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Wie unter einem Vergrößerungsglas führt uns die Corona-Pandemie die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft, aber auch Defizite und Versäumnisse in Politik und Wirtschaft vor Augen. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, erweist sich für viele Unternehmen und Behörden derzeit als einzige Möglichkeit, den Mindest- oder Notbetrieb aufrecht zu halten. Leider wird das Potenzial von Homeoffice bei weitem nicht ausgeschöpft, argumentiert eine aktuelle Analyse des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Vor allem in Berufen in Verwaltung, Handel, IT und Naturwissenschaft gebe es noch reichlich Luft nach oben.
In Zeiten von Corona führt Social Distancing geradewegs ins Homeoffice. Wo ortsunabhängiges Arbeiten bereits in der Vergangenheit etabliert wurde, bewähren sich erprobte Strukturen in der Krise. Wo es erst jetzt zur abrupten Verlegung des Arbeitsplatzes ins Wohnzimmer kam, wird die Ausnahmesituation zum Experiment mit teils überraschend gutem Betriebsablauf. Aktuell rächt sich jetzt aber, dass in der Vergangenheit ein großer Teil von grundsätzlich Homeoffice-tauglichen Tätigkeiten in den Unternehmen verblieben ist. Wesentliche Ursachen sind die vielerorts vorherrschende Präsenzkultur und das Bestreben vieler Beschäftigter, Beruf und Privatleben klar zu trennen.
Die Expertise zeigt auf, welche Jobs zu Hause aus erledigt werden könnten, soweit sie sich dazu eignen und noch vorhandene technologische Hürden beseitigt werden. Diese Analyse basiert auf Daten des Linked Personnel Panels, das ausschließlich Betriebe der Privatwirtschaft mit mindestens 50 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten umfasst.
Entscheidend für die Möglichkeit von Homeoffice ist zuallererst die Art von beruflicher Tätigkeit:
Die Studie belegt, in welchen Berufsbereichen Homeoffice bislang am stärksten verbreitet ist: in unternehmensnahen Dienstleistungsberufen wie Steuerberater, Bank-, Industrie- und Versicherungskaufmann (43 %), in verwaltenden Berufen, dem Handel (40 %) sowie in IT-bezogenen und naturwissenschaftlichen Tätigkeiten, zum Beispiel Informations- und Systemtechniker, Elektroniker, Baustoffprüfer und Chemikant (37 %).
Vor allem in diesen Branchen und Berufsbereichen, in denen bisher schon häusliches Arbeiten weit verbreitet ist, sehen die Forscher*innen die größten Reserven zur Verlagerung ins Homeoffice. So könnten bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufen zusätzlich 31 Prozent der Beschäftigten in den eigenen vier Wänden arbeiten, bei den klassischen Bürojobs zusätzlich bis zu 30 Prozent.
Der Löwenanteil ungenutzten Homeoffice-Potenzials in diesen Berufsbereichen liegt den Befragten zufolge bei mangelnden technischen Voraussetzungen und – mehr noch – bei persönlichen Motiven und Vorbehalten: beim Wunsch der Trennung von Beruf und Privatleben, bei der Befürchtung des erschwerten Kollegenkontakts sowie bei fehlender Erlaubnis der Vorgesetzten. „Diese Hürden dürften angesichts der Corona-Krise schnell fallen, wenn auch zum Teil wohl nur vorübergehend“, glauben die Autor*innen.
„Die entscheidende Frage für die nächsten Wochen und Monate wird sein, in welchem Ausmaß der Anteil der Beschäftigten, die im Homeoffice arbeiten, deutlich gesteigert werden konnte“, führt die Untersuchung aus. Manche Tätigkeiten könnten grundsätzlich ortsunabhängig durchgeführt werden, vorausgesetzt, die notwendigen mobilen Endgeräte und eine Remote-Verbindung stehen zur Verfügung. Immerhin 88 Prozent der Beschäftigten nutzen digitale Informations- oder Kommunikationstechnologien wie Computer, Laptops, Tablets oder Smartphones.
Insgesamt wertet Mitautorin Susanne Steffes den aktuellen Schub pro Homeoffice als „großes Experiment“ für eine Neubewertung dieser Arbeitsform. „Wir glauben aber auch, dass die jetzigen Erfahrungen positiver und negativer Natur sein können. Gerade die Tatsache, dass ja zusätzlich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, ist eine große Herausforderung“, äußerst Steffes. Dies könne sogar dazu führen, dass die Strategien zur Abgrenzung von Arbeit und Privatleben am Ende besser funktionieren als zu normalen Zeiten.
Philipp Grunau / Susanne Steffes / Stefanie Wolter, Homeoffice in Zeiten von Corona, ZEW-Kurzexpertise, 20-03/2020, 8 Seiten, Download
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