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Vier-Tage-Woche, Sechs-Stunden-Tag, Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice: Moderne Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit lassen den klassischen Nine-to-five-Job ziemlich alt aussehen. Schlagworte wie New Work und Work-Life-Balance prägen die Diskussion. In diesem Zusammenhang erlebt ein altes Konzept neue Aufmerksamkeit: das Sabbatical oder Sabbatjahr. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung untersucht den Stellenwert von Sabbaticals im Kontext von Arbeit 4.0 und stellt vier zukunftstaugliche Grundmodelle vor.
Waren es in der Vergangenheit vor allem Lehrer und Dozenten, die sich für ein Schuljahr oder Semester beurlauben ließen, nimmt der Wunsch nach einer Auszeit quer durch alle Branchen zu. Einfach mal raus aus dem Hamsterrad, auf Reisen gehen oder sich Zeit für einen betreuungsbedürftigen Angehörigen nehmen: Für viele Berufsstätige klingt das nach einem unerreichbaren Traum. Dabei hat sich jeder zehnte Deutsche schon einmal ein Sabbatical genommen, jeder fünfte würde es gerne tun.
Außer für spezielle Aufgaben wie Eltern-, Pflege- und Familienpflegezeit gibt es hierzulande keinen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Vereinzelt existieren tarifliche und betriebliche Regelungen oder individuelle Absprachen mit dem Arbeitgeber. Sie enthalten Ansparpläne für Zeit- und Geldguthaben. Beispiele sind der Bildungs-/Qualifizierungs-Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie (IG Metall, 2015) und der Tarifvertrag „Zeitwertkonto“ für die Deutsche Post AG (ver.di, 2011).
Konkret geht in der vorliegenden Studie um Sabbaticals mit kürzeren (zwischen vier Wochen und sechs Monaten) und längeren Laufzeiten (zwischen sechs und zwölf Monaten).
Die Forscher*innen untersuchen, wie solche Auszeiten gestaltet sein sollten. Eine Fragestellung ist, wie das Ganze ausgestaltet werden muss, damit auch gering Verdienende, Teilzeitbeschäftigte, Alleinerziehende und befristet Beschäftigte davon profitieren. Dazu werden bestehende Regelungen hierzulande und in einigen weiteren Ländern zu Rate gezogen.
Zuerst seien häufige Motivlagen für Sabbaticals genannt:
Die differenzierten Praxisbeispiele zusammenfassend hält die Studie fest: Auszeiten können auf drei Ebenen verankert werden – betrieblich, tarifvertraglich und im gesetzlichen Rahmen.
Die Studienautor*innen schlagen mit Blick auf zukünftige Sabbatical-Regelungen vier sich ergänzende Grundmodelle vor, die auf unterschiedlichen Ebenen (Betrieb, Tarifvertrag, gesetzliche Regelung) verankert sind.
Modell I: Freie-Tage-Wahlmodell – betrieblich geregelt
Den Beschäftigten stehen begründungsfrei zehn bis zwanzig zusätzliche freie Tage im Jahr zur Verfügung, die einzeln oder auch am Stück abgerufen werden können. Finanziert durch Entgeltreduzierung.
Modell II: Kurzzeit-Sabbatical – betrieblich geregelt
Pragmatische Lösung für besondere begründungsfreie oder zu definierende Anlässe. Auf Basis einer Betriebsvereinbarung ist eine Auszeit von ein bis sechs Monaten zulässig, finanziert durch Entgeltreduzierung. Wünschenswert: Teilsubventionierung durch den Arbeitgeber, je nach Anlass.
Modell III: Anlassbezogenes Sabbatical – in Tarifverträgen geregelt
Diese Variante ist vor allem zur Gesunderhaltung und Weiterbildung sinnvoll. Dauer entweder vier bis acht Wochen, bei regelmäßiger Inanspruchnahme alle zwei bis fünf Jahre (Gesunderhaltung) oder ein bis zwölf Monate bei einmaliger Nutzung (Weiterbildung). Langfristig geplante, automatische Einzahlungen von Beschäftigten und Arbeitgebern in der Ansparphase.
Modell IV: Begründungsfreies Sabbatical – gesetzlich verankert
Für eine längere Auszeit zwischen sechs und zwölf Monaten, etwa für die persönliche oder berufliche Neuorientierung, für soziales Engagement oder eine Weltreise, ist die gesetzliche Verankerung sinnvoll. Die Freistellung erfolgt ohne Entgeltanspruch, weshalb kein Ansparen nötig ist. Begleitend zum Sabbatical kommen staatliche Teil-Subventionierung oder Transferzahlung infrage, sofern arbeitsmarktpolitische Ziele erreicht werden (z. B. Einstellung einer Ersatzkraft, Übernahme Azubi).
Die zunehmende Vielfalt der Arbeits-, Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse erfordert flexible Arbeitszeiten. Das betrifft die Verteilung der täglichen, wöchentlichen und monatlichen Arbeitszeit und zunehmend auch der Arbeit im Jahresverlauf. „Wir brauchen solche beruflichen Auszeiten in der Mitte des Lebens, da nur sie die Zeit und Energie für die anderen wichtigen Lebenstätigkeiten jenseits der Erwerbsarbeit geben“, sind die Autor*innen überzeugt. Allerdings bedürfe es verschiedener sich ergänzender Regelungen, die flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse der Beschäftigten und Betriebe reagieren könnten.
Svenja Pfahl / Stefan Reuyß / Esther Mader, Auszeiten – Rauszeiten. Erfahrungen mit (Kurzzeit-) Sabbaticals und Vorschläge für ihre zukünftige Gestaltung. Hg.: Hans Böckler Stiftung, Working Paper, Forschungsförderung 170/2020, Düsseldorf, 106 Seiten, Download
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