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Die Schule hat schon vor Jahren dicht gemacht, dann folgte der Lebensmittelladen und jetzt ist der Bäcker dran. Wenn sich bald der Doktor zur Ruhe setzt, müssen sich die Bürger auch zum Hausarzt in die Kreisstadt aufmachen. In vielen ländlichen Regionen ist dieses Szenario beklemmende Wirklichkeit. Vor allem ältere und wenig mobile Menschen trifft die Verödung ihres Lebensumfelds hart. Mit der Aktion „Stadt. Land. Gesund.“ will der AOK-Bundesverband entgegen diesem Trend innovative Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ergreifen. Grundlage ist eine repräsentative forsa-Umfrage mit rund 2.000 Teilnehmern zum Stellenwert der Gesundheitsvorsorge.
„Wie wichtig sind für Sie persönlich folgende Einrichtungen bei Ihnen vor Ort?“, „Wie zufrieden sind Sie mit den verschiedenen Angeboten zur Daseinsvorsorge?“ Mit solchen Fragen ermittelt die Befragung die Bedürfnisse von Menschen im ländlichen und urbanen Raum. Das Ergebnis ist eindeutig: Hausärzte sind mit 95 Prozent am wichtigsten (sehr wichtig: 54 %; wichtig: 41 %), gefolgt von Einkaufsmöglichkeiten (93 %) und Internetversorgung (90 %). Danach rangieren Schulen und Bildungseinrichtungen (87 %), Krankenhaus (87 %), öffentlicher Nahverkehr (83 %) und Polizei (81 %). Ausschlaggebend für die Wahl eines Arztes oder Krankenhauses ist für die meisten Befragten die nachweislich gute Qualität (91 %), noch vor der bequemen Erreichbarkeit (89 %).
Ihre ärztliche Versorgung ist den Menschen immer wichtig, unabhängig davon, ob sie im Dorf oder in der Metropole leben. Allerdings äußern sich Bewohner ländlicher Regionen deutlich unzufriedener mit ihrer tatsächlichen Situation, stellt die Erhebung fest. Sie nehmen eine unzureichende Infrastruktur im Gesundheitssektor, beim öffentlichen Nahverkehr und bei der Internetversorgung stärker wahr als Großstadt-Bürger. Auf den gesundheitlichen Bereich bezogen äußern sie die größte Unzufriedenheit bei der Versorgung mit Fachärzten – vor Hausärzten und Krankenhäusern.
Die Erhebung fördert zudem einen Nachholbedarf bei der Koordinierung von Behandlungsabläufen zwischen den Ärzten verschiedener Einrichtungen zutage. Knapp jeder vierte Befragte hat dabei schon schlechte Erfahrungen gemacht (24 %), am häufigsten Chroniker (27 %) und Krankenhauspatienten (31 %). Möglicherweise spielt diese Unzufriedenheit im großen ländlichen Versorgungsradius eine größere Rolle als im urbanen Zentrum, allerdings ist das nicht belegt.
Die Befragung wirft ein Licht auf eine brisante gesellschaftspolitische Situation. „Die zunehmende Schieflage zwischen Stadt und Land macht den Menschen Sorge“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, anlässlich der öffentlichen Vorstellung der Aktion „Start. Land. Gesund“. Doch was tun? Bemühungen, den Landarztberuf attraktiver zu machen, ist noch kein durchschlagender Erfolg beschieden, die Schrumpfung von ländlicher Bevölkerung und Infrastruktur schreitet eher voran. „Dabei sollten die Bedürfnisse der Bevölkerung auf dem Land stärker in den Fokus rücken und innovative Versorgungsansätze ausgeweitet werden“, erklärte Litsch. Solche Maßnahmen zur Überwindung größerer Entfernungen und der schnelle Zugang zur medizinischen Behandlung sollten Teil einer pragmatischen Lösung sein, die nicht zentral vorgegeben, sondern vor Ort feinjustiert werden müsse.
Viele Teilnehmer der Befragung setzen zur Verbesserung ihrer Lage auf innovative Versorgungsformen, ja, erwarten diese geradezu von ihrer Krankenkasse. 55 Prozent können sich durchaus eine Videosprechstunde bei ihrem Arzt vorstellen – die mittleren Jahrgänge mehr als Menschen ab 60. Die Idee einer mobilen Arztpraxis vor Ort findet bei 82 Prozent und die Betreuung durch eine qualifizierte medizinische Fachkraft (Versorgungsassistenz) bei 91 Prozent Anklang. Die Videosprechstunde wird vor allem für ärztliche Folgetermine und zur Besprechung von Befunden geschätzt, weniger für Erstkontakte und den Notfall.
Mehr als deutschlandweit 100 von der AOK geförderte Projekte sollen zum Erhalt wohnortnaher medizinischer Versorgung auf dem Land beitragen, mit Schwerpunkt auf der sektorenübergreifenden Versorgung, den Versorgungsassistenzen, der Digitalisierung und den Arztnetzen. Hierbei seien „passgenaue regionale Versorgungslösungen“ gefragt, fordern die Verantwortlichen. Eine Übersicht listet 30 Initiativen („Leuchttürme“) auf, an denen die AOK federführend beteiligt ist.* Einige Beispiele:
Diese Projekte decken ein weites Versorgungsspektrum ab. „Es geht um bessere Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern, Therapeuten und Pflege. Es geht darum, dass Ärzte mehr Aufgaben an Versorgungsassistenzen delegieren. Es geht um Digitalisierung und Telemedizin und um Arztnetze“, teilt die AOK dazu mit. Die Krankenkasse will in den Jahren 2019 und 2020 damit zusätzlich 100 Millionen Euro in ohnehin laufende Projekte der ambulanten Versorgung auf dem Land investieren.
Stadt. Land. Gesund. Wie wir die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum sichern. Ergebnisse der forsa-Umfrage zu Meinungen und Einstellungen der Bürger im ländlichen und urbanen Raum, AOK-Bundesverband, Berlin, Februar 2019, 14 Seiten, Download
*Projektübersicht: https://aok-bv.de/engagement/stadt_land_gesund/
Zur gesundheitspolitischen Diskussion um die Stadt-Land-bezogene Reform des kasseninternen Finanzausgleichs:
Streit um Versorgung auf dem Land: AOK bringt andere Kassen gegen sich auf, in: Handelsblatt online vom 22.02.2019
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