, welche der Vorgesetzte nicht überschreiten darf. Andernfalls sollten sie idealerweise direkt mit dem oder der Vorgesetzten darüber sprechen. Vielen Führungskräften ist den Wissenschaftlern zufolge nicht bewusst, wie sie bei ihren Mitarbeitenden wirken.
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, müssen Führungskräfte auch die Möglichkeit haben, aus ihren Fehlern zu lernen und sich zu rehabilitieren, rät Tröster. „Aus Studien wissen wir, dass Führungskräfte öfter mobben, wenn sie gestresst sind. Daher sollten Unternehmen für Arbeitsbedingungen sorgen, die es auch Führungskräften erlaubt, sich mit voller Energie den Bedürfnissen ihres Teams zu widmen.“
Tröster, Christian / Van Quaquebeke, Niels, When Victims Help Their Abusive Supervisors: The Role of LMX, Self-Blame, and Guilt, Academy of Management Journal, Download
Einzelne Ergebnissestützen sich auf ein Forschungsprojekt der Universitäten Bielefeld, Trier und der HS für Wirtschaft und Recht Berlin, das mehr als 37.000 Bewertungen der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu einschließt:
https://news.kununu.com/studie-toxische-fuehrung-ist-in-deutschen-unternehmen-keine-seltenheit/
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