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Partner, Kinder, Karriere, Haus – die Rushhour des Lebens setzt uns mächtig unter Druck. Es sind meistens die Jahre zwischen 30 und 35, in denen wir zentrale Weichen fürs Leben stellen. Und wie geht es danach weiter? Nur selten auf eingefahrenen Gleisen. Umbrüche und Neustarts machen uns manchen Strich durch die Rechnung, Schicksalsschläge stellen uns auf die Probe. Das mittlere Erwachsenenalter, die Zeit zwischen 35 und 59, gleicht oft einer Achterbahn. Während die Rushhour gut erforscht ist, wissen wir über diesen Lebensabschnitt nur wenig, bedauern Forscher der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Die Studie „Was kommt nach der Rushhour?“ soll diese Lücke schließen.
„Dabei bildet diese Lebensphase die längste Periode im Lebensverlauf, in der sich gegenwärtig 36 Prozent der Bevölkerung in Deutschland befinden“, schreibt die Soziologin Christine Henry-Hutmacher im Vorwort. Ausgehend von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82 Jahren, liegt die Mitte des Lebens bei exakt 41 Jahren.
Es ist längst nicht nur dieser chronologische Aspekt, der die intensive Beschäftigung mit dem Lebensabschnitt zwischen Rushhour und Rentenalter nahelegt. Normgerechte Lebensentwürfe und Rollenbilder verlieren heute zunehmend an Bindekraft und machen einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensverläufe Platz. „So spannt sich die Lebensmitte von einer späten Familiengründung nach dem 35. Lebensjahr über die Familienerweiterung bis zum Auszug der Kinder. Oft mündet sie in der Pflege der Familienangehörigen.“ Kernaussagen der Studie sollen diesen Zusammenhang beispielhaft erläutern.
Zwar hat die Mehrheit der Menschen bis zum Ende der Rushhour die Gründung eines gemeinsamen Haushalts mit einem Partner, eventuell Heirat und Familiengründung bereits hinter sich. Zugleich werden die Lebensläufe der Menschen immer heterogener: Zum einen werden immer mehr Ehen in Zeit zwischen 35 und 59 Jahren geschlossen – bei 19 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen. Zum anderen ist die Lebensmitte zunehmend durch Familiengründung und Kindererziehung geprägt. Mehr als jede achte Frau (12,3 %) bringt mittlerweile erst nach dem 35. Geburtstag ihr erstes Kind zur Welt, weitere 25 Prozent bekommen dann noch mindestens ein zweites Kind.
Zwar ist das traditionelle Lebensmodell „Partnerschaft und Kinder“ in der Lebensmitte weiterhin das häufigste, dennoch hat es an Bedeutung eingebüßt, hebt die Studie hervor. Nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern und Stieffamilien beziehungsweise Patchwork-Familien sind vor allem im Osten Deutschlands in manchen Regionen ähnlich häufig anzutreffen. „Neben der Pluralisierung der Lebensformen mit Kindern ist der deutliche Anstieg von Alleinlebenden in dieser Lebensphase seit 1996 eine weitere markante Entwicklung“, so der Befund.
Mit der späteren Heirat verschiebt sich auch das Scheidungsalter nach hinten. Jeder Fünfte lässt sich in der Lebensmitte scheiden. Wenn Mann und Frau auseinander gehen, sind sie heute rund drei Jahre älter als vor 20 Jahren (46,6 bzw. 43,6 Jahre). Ein Lichtblick: „Auf jede zweite Scheidung folgt im Laufe des weiteren Lebens jedoch (mindestens) eine zweite Heirat.“ Das Durchschnittsalter beträgt dann 51,4 bzw. 47,6 Jahre.
Das Bildungsniveau der Menschen im mittleren Erwachsenenalter hat in den vergangenen 20 Jahren erheblich zugenommen, bei Frauen mehr als bei Männern. Das macht die spätere oder unterlassene Familiengründung wahrscheinlicher und sorgt für eine stärkere Integration beider Geschlechter in den Arbeitsmarkt. Mit einer zwiespältigen Folge: Für Frauen mit hohem Bildungsgrad ist die Wahrscheinlichkeit erheblich höher als bei vergleichbaren Männern, Single und kinderlos zu bleiben. Dafür sind diese Frauen im Job besonders engagiert.
Auffallend ist vor allem die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen – insbesondere in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen (1996: 42 %; 2016: 77 %). Der dauerhafte Rückzug aus dem Erwerbsleben wegen Eheschließung und Nachwuchs ist heutzutage kein Thema mehr. Allerdings hat das wenig am Status der Frauen als Hinzuverdiener geändert: Bei 60 Prozent der Paare arbeitet der Mann weiterhin in Vollzeit und die Frau in Teilzeit. In Ostdeutschland herrscht das Modell von zwei in Vollzeit arbeitenden Partnern vor (75 %).
Wie glücklich die Menschen mit ihrem Leben sind, verändert sich im Lauf der Jahre. Die Studie konstatiert einen sinus- oder U-förmigen Verlauf der Glückskurve. Zwischen 15 und 20 Jahren ist die Lebenszufriedenheit hoch, sinkt schrittweise bis zum Alter von 45 bis 55 Jahren, steigt dann bis 70 Jahre und zeigt dann erneut abwärts. „Junge Menschen und Ruheständler kurz vor und nach dem Renteneintritt sind demnach besonders zufrieden, während Personen im Alter von 45 Jahren sowie Menschen über 80 Jahre im Durchschnitt am unzufriedensten sind“, fassen die Autoren zusammen. In der empirischen Glücksforschung ist das Zufriedenheitstief in der Lebensmitte als Midlife Crisis bekannt. Die Gründe sind vielfältig: unerfüllte Lebensentwürfe und das Gefühl, durch langfristige Entscheidungen gefangen zu sein, in Partnerschaft, Elternschaft, Beruf.
Der Trend zur Verlagerung von fester Partnerschaft und Kindern in das mittlere Erwachsenenalter wird künftig noch stärker die Vereinbarkeit von Familienleben und Berufstätigkeit für beide Geschlechter einfordern. „Bei der Bewältigung des anstehenden Wandels wird es zentral darum gehen, den Doppelprozess einer stärkeren Integration von Müttern in das Erwerbsleben und von berufstätigen Vätern in das Familienleben zu gestalten“, fordert die Studie. Außerdem müsse die Familienpolitik, die bislang vor allem Familiengründung und Kindererziehung berücksichtige, verstärkt auch die Leistungen für Altenbetreuung einbeziehen.
Norbert Schneider / Harun Sulak / Ralina Panova, Was kommt nach der Rushhour? Lebenslagen und Lebensverläufe von Frauen und Männern in der Lebensmitte. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. (Hg.), Sankt Augustin/Berlin, 2019, 98 Seiten, Download
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