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Autos, die den ganzen Tag nutzlos herumstehen, leer stehende Zimmer im Eigenheim, übervolle Kleiderschränke, von deren Inhalt man sich gerne trennen würde – geht das nicht auch effizienter und nachhaltiger? Doch, geht: Sharing Economy ist das Zauberwort. Mittlerweile gibt es in Deutschland 110 Online-Plattformen, über die Privatpersonen Autos, Wohnungen, Kleider und andere Gebrauchsgegenstände teilen, leihen oder tauschen können, Tendenz steigend.
Noch ist das Teilen via Internet eher ein Nischenphänomen, hat allerdings eine starke Dynamik. Meist schwingt das soziale Gewissen mit, obwohl es damit oft nicht weit her ist. Auch in puncto Nachhaltigkeit muss noch an wichtigen Stellschrauben gedreht werden, stellt eine aktuelle Studie unter Federführung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) fest.* Die Autoren fordern einen „angemessenen Regulationsrahmen“, damit die Ökonomie des Teilens und Tauschen tatsächlich „grün“ wird.
Meinungen über die Sharing Economy sind geteilt: Manche sehen in ihr eine soziale Innovation, die gemeinschaftsbildend und sinnstiftend wirkt und irgendwann einmal den Kapitalismus überflüssig machen wird. Beispiele sind Non-profit-Plattformen wie Foodsharing oder Freecycle, die überschüssiges Essen und Gebrauchsgegenstände kostenfrei zur Verfügung stellen. Andere befürchten, dass das Sharing selbst zu einem Markt wird, der das Soziale und Private immer weiter kapitalisiert – und von dem vor allem die Plattformbetreiber profitieren, beispielsweise Airbnb oder Uber.
Die Studie untersucht vier Sharing-Bereiche in Deutschland: privates Autoteilen (Drivy), Kleider-Sharing (Kleiderkreisel), Mitfahrgelegenheiten (flinc) und Apartment-Sharing (wimdu). Die Nutzung dieser Angebote ist sehr unterschiedlich: Während schon ein Viertel der Deutschen Erfahrung im Kleider-Sharing hat, sind es beim Carsharing nur drei und beim Apartment-Sharing sechs Prozent. Hier ist nach Ansicht der Studienautoren noch jede Menge Musik drin – vor allem für profitorientiert arbeitende Plattformbetreiber (80 Prozent aller Anbieter). Sich auf dem Markt zu behaupten, ist jedoch nicht einfach: „Ein nachhaltig profitables Geschäftsmodell scheinen bisher nur wenige Plattformen entwickeln zu können. Langfristig hängt die Entwicklung und Verbreitung davon ab, ob es ihnen gelingt, sich über Vermittlungsgebühren oder weitere Einnahmequellen zu finanzieren.“ Nur wer es schafft, sehr hohe Nutzerzahlen mit geringen Provisionen zu kombinieren, wird langfristig einen Marktvorteil haben.
Die Entwicklung der Sharing Economy ist stark marktgetrieben. „Sharing wird zwar künftig zunehmen und den eigentumsbezogenen Konsum ergänzen oder teilweise auch ersetzen“, prognostizieren die Autoren. Ein grundlegender Wandel zu einer „Sharing Society“ zeichne sich aber nicht ab: „Sharing ist eher als ein Konsum-Modus zu verstehen, der Marktmechanismen unterworfen ist.“ Teilen bedeutet also nicht unbedingt verzichten, es eröffnet vielmehr neue Konsumoptionen.
Teilen ist aber auch nicht automatisch umweltfreundlich – so die Ökobilanz der Forscher. Denn nicht immer führt Sharing dazu, dass das eigene Auto abgeschafft oder weniger Kleidung gekauft wird. „Wenn Sharing den Konsum insgesamt erhöht oder hin zu nachteiligem Konsum wie etwa Flugreisen verschiebt, bleiben Nachhaltigkeitspotenziale auf der Strecke“, heißt es in der Studie. Größtes ökologisches Potenzial habe das Carsharing.
Kritiker verweisen zudem auf ungerechte Wettbewerbsvorteile und Monopolisierungstendenzen beispielsweise bei Big Playern wie Airbnb und Uber. So entziehe das kommerzielle Apartment-Sharing von Airbnb dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt dringend benötigte Angebote, Fahr-Dienstleister Uber unterlaufe Arbeitsschutz und Kartellrecht und benachteilige Taxi-Unternehmen, so die Kritik.
Die Maßnahmen sind unterschiedlich – je nach Bereich. So kann Nachhaltigkeit im Peer-to-Peer Carsharing nur funktionieren, wenn Autofahrer ihr Mobilitätsverhalten grundsätzlich ändern und verstärkt öffentliche und komplementäre Verkehrsangebote nutzen, urteilt die Studie. Hier könnten Kooperationen zwischen Carsharing-Anbietern und Unternehmen des ÖPNV eine Vorreiterrolle einnehmen. Sinnvoll, so die Forscher, seien auch Vorteile für die Nutzer, beispielsweise Steuererleichterungen.
Gebrauchtprodukte müssen hochwertig und langlebig sein, damit sich ein Wiederverkauf lohnt. Hier empfehlen die Wissenschaftler, „einen Pfadwechsel weg vom Trend kürzerer hin zu einer längeren Produktnutzung“. Auch müsse der bestehende Onlinehandel ökologisch verbessert werden, vor allem, was den Versand angeht.
Bei den Übernachtungsplattformen sollten die Betreiber „mehr Verantwortung für die Ausgestaltung und Rechtmäßigkeit der Angebote ihrer Nutzer übernehmen und sich nicht weiterhin auf ihre vermittelnde Rolle zurückziehen“. Kooperationen mit Städten und Behörden müssen intensiviert werden (z.B. Meldung kommerzieller Nutzer). „Ziel muss es sein, einen fairen Interessensausgleich zwischen Vermietenden, Vermittlungsplattformen, Touristen und Gemeinwohl herzustellen.“
Die Forscher definieren folgende Herausforderungen für eine nachhaltige Sharing-Economy:
Doch vielleicht, so geben die Studienautoren zu bedenken, kommt alles ganz anders: Moderne Technologien wie die Blockchain, eine Art dezentrales Kassenbuch, oder das autonome Fahren könnten völlig neue Entwicklungen anstoßen. Die fiktiven Schlagzeilen in der Presse im Jahr 2026 könnten dann lauten: „Privates Autoteilen fristet Nischendasein – Flottenmanagement der Autohersteller boomt.“
* Projektleitung hatte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Kooperationspartner waren das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) und das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU).
Siegfried Behrendt / Christine Henseling / Christian Flick / Sabrina Ludmann /
Gerd Scholl, Zukünfte des Peer-to-Peer Sharing. Diskurse, Schlüsselfaktoren und Szenarien, PeerSharing Arbeitsbericht 5, Berlin 2017, 87 Seiten
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Weitere Informationen zum Projekt:
www.peer-sharing.de
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