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Selten zeigen sich das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung so einig. Homeoffice und andere Formen flexibler Arbeitszeit sind das Thema von zwei Studien der beiden Think Tanks, die sonst eher Kontrahenten sind. Die Ausgangsfrage: Wo müssen Unternehmen nachbessern, damit Beruf und Familie vereinbar sind? Und zwar so, dass beide Lebensbereiche für sich profitieren und miteinander harmonieren? Die Argumente sind ähnlich, das Resümee gleich: Die Unternehmen sind am Zug, bessere Voraussetzungen für die flexible Arbeitswelt zu schaffen.
Die Arbeitswelt wird zeitlich und örtlich immer flexibler. Und Mitarbeiter wissen zu schätzen, wenn sie mobil arbeiten und ihre Arbeitszeiten problemlos mit familiären Verpflichtungen verknüpfen können. Natürlich gibt es vielfältig gelebte familienfreundliche Regelungen auch in analogen Unternehmen. Eine zentrale Erkenntnis der IW-Studie ist jedoch die „signifikante Korrelation“ zwischen familienfreundlicher Unternehmenskultur, Digitalisierung und mobilem Arbeiten.
Die IW-Studie basiert auf einer Umfrage unter rund 2.500 Beschäftigten und 1.300 Unternehmen. Befragt wurden sowohl Beschäftigte aus Unternehmen mit digital anspruchsvollen Geschäftsmodellen (Unternehmen 4.0) und großzügigen Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsort, als auch Mitarbeiter von Firmen, in denen Digitalisierung und Homeoffice eine nachrangige Rolle spielen
Familienfreundlichkeit zeigt sich an der selbstverständlichen Vereinbarkeit im Unternehmensalltag, an gleichen Aufstiegschancen für Beschäftigte mit und ohne familiäre Verpflichtung sowie regelmäßigen Informationen über familienfreundliche Angebote durch die Geschäftsleitung. Zwischen stark und schwach digitalisierten Unternehmen ergibt sich laut IW-Studie folgendes Bild:
Mehr als jedes zweite Unternehmen (53 %) mit einem hohen Digitalisierungsgrad verfügt über eine ausgeprägt familienfreundliche Unternehmenskultur. Unter den Unternehmen mit geringem Digitalisierungsgrad ist es nur ein Drittel (32,9 %). Und 50 Prozent der Mitarbeiter, die häufig mobil arbeiten, bescheinigen ihrem Unternehmen eine starke Familienfreundlichkeit, während es bei Beschäftigten, die nie mit mobilem Internet arbeiten, nur 30 Prozent sind.
Mobiles Arbeiten hat jedoch auch seine Schattenseiten. Da ist zum einen die Sorge vor ausufernder Erreichbarkeit: „Während mobil arbeitende Beschäftigte einerseits Arbeitszeiten besser an private Belange anpassen können, sehen sie sich auf der anderen Seite häufiger mit der Anforderung konfrontiert, auch außerhalb ihrer Arbeitszeit für berufliche Belange zur Verfügung stehen zu müssen.“ Hinzu kommt die Angst, wegen reduzierter Präsenz im Betrieb bei wichtigen Projekten übergangen zu werden. Vor allem, wenn es um Beförderung und Führungsverantwortung geht, kann das zum Problem werden.
Auch für die WSI-Studie ist erwiesen, dass Homeoffice große Vorteile hat: für die Beschäftigten das Gefühl der Kontrolle über die Arbeit und eine höhere Motivation, für die Arbeitgeber höhere Produktivität und Fachkräftebindung. Die angestrebte Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei allerdings kein Selbstläufer, betont die Autorin: Mit Homeoffice gehe die Gefahr erhöhter Stressbelastung einher – insbesondere durch ständige Erreichbarkeit, Unfähigkeit des Abschaltens und eine Stigmatisierung als Minderleistung im Rahmen der vorherrschenden Präsenzkultur. Arbeitgeber und Vorgesetzte müssten gezielt für gute Voraussetzungen von Vereinbarkeit sorgen, d. h. dafür, dass die Regelungen für Homeoffice und andere Formen flexibler Arbeit auch tatsächlich eine als vorteilhaft erlebte Vereinbarkeit zulassen. Auf welche Maßnahmen kommt es also an?
In der Chefetage liege der Schlüssel für eine familienfreundliche Unternehmenskultur, stimmen beide Studien überein. Die IW-Studie rät Mitarbeitern und Führungskräften zu klaren Absprachen. „Betriebliche Rahmenregelungen geben Orientierung, wer unter welchen Bedingungen mobil arbeiten darf, und schaffen Transparenz und Verbindlichkeit.“ Flexible Arbeitsorganisation könne zudem durch ergebnisorientiertes Führen unterstützt werden.
Die WSI-Studie geht noch weiter: Führungskräfte sollten für ein Arbeitsumfeld sorgen, in dem Beschäftige mit flexiblen Arbeitszeiten als gleichwertig respektiert werden. Wer zu Hause arbeitet, werde oft als „Minderleister“ stigmatisiert und müsse negative Bewertungen fürchten – häufig seien Frauen betroffen, beklagt die Autorin. Auch in diesem Punkt wird deutlich, wie sehr es auf transparente Kriterien zur Leistungsbeurteilung für alle Beschäftigten ankommt. Betriebsvereinbarungen und ein gesetzliches Recht auf Homeoffice könnten die Akzeptanz fördern und damit auch die Vorrausetzungen für eine beidseits nutzbringende Work-Life-Balance.
Andrea Hammermann / Jörg Schmidt / Oliver Stettes, Zur Ambivalenz flexiblen Arbeitens: Der Einfluss betrieblicher Familienfreundlichkeit, Institut der Deutschen Wirtschaft, IW-Trends, 46 Jg. Nr. 4, Seite 71-88, Download
Yvonne Lott: Work-Life-Balance im Homeoffice: Was kann der Betrieb tun? Welche betrieblichen Bedingungen sind für eine gute Work-Life Balance im Homeoffice notwendig?
Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Report Nr. 24, Januar 2020, 16 Seiten, Download
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