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Ein aufgeräumter Schreibtisch steht für organisiertes Arbeiten, das Grünzeug im Pflanzkübel offenbart den Naturliebhaber, die Bildergalerie den sympathischen Familienmenschen. Mit der Gestaltung seines Arbeitsplatzes steckt der moderne Büroarbeiter sein Revier ab und sendet subtile Signale seines Selbstbildes. Die Raumpsychologie untersucht, was das Büro über seine Mitarbeiter verrät. Sie analysiert auch, wie die Arbeitsumgebung auf die Menschen wirkt und wie sie beschaffen sein sollte, um Kreativität und Stressabbau zu fördern. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) tut genau das: Sie liefert Ideen der Raumpsychologie für die Arbeitswelt von morgen.
Unternehmen sind künftig zunehmend von zeit- und ortsflexiblen Arbeitsformen geprägt, mobiles Arbeiten von unterwegs oder zu Hause ist dann der Normalfall. Doch was wird aus dem herkömmlichen Büro? Arbeitswabe und Großraum mit ihren starren räumlichen und hierarchischen Zuordnungen sind auf dem Rückzug, der mobile Wissensarbeiter braucht optimale Bedingungen, wenn er zum Arbeiten ins Büro kommt. Er leistet sein Soll auf Arbeitsflächen, die variabel und tätigkeitsbezogen sind, sagen die Studienautor*innen voraus: „In diesen sogenannten Multi-Space-Konzepten werden Arbeitsplatz- und Raumsituationen angeboten, die in unterschiedlicher Form Kommunikation, Konzentration und Kreativität sowie Rückzug ermöglichen und Erholung fördern sollen.“
Das klingt erst mal ziemlich futuristisch, setzt aber vor allem den intelligenten Einsatz raumpsychologisch wirksamer Faktoren wie Licht, Raumhöhe, Farben und Akustik voraus. Zahlreiche raumpsychologische Studien belegen schon lange die Wechselwirkung zwischen der Arbeitsumgebung des Menschen und seiner Befindlichkeit. Umso erstaunlicher, warum solche Erkenntnisse bislang kaum Eingang in die Unternehmenspraxis genommen hätten, wundern sich die Autor*innen.
Die Studie gibt einen Überblick wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Einfluss raumpsychologischer Faktoren auf den Menschen und seine Arbeit. Im Fokus stehen nachgewiesene Wirkfaktoren, welche die Konzentrationsfähigkeit fördern, kreative Arbeitsprozesse unterstützen und die Kommunikation und das Wohlbefinden beflügeln.
Die Vermeidung stressfördernder räumlicher Enge und das Angebot von Frischluft, Tageslicht (Fenster), Ausblicken ins Freie sowie einer Gestaltung mit Pflanzen und Bildern bilden die Grundvoraussetzung für Wohlbefinden, Stressminderung und Regeneration. Zusätzliche Rückzugsräume tragen ebenfalls dazu bei.
Erinnert sei auch an den Naturstoff Holz: „Die niedrigsten durchschnittlichen Blutdruckwerte und Herzfrequenzen wurden im Raum bei einem Holzanteil von 90 Prozent gemessen. Allerdings bevorzugen die meisten Probanden einen Aufenthalt im Raum mit einer 45-prozentigen Holzdeckung.“ Blaue und grüne Raumfarben können beruhigend wirken; wichtig ist auch gute Akustik, vor allem in Großraumbüros. Soundmasking mit Filtern wie Wasser, Rauschen oder Instrumentalmusik haben sich dort bewährt.
Die Forscher*innen mahnen eine vorsichtige Beurteilung an ein, wie weitreichend sich persönliche Gestaltungsvorlieben der Beschäftigten etwa hinsichtlich Licht, Farbe und Geräuschen im Unternehmensalltag umsetzen ließen und ob ihnen deren persönliche Auswirkungen überhaupt bewusst seien. Schließlich handele es sich um eher unterschwellig wahrnehmbare Effekte.
In der Veränderung der Arbeitswelt selbst liege jedoch eine große Chance für die angewandte Raumpsychologie, sind die Forscher*innen optimistisch. Arbeitsplätze müssten sich künftig viel stärker als heute auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten einrichten. Digitalen Technologien komme dabei eine zentrale Rolle zu. Arbeitsplatz- und personennahe Sensoren könnten Erfordernisse, Bedürfnisse und Vorlieben der einzelnen Nutzer erfassen, analysieren und maßgeschneiderte Lösungen bereitstellen.
Eine Vision, die wegen des Umgangs mit persönlichen Daten auch für Skepsis sorgen dürfte, räumt die Studie ein. Dennoch erfordere die Arbeitsplatzplanung der Zukunft eine Aufwertung raumpsychologischer Erkenntnisse, um Wohlbefinden und am Ende auch Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen zu fördern.
Weitere Info
Wilhelm Bauer (Hg.), Yue Pan / Stefan Rief, Raumpsychologie für eine neue Arbeitswelt, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), 2019, 116 Seiten
Download der Studie im Shop (29 Euro)
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