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Mache ich etwas falsch, wenn mein Baby nicht durchschläft? Was tun, wenn das Haushaltsgeld nicht reicht? Merkt mein Kind etwas von meinem Stress? Fragen, die viele frischgebackene Eltern in den ersten Lebensmonaten ihres Kindes umtreiben. Manche können mit der neuen Situation nicht umgehen und haben auch niemanden, der ihnen weiterhilft. In solchen Fällen ist das Hausbesuchsprogramm „Pro Kind“ gefragt. Mit diesem Modellprojekt nach amerikanischem Vorbild unterstützt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) junge Familien und Schwangere in prekärer Lebenssituation. Doch hilft es wirklich, wird es den Erwartungen gerecht? Das untersucht eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen wurde 2007 vom Bundesfamilienministerium gegründet. Es soll jungen Müttern im Hartz-IV-Bezug von der Schwangerschaft bis zum zweiten Geburtstag ihres Kindes unter die Arme greifen. Dazu dient das Projekt „Pro Kind“ mit regelmäßigen Hausbesuchen von Hebammen oder Sozialpädagoginnen. Im Mittelpunkt stehen Fragen von Gesundheit und Erziehung des Kindes, von Familienplanung, Erwerbstätigkeit und Transferbezug. Typische Belastungen der angesprochenen Mütter sind Geldsorgen, Minderjährigkeit, fehlender Schulabschluss oder die Bürde, alleinerziehend zu sein. Grundgedanke des Programms ist die Stärkung der Mütter bzw. Familien im neuen Lebensabschnitt der Elternschaft, die Vermittlung von Selbstvertrauen und Förderung des Kindeswohls.
Frühe Hilfen werden vom Bundesfamilienministerium mit jährlich 51 Millionen Euro unterstützt. Damit sollen auf kommunaler Ebene die Kooperation von Einrichtungen des Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe und der sozialen Sicherung forciert und sozial schwache Familien niedrigschwellig angesprochen werden. „Pro Kind“ basiert auf der Konzeption des in den USA erfolgreich etablierten „Nurse Family Partnership"-Programms zur frühen Förderung von erstgebärenden Müttern in finanziellen und sozialen Problemlagen.
„Pro Kind“ wurde bislang in 13 Kommunen in Niedersachsen, Bremen und Sachsen implementiert, im Bundesland Bremen und in Braunschweig ist es in die Regelversorgung eingegangen. Internationale Studien zur Wirksamkeit von Hausbesuchsprogrammen zeigen laut Studienautor Malte Sandner eine Verbesserung der kindlichen Entwicklung sowie der Arbeitsmarkt- und Bildungsteilhabe der Mütter. Vorliegende IAB-Studie will ergründen, ob diese Ergebnisse auch für das Modellprojekt zutreffen und auf das deutsche Sozialsystem übertragbar sind. Die Untersuchung basiert auf einer Erhebung mit 755 Müttern. Eine zufällig ausgewählte Hälfte der Stichprobe wurde von Familienhelferinnen begleitet und mit der zweiten Hälfte nicht begleiteter Mütter verglichen.
Begleitete Mütter haben der Studie zufolge in den ersten drei Jahren nach der Geburt häufiger ein zweites Kind bekommen, sind seltener erwerbstätig und beziehen häufiger Transferleistungen als unbegleitete Mütter. Insgesamt fällt auf, dass Mütter der „Pro-Kind“-Stichprobe (begleitet und unbegleitet) seltener erwerbstätig sind (25 %) als Mütter einer repräsentativen Stichprobe in Deutschland (51 %). „Diese Zahlen verdeutlichen, dass bei der Gruppe der Mütter in der ,Pro Kind’-Stichprobe noch Erwerbspotenzial vorhanden ist.“
Woran liegt es, dass sich die „Pro Kind“-Mütter häufiger für ein weiteres Kind entscheiden? Dieses Ergebnis, zusammen mit der geringeren Erwerbstätigkeit und dem längeren Transferbezug, ist nicht Ziel des Modellprojekts und unterscheidet sich auch von vergleichbaren Programmen in den USA. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Mütter in der Interventionsgruppe zufriedener mit ihrer Lebenssituation sind als Mütter in der Kontrollgruppe und daher vermutlich mehr Zeit zu Hause mit ihrem Kind verbringen wollen und sich häufiger für ein zweites Kind entscheiden“, begründet die Studie. Die höhere Zufriedenheit der Mütter wirkt sich auch positiv auf die Mutter-Kind-Beziehung und die kindliche Entwicklung aus. Das zeigt sich in geringerem Fernsehkonsum, mehr Zeit zum Vorlesen und größerer kognitiven Reife der Kinder (vor allem der Mädchen).
Höhere Lebenszufriedenheit, mehr Zweitgeburten und bessere kindliche Entwicklung sprechen klar für das Hausbesuchsprogramm „Pro Kind“, folgert die Studie. Mehr Zweitgeburten sind aber zugleich unerwünschte Nebenwirkungen. Gleiches gilt für die geringere Erwerbstätigkeit. Mit diesem Ergebnis unterscheidet sich das deutsche Familienbegleit-Programm denn auch merklich von vergleichbaren Programmen in den USA. Nur warum? Vermutlich liegt es am geringeren Transferbezug dort, an der entsprechend höheren Erwerbstätigkeit der Mütter und vielleicht auch an der unterschiedlichen Qualifikation der Familienbegleiterinnen. Hierzulande sind Hebammen und Sozialpädagoginnen mit Extraqualifikation im Einsatz, in den USA Familienkrankenschwestern.
Dennoch geht Studienautor Sandner von einer sozialpolitisch besseren Bilanz der deutschen Variante der Familienbegleitung aus: Frühe Hilfen ermöglichten den Zugang zu Familien, die sonst nur schwer zu erreichen seien und beeinflussten die Entscheidung gegen eine Abtreibung. Hinzu komme die verbesserte kindliche Entwicklung mit entsprechend positiveren Entfaltungsmöglichkeiten im späteren Leben. „Wenn alle Faktoren, die eine höhere Bildung beeinflussen, einbezogen würden, wäre in der langen Frist sogar eine Rendite des Projekts zu erwarten.“
Malte Sandner, Intensive Begleitung hilft Müttern und Kindern.
Modellprojekt für benachteiligte Familien, IAB-Kurzbericht, hg. von Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 6/2018, 8 Seiten
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