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Fatima wird seltener zum Bewerbungsgespräch eingeladen als Anna, Ahmet hat schlechtere Jobchancen als Lukas. Im Jahr 2014 wies eine Studie nach, dass gut qualifizierte Jugendliche mit ausländischen Wurzeln alleine schon wegen ihres Namens auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.* Eine aktuelle Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nimmt erneut das schlechte Abschneiden von Migrantenkindern ins Visier. Diesmal geht es um tiefer liegende Ursachen für mangelnden Bildungserfolg: „Lücken bei den Deutschkenntnissen“ und „relativ niedrigen Bildungsstand“. Eine Erkenntnis, die nicht wirklich überrascht, aber dringende Abhilfe verlangt, meinen die Autoren. Zumal Migranten im Schnitt höhere Bildungsziele hätten als Nichtmigranten, es auf sich allein gestellt aber oft nicht schafften.
Der Bildungsrückstand von Migrantenkindern beginnt schon in den ersten Lebensjahren, setzt sich in der Schule fort und resultiert in vergleichsweise ungünstiger Teilhabe am Erwerbsleben, analysiert die IW-Studie unter Berufung auf Daten vor allem des Sozio-oeconomischen Panels (SOEP), des Statistischen Bundesamtes und des FDZ Mikrozensus.
Diese Zahlen verdeutlichen zweierlei: Die Auflistung stellt nur negative Tendenzen des Bildungsrückstands dar. Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind jedoch im deutschen Bildungssystem erfolgreich. So ist das häufigste Abschlussniveau bei den 21- bis 24-Jährigen mit Migrationshintergrund die Hochschulreife (48 % der hier Geborenen), liegt aber deutlich unter den Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund (56 %).
Um diese ungünstige Kompetenzentwicklung geht es der Studie vordringlich. Nur wenn sie benannt wird, kann sie gezielt angegangen werden. Doch was ist deren Ursache? Zeigen Migranteneltern zu wenig Ehrgeiz, ihren Nachwuchs fit für den sozialen Erfolg zu machen? „Eltern mit Migrationshintergrund haben im Gegenteil sogar höhere Bildungsaspirationen als andere Eltern mit einem vergleichbaren Bildungsstand“, stellt die Studie fest. „Jedoch sind vergleichsweise viele Familien mit Migrationshintergrund bildungsfern und einkommensschwach, was für die Entwicklung der Kinder unabhängig vom Migrationshintergrund nicht förderlich ist.“
Zuwanderung leistet einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung hierzulande. Gerade vor diesem Hintergrund fordert die IW-Studie deutlich größere Anstrengungen gegen die schlechte Bildungs- und Erwerbssituation von Migranten.
Den entscheidenden Problemkomplex sehen die Autoren darin, dass zu viele Migrantenkinder zu spät eine Betreuungseinrichtung besuchen und daher in ihren sozialräumlich konzentrierten Communities in der Sprache und Vorstellungswelt ihrer Herkunftsländer verharren. Die Förderangebote in den Einrichtungen seinen „nicht optimal“, obgleich etwa zusätzlich geschaffene Ganztagsangebote der Grundschulen eine bessere Lernförderung ermögliche.
Die Autoren fügen ihrer Analyse einen umfangreichen Maßnahmenkatalog an: Von hohem Stellenwert ist der Ausbau des Angebots an frühkindlicher Betreuung in Kita und Kindergarten sowie an Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Des Weiteren sollte die Sprach- und Leseförderung intensiviert und eine Lernbegleitung für Kinder, deren Eltern kein Deutsch sprechen, eingeführt werden. Lehrer und Erzieher benötigten mehr Fortbildung in integrationspädagogischen Belangen.
Kernpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen ist ein Sozialindex, der die Zuweisung von Finanzmitteln an Bildungs- und Betreuungseinrichtungen stärker an deren tatsächlichem Förderbedarf ausrichtet. Mit Prämien und reduziertem Lehrdeputat könnten beispielsweise zusätzliche Lehrer und Betreuer an Brennpunktschulen und Kitas mit hohem Migrantenanteil geholt werden. Solche Maßnahmen zur Qualifizierung des Nachwuchses kämen mittelfristig der Wirtschaft und den Sozialkassen zugute, raten die Autoren.
„Ohne gezieltes politisches Handeln dürfte sich die Lage in den kommenden Jahren noch verschlechtern“, mahnt das Autoren-Duo. Die zugrundeliegenden statistischen Daten berücksichtigen noch nicht den starken Flüchtlingszuzug ab 2015. Viele der seither ins Land gekommenen Zuwanderer und Geflüchteten weisen einen sehr lückenhaften Bildungsweg auf. Die Politik sollte schnell und gründlich gegensteuern und die Betroffenen bei der Integration in Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt frühzeitig unterstützen. Vielleicht hilft auch der Blick über die Grenzen, so die Empfehlung: Viele Länder schaffen es viel besser, ihre Migrantenkinder an das Niveau der anderen Schüler heranzuführen.
Christina Anger / Wido Geis-Thöne: Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Herausforderungen für das deutsche Bildungssystem, IW-Analysen 125, Institut der Deutschen Wirtschaft (Hg.), Köln 2018, 80 Seiten, Download
*Diskriminierung am Ausbildungsmarkt. Ursachen, Ausmaß, Handlungsperspektiven, hg. v. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Berlin 2014, 56 Seiten, Download
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